Struktur der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA)

Richard C. Schneider beschreibt in seinem Buch , “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT?“ u.a. die Struktur der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA):

„Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde ist das höchste Amt in der palästinensischen Politik. Er ist der Regierungschef und hat nicht nur, wie etwa in Deutschland , repräsentativen Charakter. Der Ministerpräsident wird direkt vom Präsidenten ernannt, also nicht vom Parlament oder gar vom Volk gewählt. Er ist nicht Teil des Parlaments und wird obendrein völlig unabhängig von der regierenden Partei bestimmt. Er sollte allerdings die Regierungskoalition im Parlament oder zumindest die stärkste Fraktion repräsentieren.

Im Juni 2005 verabschiedete das palästinensische Parlament ein Gesetz, das eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl von 88 auf 132 vorsah.

Nach dem palästinensischen „Grundgesetz“, das Arafat erst im Jahre 2002 unterzeichnete, ist die Struktur der PA in drei Teilen organisiert, wie dies für die meisten Demokratien gilt: in Legislative, Judikative und Exekutive. Allerdings: Die Judikative ist bis heute nicht ordentlich formalisiert worden.

Der Präsident der PA wird direkt vom Volk gewählt und ist gleichzeitig Oberbefehlshaber der bewaffneten Kräfte (von einer Armee kann noch nicht gesprochen werden, da es einen palästinensischen Staat noch nicht gibt). In einem Anhang zum Grundgesetz, der 2003 verabschiedet wurde und möglicherweise eines Tages Teil der Palästinensischen Verfassung werden könnte, wurde festgehalten, dass die PA eine offizielle bewaffnete Streitmacht unterhält, die nach Schätzungen von Beobachtern zwischen 40 000 und 80 000 Mann stark ist. Gemäß den Abkommen mit Israel dürfen es nur 30 000 sein.

Die „Polizei“ verfügt über gepanzerte Autos und eine begrenzte Anzahl automatischer Waffen. Die Sicherheitskräfte haben, gemäß dem Abkommen mit Israel, die Verantwortung für die Bekämpfung von Terrorismus. Und sie müssen, müssten mit Israel die allgemeine Sicherheit koordinieren.“

Das Problem, das die PA seit ihrer Entstehung hat, ist ihre Doppelgesichtigkeit. Sie soll einst zur Regierung eines noch zu gründenden palästinensischen Staates werden. Im Grunde hat sie ja bereits Regierungsgewalt, aber sie hat sich nie entscheiden können, den Terrorismus als „Mittel der Politik“ aufzugeben. Viele Palästinenser argumentieren, es sei ihr legitimes Recht, für sie sind die Attentate (auch Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten) Mittel des Befreiungskampfes, ihr „Unabhängigkeitskrieg“. Dass sie mit gezielten und gewollten Angriffen gegen Zivilisten alle Regeln des Kriegsrechts und der international anerkannten Normen verletzen, ist ihnen gleichgültig. Als unterdrückte Nation sehen sie sich nicht auf gleicher Augenhöhe mit einem bereits staatlich existierenden Feind, die Kriegsmittel sind notgedrungen andere, da man nicht über eine eigene Armee verfügt. Dabei übersehen die Palästinenser jedoch, dass sie zum Aufbau einer Eigenstaatlichkeit, die mit dem Friedensprozess von Oslo beginnen sollte, bereits die ersten staatlichen Institutionen ihr Eigen nennen: ein Parlament, eine Regierung, Ministerien.

Die Grenzen zum „Terror“ bleiben jedoch fließend, und Israel ebenso wie die internationale Staatengemeinschaft können sich nur schwer auf dieses Gebilde verlassen, das sich PA nennt. Der innere Weg der Palästinensischen Autonomiebehörde wird mitentscheiden, ob die Palästinenser endlich in hoffentlich naher Zukunft einen eigenen Staat haben werden – und können.

 

Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

EU-Israel-UNO: der israelisch-arabische Konflikt

Die Beziehungen zwischen der EU und Israel laufen auf zwei Ebenen ab. Auf der politischen Ebene versucht die EU eine Vermittlerrolle im Friedensprozess einzunehmen und zu helfen, aber auch eigene Interessen, die sich zum Teil von denen der Amerikaner unterscheiden, durchzusetzen. Die andere Ebene ist die pragmatisch-bürokratische. Im ganz normalen Alltag gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen der EU und Israel im Handel, in Wissenschaft, Kultur und Erziehung. Richard C. Schneider [1]

