Syrischer Widerstand gegen die französischen Besatzer und Heimat von Terrorgruppen

Die Franzosen handelten nach dem Prinzip „teile und herrsche“. Sie formten Kleinstaaten aus ihren Mandatsgebieten. An der Spitze stand jeweils ein französischer Verwaltungsbeamter.

Einen eigenen Staat mit eigener Fahne und klaren Grenzen bekamen die Alawiten. Ein französischer Gouverneur entschied über die Politik.

Nach vier Jahren wurden die Teilstaaten aufgelöst und zu einer großen französischen Verwaltungseinheit zusammengefasst.

Nur der Alawitenstaat blieb.

Der Großvater des gegenwärtigen Präsidenten, Suleiman al-Assad, schrieb 1936 zusammen mit anderen führenden Alawiten in einem Brandbrief an den französischen Präsidenten Leon Blum:

„Der Geist von Hass und Fanatismus im Herzen der arabischen Muslime lässt sie jeden Nichtmuslim ablehnen. Da diese Haltung vom Islam ständig genährt wird, gibt es keine Hoffnung, dass sich daran etwas ändert.“

Die Unterzeichner fürchteten in einem Großsyrien als Minderheit von der sunnitischen Mehrheit wieder einmal verfolgt zu werden, sobald ihre Schutzmacht Frankreich aus Syrien abziehen sollte.

Im Jahre 1946 erhielt Syrien von der Kolonialmacht Frankreich seine Unabhängigkeit und wurde Republik.

Nur zwei Jahre später, 1948, erklärte Israel seine Unabhängigkeit.

Der erste israelisch-arabische Krieg brach aus, der aus israelischer Sicht sogenannte „Unabhängigkeitskrieg“. Syrien stellte damals den multinationalen arabischen Truppen nur eine kleine Zahl von Soldaten im Kampf gegen den jüdischen Staat zur Verfügung, gerade mal 2500 Mann, von denen lediglich 1000 auf israelischem Boden kämpften, der Rest blieb in Syrien stationiert.

Das hatte weniger mit Zuneigung für den Zionismus zu tun. Es war eher eine politische Unterwerfungsgeste gegenüber den Großmächten Frankreich, USA und Großbritannien. Präsident Shukir al-Kuwatli wollte sich nicht in deren Regionalpolitik einmischen. Es war aber auch ein Statement Syriens gegenüber dem Panarabismus, der damals in den arabischen Staaten vorherrschende Ideologie, die vorsah, einen nationalen Einheitsstaat für alle Araber zu schaffen.

Das Syrien also im Krieg gegen Israel nicht wirklich mit von der Partie war, war also ein klares Zeichen, dass die Regierung in Damaskus schon damals die eigenen Interessen über die der „arabischen Sache“, des arabischen Kollektivs stellte, was immer das auch jeweils bedeuten mochte.

Das es Israel damals gelang, die arabische Armee hinter die libanesische Grenze zurückzu drängen, ist also – aus heutiger Sicht geradezu unglaublich – quasi der syrischen „Nichteinmischung“ zu verdanken.

Nach der ersten arabischen Niederlage gegen Israel, die auf Arabisch „Nakba“ genannt wird, auf Deutsch: „Katastrophe“, offerierten die USA 400 Millionen US-Dollar, um im fruchtbaren Nordosten des Landes rund eine halbe Million palästinensische Flüchtlinge anzusiedeln. Doch die syrischen Oppositionsparteien protestierten gegen diesen Vorschlag. Sie sahen dieses Angebot als Ausverkauf der in ihren Augen legitimen palästinensischen Rechte auf eine Rückkehr in das Land, das jetzt von den „Zionisten“ besetzt gehalten wurde.

Syriens Politik war stets darauf bedacht, seine eigene regionale Vormachtstellung zu sichern. So darf auch die Annäherung an die USA nach 1989 nicht als Hinwendung um Westen missverstanden werden. Schließlich ist heute der Iran der wichtigste strategische Partner Syriens. Es erhält aus Teheran billiges Öl und militärische Unterstützung.

Gibt es womöglich Chancen, Syrien aus den Klauen des Iran zu lösen? Davon sind viele im Westen überzeugt. Denn trotz der Unterstützung islamistischer Kräfte – die herrschende Baath-Partei ist bis heute radikal laizistisch, radikal anti-religiös.

Eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen Syrien und dem Westen könnte der Türkei zufallen. Sie ist ein enger strategischer Partner der USA und Israels und teilt mit Syrien eine Grenze und vor allem: Wasserquellen. Die Türkei kontrolliert die gesamte Wasserzufuhr, die Syrien vom Euphrat erhält.

Heute ist die Türkei das einzige nichtarabische Land, das gute Beziehungen zu Syrien unterhält. Sollte die Türkei früher oder später EU-Mitglied werden, so könnte das auch für Syrien positive wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Doch dazu muss sich Assad mehr bewegen. Zwar war Syrien eines der ersten Länder, das die von den USA eingesetzte irakische Regierung nach dem Sturz Saddam Husseins anerkannte.

Doch Syrien hält seine Grenzen zum Irak weiterhin offen. Waffen und islamische Terroristen können ungehindert in den Irak gelangen und somit den bewaffneten Kampf gegen amerikanische Truppen fortführen.