Aber erst die Besetzung nach dem Sechs-Tage-Krieg hatten diese Konflikte in Israel voll ausbrechen lassen. Von streng religiösen jüdischen Philosophen bis hin zu linksgerichteten Israelis hatten sich viele gegen die Okkupation ausgesprochen, wobei der jüdische Professor Yeshayahu Leibowitz davor gewarnt hatte, auch nur den kleinsten Teil der Palästinensergebiete zu halten, denn wenn wir nur einen kleinen Teil von dem schlucken, was wir erobert haben, werden wir viel schwächer werden. Eine weitere Million Araber wird alle Grundlagen unserer Existenz unterlaufen. Antonia Rados [2]

Im März 2012 beschrieb der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel nach einem Besuch in Israel und dem Westjordanland die Lage in Hebron via Twitter wie folgt: „Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Dazu muss man wissen, dass Hebron rund 200.000 Palästinenser und 500 überwiegend rechtsextreme und gewaltbereite israelische Siedler leben. Auch der Apartheid-Vergleich ist nicht neu. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu beispielsweise hat die Politik Israels gegenüber den Palästinensern widerholt mit der früheren Apartheid-Politik Südafrikas verglichen. Gabriel bezog seinen Apartheid-Vergleich ausdrücklich allein auf Hebron – gleichwohl geriet er umgehend ins Kreuzfeuer der Kritik. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe etwa zeigte sich empört und verlangte eine sofortige Entschuldigung für Gabriels „verbalen Totalausfall“. Die „Frankfurter Rundschau“ kommentierte am 17. März 2012: „Sigmar Gabriel … sonderte als ahnungsarmer Kurzbesucher in Israel und im besetzten Hebron einen flapsigen Facebook-Satz ab, der kein Beitrag zur ernsthaften Debatte über ein Israelis wie Palästinenser umtreibenden Problem ist. Michael Lüders [3]

Richard C. Schneider schreibt in seinem Buch, „WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT?“:

Einerseits verdankt Israel seine Existenz unter anderem der UNO, andererseits sieht sich Israel immer wieder von der UNO in die Ecke gestellt als Buhmann, als „böser Bube“ unter den Nationen.

Alles begann mit der Resolution 181 (II) vom 29. November1947. Es ging um die Frage der zukünftigen Regierung von Palästina. Die Resolution empfahl, dass die Briten als Mandatsmacht Palästina verlassen, dass das Militär spätestens zum 1. August 1948 aus dem Land sein müsse, dass ein unabhängiger arabischer (palästinensischer) und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie eine besondere internationale Verwaltung für die Stadt Jerusalem, die von der UN getragen werde, ins Leben gerufen werden. Und dass schließlich in Jerusalem die Interessen aller Religionen, Christentum, Judentum und Islam, gewahrt werden sollen.

Die Resolution der UNO-Vollversammlung Nr. 273 vom 11. Mai 1949 lässt Israel als Mitglied der Vereinten Nationen schließlich zu.

Der gesamte Nahostkonflikt ist seitdem immer wieder von UNO-Resolutionen mit beeinflusst worden.

Die UNO-Resolution 3379 von 1975 hat entscheidend zum angespannten Verhältnis zwischen Israel und der UNO beigetragen. Die UNO erklärt darin, dass sie glaubt, der Zionismus sei eine Form des Rassismus und der rassischen Diskriminierung. Die Resolution zitiert dazu Resolutionen anderer transnationaler Organisationen, in denen der Zionismus als Bedrohung für den Weltfrieden und die Sicherheit angesehen wird, als rassische und imperialistische Ideologie. Und sie sagt wörtlich, dass die rassistische Regimes in Zimbabwe und Südafrika den gleichen imperialistischen Ursprung haben, dieselbe rassistische Struktur. Sie seien in ihrer Politik miteinander verbunden, die zum Ziel habe, die Würde und Integrität des Menschen zu unterdrücken.

Diese Resolution wurde 1991 von der UNO-Vollversammlung durch die Resolution 4686 widerrufen.

Doch die UN-Politik im Nahen Osten muss sich kritische Fragen gefallen lassen. Nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg 1948 wurde das palästinensische Flüchtlingsproblem zu einem Kernpunkt der weiteren Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen Nachbarn. Seit 1948 ist die UNO die wichtigste Organisation, die sich um das Schicksal der Palästinenser kümmert. Die meisten Flüchtlingslager werden von ihr betreut und verwaltet. Das es sie bis heute gibt, ist ein Ergebnis regionaler Politik.

Die arabischen Staaten hatten keinerlei Interesse daran, die Flüchtlinge aufzunehmen oder gar zu rehabilitieren, indem man ihnen zum Beispiel staatsbürgerliche Freiheiten und Rechte zubilligte. Im Libanon dürfen palästinensische Flüchtlinge bis heute nicht studieren oder arbeiten, sie haben bis heute nicht die libanesische Staatsbürgerschaft bekommen.