Bleibt also das Terror-Problem. Syrien ist nicht einfach nur ein „stiller Teilhaber“ an Terroraktionen islamistischer Gruppen. Syrien war selbst an zahlreichen Attentaten beteiligt, nach zuverlässigen Aussagen des US-Außenministeriums gibt Syrien der Hizbollah eine „substanzielle Menge Hilfe in den Bereichen Finanzen, Ausbildung, Waffen, Explosivstoffen, Politik, Diplomatie und Organisation“. Iranische Waffen, die für die Hizbollah bestimmt sind, gelangen über Syrien in den Libanon. Und man darf nicht vergessen: Syrien lässt bis heute Angriffe der Hizbollah auf Israel zu, schürt so regionale Spannungen, ganz wie es Damaskus beliebt.

Für Syrien ist die Beheimatung der Terrorgruppen ein wichtiges Element seiner Politik. Einerseits kann man deren Aktivitäten kontrollieren und beeinflussen, andererseits gibt es dem Regime die Möglichkeit, die Terrorgruppen als permanente Bedrohung moderater arabischer Staaten einzusetzen, um diese wenn nötig zu zwingen, sich gemäß eigener Interessen zu verhalten.

Nicht nur der Westen muss sich also angesichts der nuklearen Bedrohung durch den Iran entscheiden, wie er mit Syrien umgehen will. Auch Bashar al-Assad wird irgendwann Farbe bekennen müssen. Von ihm wird ein deutliches Signal erwartet, wohin er sein Land zu führen gedenkt. Dazu aber müsste er mit einer alten syrischen Tradition brechen: Mit der Politik der Doppeldeutigkeit, die sich immer mehr Möglichkeiten offen lässt.

 

[1] Jörg Armbruster, „BRENNPUNKT NAHOST Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens“, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013

[2] Richard C. Schneider, „WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

War es „Verrat an den arabischen Völkern?“

Das Vertrauen in Leutnant Lawrence 1919 und Henry MacMahon, dem britischen Hochkommissar von Ägypten, gegenüber den arabischen Freunden war groß. Sie vertrauten den Versprechen vom arabischen Reich und glaubten an eine große Zukunft nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches.

Tatsächlich hatte sich aber schon während des  Krieges abgezeichnet, dass die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich ihre Ansprüche auf die arabische Welt nicht aufgeben würden.

Was ist schon ein gebrochenes Versprechen, verglichen mit dem vielen Öl unter dem Wüstensand und dem Suezkanal als Verbindungsweg nach Asien? Das war das einzige, was damals für die Sieger des Ersten Weltkriegs zählte. Und genau darüber beklagte sich Lawrence in seinem Buch „Die sieben Säulen der Weisheit“.

Und diese Alten hatten sogar einen Namen. Mr. Sykes und M. Picot. Mark Sykes, ein britischer Diplomat und sein Kollege Francois Georges-Picot. Sie hatten im Auftrag ihrer Regierungen schon 1916 in einem Geheimabkommen festgelegt, wie der Nahe Osten nach einem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches unter den beiden Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien aufgeteilt werden sollte.

Der nach dem ersten Weltkrieg gegründete Völkerbund, ein Vorläufer der Vereinten Nationen, setzte Großbritannien und Frankreich als politischen Vormund über Provinzen der arabischen Welt ein, die früher zum Osmanischen Reich gehört hatten. London beanspruchte als Mandat Jordanien und Palästina, Frankreich bekam Syrien und den Libanon zugesprochen.

Die Grenzen dieser Mandatsgebiete wurden mit dem Lineal gezogen, was man heute noch besonders drastisch an den Grenzen Jordaniens erkennen kann.

Auch der östliche Nachbar des Haschemitenreichs ist ein solches Kunstgebilde. Aus drei osmanischen Provinzen hatten britische Offiziere ein Riesenreich zusammengebacken und es Irak genannt. Die Menschen, die dort lebten, hatten sie allerdings nicht gefragt.

Und sich selbst hatten diese kolonialen Staatengründer offensichtlich auch nicht gefragt, ob Kurden, Schiiten und Sunniten tatsächlich einen gemeinsamen Staat bilden können, ob es nicht sinnvoller wäre, Stammesgrenzen und Siedlungsgebiete der Menschen zu berücksichtigen. Nicht nur der Irak leidet jedenfalls heute noch unter dieser Arroganz der britischen Kolonialbürokratie.

Dieses Sykes-Picot-Abkommen war die Grundlage für die postkoloniale Ordnung im Nahen Osten, die bis in die Gegenwart gehalten hat. Mehr schlecht als recht; denn keines dieser arabischen Länder, die die beiden Kolonialmächte spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg in die Unabhängigkeit entlassen mussten, entwickelte sich zu einer Demokratie, in keinem der Länder hatte die Bevölkerung jemals so etwas wie ein Mitspracherecht bei der Gestaltung ihrer Zukunft.

Und noch einen Verrat hatten die Briten in den Augen der Araber begangen. Der britische Außenminister Lord Balfour hatte am 2. November 1917 den Führern der „Zionistischen Weltorganisation“ das Recht zugesagt, in Palästina „eine Heimstatt für das jüdische Volk zu errichten“, in einem Land also, das eigentlich Arabern gehörte  und von Arabern besiedelt war. Damit hatte er den Grundstein für den heute noch andauernden Palästinakonflikt zwischen Israel und den Arabern gelegt.

[1] Jörg Armbruster, „BRENNPUNKT NAHOST Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens“, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013

[2] T.E. Lawrence, “ Die Sieben Säulen Der Weisheit“ „Lawrence von Arabien“,  Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin, 2. Auflage 2010