[1] Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

[2] Antonia Rados, „Gucci gegen Allah Der Kampf um den neuen Nahen Osten“, Wilhelm Heyne Verlag, München, Aktualisierte Taschenbuchausgabe 11/2006

[3] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

Israel-USA: Ist eine neue Strategie der Konfliktlösung erforderlich?

„Kommentare und Berichte über Israel frei von der in Deutschland vorherrschenden politischen Korrektheit bietet auch „Haaretz“ (www.haaretz.com). Gideon Levy, ein scharfzüngiger Kritiker der Regierung Netanjahu, schreibt am 18. März 2012: „Selbst die größten Befürworter eines Angriffs, deren Zahl beängstigend zunimmt, räumen ein, dass der Iran mit der allergrößten Entschlossenheit zurückschlagen wird. Michael Lüders [1]

„Jeder zweite Ägypter gegen Friedensvertrag mit Israel“, so lautet die Schlagzeile einer dpa-Meldung am 26. April 2011. Diese Meldung wäre in der Tat beunruhigend, würde sie bedeuten, eine neue ägyptische Regierung würde als erstes diesen 1979 in Washington unterzeichneten Vertrag aufkündigen. Damit ist kaum zu rechnen. Jörg Armbruster [2]

„Kein Frieden ohne Syrien, kein Krieg ohne Ägypten.“ Der Spruch ist alt, soll aber sagen, dass Syrien schon immer eines der Schlüsselländer des Nahen Ostens war, eine geographische und politische Zentralmacht, in der fast alle Konfliktlinien des Nahen und Mittleren Ostens zusammenlaufen, aufeinanderstoßen, sich oft genug aneinander reiben, was aber in der Vergangenheit selten zu einem gefährlichen Funkenflug geführt hatte. Bisher zumindest. Verglichen mit Syrien führte Libyen immer eine Randexistenz im Nahen Osten. Auch deswegen konnte die NATO in den Bürgerkrieg in Libyen eingreifen. Die Situation in Syrien ist weitaus komplizierter und komplexer. Jörg Armbruster [3]

Jörg Armbruster beschreibt in seinem Buch „Syrien als Brennpunkt im Nahen Osten“ wesentliche Zusammenhänge der Konfliktzonen:

Israel – der beste Feind

Die Grenze mit Israel: Beide Länder befinden sich offiziell noch immer im Kriegszustand. Gleichwohl wurde die von UNO-Blauhelmen kontrollierte Waffenstillstandslinie auf den Golanhöhen, die Israel 1981 annektierte, von den Machthabern in Damaskus weitestgehend respektiert, auch wenn Israel keine Anstalten macht, dieses besetzte Gebiet zurückzugeben. Alle Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Syrien sind bislang gescheitert.

USA – der zaudernde Riese

Die Angst Israels vor den syrischen Chemiewaffen mag auch mit dazu geführt haben, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, Mitte Juni 2013 seinen Tanz auf der von ihm selbst formulierten roten Linie beendete. Meldungen, dass Assad Chemiewaffen eingesetzt haben soll, gab es schon seit dem Frühjahr 2013.

2013 mehrten sich die Hinweise: Assad habe tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt, wenn auch nur in kleinen Mengen.

Auch für Israel war die Entscheidung Obamas ein wichtiger Schritt, hatte die Regierung Netanjahu doch immer gedrängt, die USA mögen eingreifen in diesem Konflikt, der immer mehr zu einer Bedrohung des jüdischen Staates selbst werde.

Die USA steckten im Syrienkrieg also in einem für sie kaum lösbaren Dilemma. Greifen sie auf der Seite der Freien Syrischen Armee in den Konflikt ein, unterstützen sie damit ungewollt, aber nahezu automatisch auch die radikalen Sunniten; denn sie können nicht gegen diese und gleichzeitig gegen Assad einen Krieg führen. Schlimmstenfalls müssten sie nach einem Sturz Assads entweder zu einem Feldzug gegen Al-Qaida-Verbände antreten oder Sicherheitszonen für von radikalen Sunniten bedrohte Minderheiten wie den Alawiten – ihre ehemaligen Feinde – und Christen einrichten. Sollten sie Bodentruppen einsetzen, und sei es nur für eine Schutzzone im Norden, dann haben sie es nicht nur mit der syrischen Armee zu tun, sondern auch mit der libanesischen Hisbollah und Kampftruppen aus dem Iran.

Sollten die USA sich für Luftangriffe entscheiden, dann gehören möglicherweise sogar als Berater eingesetzte russische Soldaten zu den Opfern.

Durch den Persischen Golf läuft also auch eine der großen Konfliktlinien des Nahen Ostens. Am einen Ufer des Golfs der schiitische Mullah-Staat Iran, am anderen dieses für die Ölversorgung so wichtigen Gewässers die sunnitisch-wahabitischen Länder der arabischen Halbinsel, darunter so wichtige wie Saudi Arabien und Katar.

Katar – ein riesiger Winzling

Gerade Katar, geographisch ein Winzling, in Wirklichkeit dank seiner Gasvorkommen wirtschaftlich ein Riese und politisch manchmal ein hyperaktiver Halbstarker,…

Das Hauptquartier der US-Streitkräfte im Nahen Osten befindet sich in Katar, genauso aber auch eine Art Botschaft der Taliban. Katar unterhält gute Beziehungen zu Israel, finanziert aber gleichzeitig Israels Erzfeind, die Hamas.

Katar hatte sich bis zum Beginn der arabischen Aufstände als erfolgreicher Vermittler zwischen den vielen Konfliktparteien der Region bewährt, lieferte sich mit dem Iran im 2006 kriegszerstörten Südlibanon einen regelrechten Wiederaufbauwettkampf und investierte  Millionen von Dollar in den Gazastreifen der Hamas.

Katar spielt also eine nicht ganz durchsichtige Schlüsselrolle in der komplizierten Gemengelage von Syrien, als Geldgeber, als Vermittler zwischen den zerstrittenen Oppositionsgruppen, als Unterstützer der Djihadisten, als Wohltäter der Bevölkerung in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten.

Eines allerdings wollen weder Katar noch Saudi Arabien, dass nämlich aus dem Nach-Assad-Syrien eine Demokratie wird.

Sie wollen nicht mehr Mitbestimmung der Bevölkerung, sondern den Nahen Osten umbauen zu sunnitisch geprägten autoritären Regimen.

Ein russischer Freund

Nicht weniger wichtig für Assad ist Russland. Moskau ist ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der UNO und damit ein sicheres Veto gegen alle UN-Resolutionen, die Syrien verurteilen wollen, außerdem Waffenlieferant und möglicher Vermittler zwischen den Parteien und schließlich das stärkste Gegengewicht gegen die westliche Dominanz im Nahen Osten.

Für Russland wiederum ist Syrien, wie der Iran, die Brücke in den Nahen Osten. Einen anderen Verbündeten hat Moskau in der arabischen Welt nicht, die meisten anderen Länder lehnen sich an die USA an.

Türkei – vom Freund zum Feind

Heute ist die Türkei Rückzugsgebiet der Rebellen, von der Türkischen Regierung geduldet, von der türkischen Geheimpolizei hingenommen, sogar gefördert. In Camps trainieren die Aufständischen ihre Kämpfer. Durch die Türkei werden Waffen für die Aufständischen in den Norden Syriens geschmuggelt. Auch dies mit Wissen der türkischen Regierung und geduldet von der türkischen Geheimpolizei und dem Militär. In der Südtürkei erholen sich Kämpfer von der Front. Ärzte wie Dr. Ammar verbringen hier ein paar Tage, ehe sie wieder in den Krieg zurückkehren, um in Aleppo drei Wochen lang am Stück zu operieren.

Die Türkei ist aber auch Gastgeber für hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien, die zusammengepfercht in für Beobachter verschlossenen Lagern leben. Und die Türkei ist neben Jordanien das Land, das am meisten Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat. Über 400000 sind es mit Sicherheit Mitte 2013, und täglich kommen neue hinzu. Trotz dieser wachsenden Belastung hat das türkische Parlament 2013 per Gesetz den Status der Flüchtlinge erheblich verbessert.

Waren sie davor höchstens nahezu rechtlose „Gäste“, haben sie seit der Verabschiedung des Gesetzes zum Beispiel das Recht, gegen geplante Abschiebung Einspruch zu erheben. Auch dürfen sie nicht mehr in Länder abgeschoben werden, in denen sie Folter oder Verfolgung erwartet.

Die syrischen Flüchtlinge können also sicher sein, dass sie vorläufig nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Flüchtlinge aus Syrien drängten über die Grenze  in die Türkei, die große Mehrheit waren Sunniten wie die meisten Türken.

Auch Erdogans AKP steht für eine sunnitische Ausrichtung der türkischen Politik. Außerdem zeichnet sich in anderen Ländern des „arabischen Frühlings“ 2012 immer mehr ab, dass die sunnitischen Muslimbrüder aus der Illegalität direkt in die Präsidentenpaläste durchmarschieren werden, so in Ägypten, so in Tunesien. Für den Islamisten Erdogan und seine Türkei eine einmalige Chance, sich als Vorbild für die aufkeimenden Muslimbruderstaaten und den Westen zu empfehlen: „Ihr seht es an mir. Es kann gelingen, einen islamistisch ausgerichteten Staat demokratisch aufzubauen!“

 

[1] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

[2] Jörg Armbruster, „Als die islamische Jugend begann, die Welt zu verändern Der arabische Frühling„, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2011

[3] Jörg Armbruster, „BRENNPUNKT NAHOST Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens“, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013

Iran – Konflikt lösbar?

Der Iran ist für den Westen vor allem deshalb eine Problem, weil vor allem die USA ihn zur Strafe für die Vertreibung des prowestlichen Schahregimes geächtet und dadurch jeden Einfluß auf seine Politik verloren haben. Diese Entwicklung ist nicht umkehrbar.“ Jürgen Todenhöfer [1]

„In Artikel drei der Verfassung heißt es  unter anderem, die Regierung der Islamischen Republik Iran wird aufgefordert, all ihre Kräfte auf das Folgende zu richten. Ein entsprechendes Umfeld zu schaffen, in dem die moralischen Tugenden auf der Grundlage des Glaubens, der Frömmigkeit und des Kampfes gegen Manifestationen von Laster und Korruption wachsen können; die öffentliche Aufmerksamkeit n allen Bereichen zu erhöhen und dabei Gebrauch von Presse, Massenmedien und anderen Mitteln zu machen […]; den Kolonialismus absolut abzulehnen und ausländischen Einfluss zu verhindern; alle Formen von Diktatur, Autokratie und Monopolen zu eliminieren; unerwünschte Diskriminierung abzuschaffen und gleiche Chancen für alle auf allen Gebieten zu gewährleisten [..]; eine islamische Bruderschaft zu entwickeln und allgemeine Kooperation zwischen allen Menschen zu stärken; Außenpolitik auf der Grundlage islamischer Standards zu entwickeln, brüderliche Verpflichtung gegenüber allen Moslems und die uneingeschränkte Unterstützung für alle unterdrückten Nationen dieser Welt zu garantieren. Antonia Rados [2]

Hintergrund

Den Iran nannte man bis 1935 im allgemeinen Persien. Er wurde 1979 die erste Islamische Republik in der muslimischen Welt. Konservative Kleriker um Ayatolla Khomeni stürzten die Monarchie von Reza Schah Pahlevi 1978.

Seit der Islamischen Revolution haben sich die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran massiv und konsequent verschlechtert. Die Auseinandersetzungen zwischen den Staaten erlebten einen neuen Höhepunkt, als während des Ersten Golfkrieges zwischen dem Iran und dem Irak Saddam Husseins von 1980 bis 1989 die Kämpfe sich bis zum Persischen Golf ausdehnten, wo schließlich die US-Marine in Gefechte mit den iranischen Truppen geriet. Seit damals ist das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt. US-Präsident George W. Bush erklärte den Iran zu einem der drei Staaten, die zur „Achse des Bösen“ gehören. Richard C. Schneider [3]

Vordergründig geht es in der Causa Iran um die Frage, ob das Land nach der Atombombe greift. Tatsächlich aber sind vor allem die USA und Israel, in ihrem Windschatten auch die Europäer bemüht, die Regionalmacht Iran, den einzigen Staat neben Syrien im weiten Raum zwischen Marokko und Indonesien, dessen Politik nicht pro-westlich ausgerichtet ist, in die Schranken zu weisen. Michael Lüders [4]

Der Countdown zum Krieg begann mit dem im November 2011 veröffentlichten  Iran-Report der in Wien ansässigen IAEA. Dieser Report führt an keiner Stelle den Nachweis, dass der Iran an einer Atombombe baut. Stattdessen wirft er Tehran vor, nicht alle Details seines Atomprogramms offengelegt oder rechtzeitig an die IAEA-Zentrale weitergeleitet zu haben. Resümierend heißt es: „Alle diese Informationen zusammengenommen geben Anlass zu wachsender Besorgnis, dass das iranische Nuklearprogramm eine militärische Dimension haben könnte.“ Michael Lüders [4]

Und man darf nicht vergessen, dass das Atomprogramm keine Erfindung des neuen Präsidenten ist. Seit vielen Jahren arbeiten die Iraner daran, und die Tatsache, dass sie nach der Zerstörung des einzigen Atomreaktors des Irak durch die israelische Luftwaffe im Jahre 1981 ihre  Atomanlagen über das ganze Land verteilt und die sensibelsten Teile unterirdisch angelegt haben, lässt zumindest den Zweifel zu, ob die Iraner die Atomenergie wirklich nur zu friedlichen Zwecken nutzen wollen, wie sie immer wieder betonen. Richard C. Schneider [3]

Dabei hatten Israel und der Iran noch zu Zeiten des Schahs beste militärische und wirtschaftliche Beziehungen. Die jüdisch-persische Diaspora gilt als erste und älteste in der Geschichte des jüdischen Volkes. Die Beziehungen zwischen Juden und Muslimen in Persien waren stets freundschaftlich und unproblematisch, die jüdische Bevölkerung wuchs und trug wesentlich zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung des Landes bei. Israel war im Iran quasi der Stellvertreter der USA. Zu Schahzeiten bildeten Israelis die iranische Armee aus, belieferte sie mit Waffen. Der Iran und die Türkei waren stets „natürliche“ Verbündete Israels in der Region. Beide Staaten sind zwar muslimisch, aber keine Araber. Insofern gab es (und gibt es heute noch zumindest für die Türkei) gemeinsame Interessen mit Israel gegenüber der arabischen Übermacht. Was den Iran betrifft, so hat sich die Lage grundlegend gewandelt. Wenn man die Drohungen Ahmadinejads ernst nimmt, dann droht Israel und dem jüdischen Volk nicht nur ein zweiter Holocaust. Dann könnte die iranische Bombe zum Auslöser einer Katastrophe werden, die die ganze Welt mit hineinziehen wird. Und das alles nur, um den 12. Imam zurückzuholen? Aus westlicher Sicht scheint das Irrsinn zu sein. Richard C. Schneider [3]

 

[1]Jürgen Todenhöfer, „WARUM TÖTEST DU, ZAID?“, 1. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, September 2009

[2] Antonia Rados, „Gucci gegen Allah Der Kampf um den neuen Nahen Osten“, Wilhelm Heyne Verlag, München, Aktualisierte Taschenbuchausgabe 11/2006

[3] Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

[4] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

Hamas und Hisbollah – eine Machtoption

„Die Hisbollah ist wie auch die palästinensische Hamas als Reaktion auf israelische Besatzung entstanden“, stellt Michael Lüders in seinem Buch IRAN: DER FALSCHE KRIEG fest.

Weiterhin führt er aus: „Diese Einsicht jedoch gilt in Israel wie auch in der westlichen Politik überwiegend als Blasphemie. Statt dessen gelten Hisbollah und Hamas fälschlicherweise als Teil eines globalen islamistischen Netzwerkes, mit engen Verbindungen zu Al-Kaida“.

Die Frage ist, was macht diese beiden Organisationen für die arabische Bevölkerung so attraktiv und wann sind sie entstanden?

Richard C. Schneider stellt in seinem Buch WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? wesentliche Zusammenhänge vor:

Die Hamas ist im Laufe der siebziger und achtziger Jahre gegründet worden. Anfangs unterstützte Israel die radikal-islamistische palästinensische Hamas.

Das Wort  „Hamas“ steht im Arabischen für „Harakat al-Muqawama al-Islamia“ und bedeutet allgemein „Islamische Widerstandsbewegung“, es bedeutet aber auch „Eifer“. Damit ist der allgemeine Charakter der Organisation umrissen.

Der Operationsraum der Hamas ist ausschließlich auf den Gazastreifen und das Westjordanland beschränkt.

Am Anfang wurde die Hamas überwiegend von Saudi-Arabien finanziell unterstützt.

Israel wollte die Hamas als Gegengewicht zur säkularen PLO unterstützen, weil der Führer der PLO, Jassir Arafat, als Erzfeind betrachtet wurde.

Bis in die 80ziger Jahre konzentrierte sich die Hamas auf soziale Fragen, sie prangerte Korruption an, verwaltete Spenden und verteilte Geld an Arme, organisierte Projekte für die Bedürftigen der palestinensischen Bevölkerung. Auf diese Weise sammelte die Hamas Sympathie, Unterstützung und Zulauf.

Die Hamas war einerseits in Gaza überaus aktiv und andererseits im Westjordanland, den Westbanks, relativ inaktiv, weil damals die „Muslimbruderschaft“ noch einen integralen Bestandteil der jordanischen islamischen Bewegung bildete.

Die Muslimbruderschaft vertrat damals noch die besser gestellte Schicht der Hamas: Kaufleute, Grundbesitzer und die berufliche Mittelschicht der Palästinenser.

Der damalige Führer der Hamas, Achmed Jassin, kam aus Nähe der israelischen Stadt Aschkelon. Er kam nach dem Unabhängigkeitskrieg Israels als Flüchtling 1948 in den Gazastreifen. Jassin studierte an der Al-Azhar-Universität in Kairo, als die islamistischen Bewegungen innerhalb der Studentenschaft besonders aktiv war.

Jassins Nachfolger wurde Achmed Rantissi aus der Nähe von Jaffa, Stadt im Kernland Israels. Auch Rantissi war 1948 nach dem Unabhängigkeitskrieg als Flüchtling nach Gaza gekommen. Er studierte Medizin in Ägypten, praktizierte dort aber nie als Arzt. 1976 kehrte er nach Gaza zurück. Auch er war während seiner Studentenzeit zur Muslimbruderschaft gestoßen. Er löste die Erste Intifada aus. Unter dem Eindruck der Intifada begann er seine mutige Friedenspolitik, die zum Friedensvertrag von Oslo 1993 führte.

Rantissi wurde bald zur rechten Hand von Scheich Jassin und gehörte somit zum innersten Führungszirkel der Hamas.

Der militärische Kampf der Hamas gegen Israel entwickelte sich stufenweise.

1992 wurde der militärische Arm der Hamas gegründet und organisiert.

Ein Ziel hatte die Hamas aber nie: die USA. Bis heute wurden nie US-amerikanische Einrichtungen direkt angegriffen.

Die eigentliche Basis für ihren Erfolg schuf sich die Hamas jedoch mit Sozialprogrammen. Eine Vielzahl von Erziehungs- und Hilfsprogrammen haben der islamistischen Organisation viel Sympathie eingebracht.

Hamas hat aus ehrlicher Anteilnahme das Geld der armen Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Ihre Führer gelten als ehrlich, Korruption kennt man aus den Reihen der Hamas nicht.

Für die Entwicklungsgeschichte der Hamas ist der Friedensprozess von Oslo von entscheidender Bedeutung.

Nach dem israelischen Abzug aus Gaza im Sommer 2005 begann die Hamas ihre Macht im Gazastreifen endgültig zu konsolidieren.

Obwohl die Hamas inzwischen den Ministerpräsidenten der palästinensichen Regierung stellt, Ismail Hanije, so ist die eigentliche Führung der Organisation im Ausland, im Exil. Von Damaskus aus steuert Khaled Meshal die Geschicke der Bewegung.

In jüngster Zeit hat sich die Hamas zunehmend dem Iran angenähert. Die engen Verbindungen mit der Hizbollah im Libanon mögen dazu beigetragen haben, vor allem aber der internationale Finanzboykott seit ihrem Wahlsieg 2006. Die Unterstützung der palästinensischen Behörden wird dann wieder aufgenommen, wenn die Hamas die drei Forderungen des Westens erfüllt: Anerkennung Israels, das Ende der Terroraktionen und die Anerkennung der zwischen den Palästinensern und Israels bereits unterschriebenen Vereinbarungen. Nichts dergleichen will die Hamas jedoch tun. Und so versorgt sie sich mit Geld aus dem Iran.

Der Iran, der wegen seines Atomprogramms mit dem Westen auf Konfrontationskurs gegangen ist, ist bereitwillig eingesprungen, und verfolgt nun mit der Hamas eine ähnliche Politik wie mit der Hizbollah im Libanon.

Das funktioniert, weil die sunnitische Hamas mit der schiitischen Hizbollah viel gemeinsam hat: die totale Ablehnung der Existenzberechtigung Israels, eine ähnliche Haltung zum Märtyrertum.

Mit Hilfe der Hamas kann die Hizbollah in den besetzten Gebieten politisch und militärisch leichter Fuß fassen. Damit kann der Iran als neue Großmacht im Nahen Osten die Führung der islamischen Welt übernehmen und Israel vernichten.

[1] Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

[2] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

Moslembruderschaft – ihr Einflußbereich!

Wer sind die Moslembrüder, wo und wann sind sie das erste mal aufgetreten? Wer war ihr Führer? Was wollte er bewirken? Wofür stehen sie heute?

Die Moslembruderschaft wurde 1928 von Hassan al-Banna gegründet. Al-Banna war Arabischlehrer in einer Grundschule in der Stadt Ismalia am Suezkanal. Er blieb bis zu seiner Ermordung 1949 der oberste Führer der Moslembrüder. Er verlangte von seinen Anhängern unbedingten Gehorsam: die volle Einhaltung der Befehle der Führung, die sofortige Ausführung dieser Befehle im Schwierigen wie im Guten.

Die Entstehung der Moslembruderschaft geht wahrscheinlich auf verschiedene Ereignisse zurück: die Geburt von Präsident Mubarak im selben Jahr, dem Sturz des osmanischen Reiches im Jahre 1924, der Kontrolle des saudischen Königshauses über weite Teile der arabischen Halbinsel 1926.

Es kam zu einer Identitätskrise nach dem Ende des islamischen Kalifats in Istanbul. Viele versuchten ihr Heil im Sozialismus und Nationalismus. Diese Ideen wurden aus Europa importiert.

Christliche Syrer und Ägypter predigten Panarabismus, weil sie Angst vor dem Aufstieg des Islamismus hatten. Dieser Islamismus richtete sich gegen türkische, britische und französische Kolonialherrschaft!

Der Traum eines islamischen Kalifats blieb aber virulent bestehen:

Der Aufstieg der Saudis auf der arabischen Halbinsel und die Errichtung des Königreiches Saudi-Arabien näherte in einigen Muslimen die Hoffnung auf ein neues arabisch-islamisches Kalifat (Hamed Abdel-Samad, „Krieg oder Frieden“)

Hassan Al-Banna wollte den Gottesstaat wieder herstellen! Saudi-Arabien spendete aber nicht zuerst für die Gründung der Bewegung der Moslembruderschaft, sondern der französische Direktor der Suezkanal-Firma.

Warum machte er das? Der Wanderprediger und Arabischlehrer Al-Banna warb als Sozialreformer für die Jugend bei den Franzosen um Spenden. Er hatte ein starkes Charisma und gute Verbindungen zu der renommierten religiösen Institution Al-Azhar.

Der salafistische syrische Gelehrte Rashid Reda überzeugte Saudi-Arabien, dass Al-Banna Spenden für sein Projekt „Gründung der Moslembruderschaft“ benötigte.

Jörg Armbruster schreibt in seinem Buch: „Brennpunkt Nahost“:

Die Ideenwelt der Muslimbrüder, die von einem starken Schwarz-Weiß- und Gut-Böse-Denken und einer moralisierenden Weltsicht geprägt ist, fasste al-Banna so zusammen:

„Allah ist unser Ziel. Der Prophet unser Vorbild. Der Quran ist unsere Verfassung. Der Djihad ist unser Weg. Der Märtyrertod auf dem Pfad Gottes ist unsere unsere größte Hoffnung.“

Diese Zitate stammen zwar aus der Anfangszeit der Muslimbruderschaft, sie gelten aber bis in die Gegenwart und spielen auch heute noch eine aktive Rolle im Denken der Muslimbruderschaft.

Die Muslimbruderschaft ist dabei sich zu ändern – der Gewalt haben sie schon in den siebziger Jahren abgeschworen. In diesem Punkt unterscheiden sie sich zum Beispiel deutlich von der Hamas. Der Kommandostil und auch der Führerkult sind nicht beliebt bei Ägyptens Jugend.

Wegen ihrer Wohlfahrtsprogramme waren sie in der Bevölkerung angesehen. Sie behandeln in eigenen Krankenhäusern die Armen billiger und besser als staatliche Krankenhäuser. Außerdem konnten die Armen in Ägypten (etwa vierzig Prozent der Bevölkerung leben am Rande oder unter dem Existenzminimum) immer ihrer Hilfe rechnen, durften allerdings auch deren islamische Ideologie zumindest nicht in Frage stellen.

Die Hamas im Gazastreifen wurde von den ägyptischen Muslimbrüdern gegründet. Diese unterhalten wiederum enge Verbindungen zur „Islamic Action Front“ in Jordanien und zu ihren syrischen Muslimbrüder.

Die Rhetorik der Muslimbruderschaft sollte die Massen der Ägypter für eine Veränderung des politischen Systems gewinnen. Allerdings agierte die Bruderschaft fast immer staatstragend. Den Machthabern wurde fast immer ihre Loyalität zuteil, auch oft gegen die Interessen der Bevölkerung.

In den 40er Jahren war die Bruderschaft in zahlreiche Terroranschläge und politisch motivierte Attentate verwickelt. Die Muslimbrüder schlossen sich der Bewegung der freien Armeeoffiziere um Nasser an, die im Juli 1952 putschten, König Faruq ins Exil schickten und die arabische Republik Ägypten ausriefen.

Die Muslimbrüder versuchten, Nasser, der sich für den Sozialismus statt den Islam entschied 1954 nach der Rede in Alexandria zu ermorden. Der Mordversuch scheiterte.

Die künftige ideologische Richtung der Muslimbrüder gab Sayyed Qutb vor:

Hamed Abdel-Samand schreibt in seinem Buch: „Krieg oder Frieden“:

In seinem Artikel mit dem Titel „Amerika wie ich es sah“, den er in einer ägyptischen Zeitung veröffentlichte, beschreibt er den Westen als eine technisch entwickelte, aber moralisch barbarische Gesellschaft, die noch in der Dunkelheit der Dschahiliyya, also der Unwissenheit, lebt.

Nach seiner Rückkehr nach Ägypten beschäftigt er sich mit den Themen Islam und soziale Gerechtigkeit. Der frühere Marxist war Muslimbruder geworden. Seine Schriften zum Islam sind entscheidend für die Radikalisierung der Muslimbrüder in den folgenden Generationen.

Das Verhältnis der Muslime zum Westen wird in der Rhetorik der Muslimbrüder wie in den offiziellen Schulbüchern nicht zuletzt von zwei historischen Ereignissen und einem aktuellen Konflikt belastet. Es handelt sich zum einen um die Kreuzzüge und die Kolonialisierung und zum anderen um den akute Nahostkonflikt.

[1] Hamed Abdel-Samed, „Krieg oder Frieden Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens“, 2011, Droemer Verlag, München

[2] Jörg Armbruster, „BRENNPUNKT NAHOST Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens“, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013