Das Demokratische Entscheidungssystem ist u.a. durch Trägheit und Risikoscheu geprägt. Es verhindert zur Zeit noch am Besten den Ausbruch von Kriegen. Diese Demokratische Kultur ist die Norm zur gewaltlosen Konfliktbearbeitung und garantiert primär bis jetzt den Frieden. Die Werte sind: Sicherheit, Wohlfahrt und Freiheit [0].
Jede Demokratie hat eigene Gesetzmäßigkeiten. Die Grundlage der deutschen Demokratie ist das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 in Kraft gesetzt worden ist.
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt [1] stellen in ihrem Buch WIE DEMOKRATIEN STERBEN fest:
Tatsächlich ist unser verfassungsmäßiges System der Gewaltenteilung und gegenseitiger Kontrolle dafür gedacht, Politiker daran zu hindern, die Macht zu konzentrieren und zu missbrauchen.
Selbst gut durchdachte Verfassungen versagen manchmal. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 war von einigen der besten Rechtsgelehrten des Landes verfasst worden. Nach Ansicht vieler genügte der in ihr festgeschriebene, traditionsreiche und hochgeachtete Rechtsstaat, um Machtmissbrauch zu verhindern. Aber sowohl die Verfassung als auch der Rechtsstaat brachen nach Hitlers Machtübernahme im Jahre 1933 rasch zusammen.
Selbst gut durchdachte Verfassungen können den Fortbestand der Demokratie nicht allein gewährleisten. Zunächst einmal sind Verfassungen stets unvollständig. Wie jedes Regelwerk enthalten sie zahlreiche Lücken und Zweideutigkeiten.
Aufgrund der in allen Rechtssystemen enthaltenen Lücken und Zweideutigkeiten darf man sich beim Schutz der Demokratie gegen Möchtegern-Autokraten nicht allein auf die Verfassung verlassen.
Laut den Verfassungsrechtlern Aziz Huq und Tom Ginsburg verhindert nur das „feine Gewebe der Konventionen“, dass amerikanische Präsidenten die Schiedsrichter gleichschalten und gegen Opponenten einsetzen.
Alle erfolgreichen Demokratien stützen sich auf informelle Regeln, die zwar nicht in der Verfassung festgeschrieben sind, aber weithin bekannt sind und beachtet werden.
Diese Regeln und Normen dienen als „weiche“ Leitplanken der Demokratie, indem sie verhindern, dass die alltägliche politische Auseinandersetzung in einen Konflikt ausartet, in dem keine Rücksicht auf Verluste genommen wird.
Normen sind mehr als persönliche Einstellungen. Sie verlassen sich nicht einfach auf den guten Charakter politischer Führer, sondern sind Verhaltenskodizes, die in der jeweiligen Gemeinschaft oder Gesellschaft allgemein bekannt sind und von ihren Mitgliedern akzeptiert, respektiert und durchgesetzt werden.
Aber zwei Normen sind für das Funktionieren einer Demokratie besonders wichtig: gegeneseitige Achtung und institutionelle Zurückhaltung.
Zurückhaltend zu sein bedeutet, geduldig, selbstbeherrscht, nachsichtig und tolerant zu sein. In diesem Zusammenhang kann man sich institutionelle Zurückhaltung als Unterlassen von Handlungen vorstellen, die zwar den Buchstaben der Gesetze genügen, ihren Geist aner offensichtlich verletzen. Wo die Norm der Zurückhaltung stark ist, nutzen Politiker, auch wenn es ihnen von Rechts wegen erlaubt wäre, ihre institutionelle Vorrechte nicht in vollem Umfang, weil dies das vorhandene System gefährden würde.
Die AfD hat sich von diesen Grundsätzen, Regeln und Normen verabschiedet. Daher darf man die AfD als rechtsextrem bezeichnen, stellte kürzlich das Bundesverfassungsgericht fest.
Die Aussteigerin Franziska Schreiber [2] beschreibt in ihrem Buch „Inside AfD“ Tabubrüche durch die AfD.
U.a. in den ersten Kapiteln geht sie ausführlich auf die Tabubrüche der AfD ein. Sie beschreibt aus eigener Erfahrung als Vorsitzende der Jungen Alternative: „die grenzenlose Toleranz für grenzwertige Äußerungen und wie die AfD nach rechts rutschte“. Zudem beschreibt sie im Kapitel: „Propaganda der Tat: Wie wir das Bedrohungsgefühl der Menschen stärkten“.
Weiterhin stellt Schreiber in dem Kapitel: „Der Basisflüsterer: Björn Höcke ist nicht allein“ ausführlich die Regel- und Normbrüche dar: „Die AfD beerbt die NPD: Nun sind wir da, wir sind die neue Rechte“
Es ist klar zu erkennen, dass die AfD Regel- und Normbrüche im Rahmen ihrer Strategie nutzt, um zu alten Zöpfen zurückzukehren: Die Demokratie zu zerstören und zu Bedingungen der Kaiserzeit bzw. zum Preußentum zurück zu kehren. Schreiber ist der Auffassung:
Das Programm der AfD camoufliert die wahren Ziele der Parteirechten, der heutigen Mehrheit. Es spiegelt das Stimmungsbild bei der Mehrheit der Partei nicht mehr wider. Nach dem Erstarken des Flügels und dem Abgang vieler Liberaler waren in den Versammlungen zunehmend Widerspruch und Forderung nach härteren Vorgehen zu hören. Die Funktionäre beschwichtigten die Zornigen mit dem immer gleichen Verweis: Die geschichtliche Stunde ist noch nicht gekommen.
Es stellt sich die Frage, woher dieser ganze Hass und Unmut der AfD kommt? Auslöser ist m. E. die offizielle Verleugnung der positiven Leistungen und die fehlende Anerkennung der Kultur, Traditionen und wirtschaftlichen Erfolge des Deutschen Kaiserreiches und Preußens. Zudem wird fälschlicherweise Nazideutschland als eine politische Folge des Deutschen Kaiserreiches und Preußens von den Nachkriegshistorikern betrachtet.
Ehrhardt Bödeker [3] stellt in seinem Buch über Preußen ausführlich Fakten und Sachverhalte über den Erfolg Preußens anschaulich dar. Er beginnt mit dem Kapitel „Preußen und das Verbot der Erinnerung“!
Hier belegt er ausführlich, wie die heutige, öffentliche Meinung und Haltung von der sogenannten „Frankfurter Schule“ und der 68er-Bewegung geprägt worden ist. Weiterhin führt er aus:
Aus der Abneigung der englischen öffentlichen Meinung gegenüber Preußen, die eigentlich nur bis zum Beginn des Berliner Kongresses im Jahre 1878 zurückreicht, ergab sich fast zwangsläufig, daß Preußen als der Hauptverursacher des Nationalsozialismus umgedeutet und die von dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck herbeigeführte deutsche Einigung als Hauptübel und als entscheidende Ursache für das europäische Unglück ausgemacht wurde. „Preußen ist zum roten Tuch geworden“ (Friedländer, a.a.O. 1945). „Das große Alibi hieß Preußen, und der Nachweis, schon immer gegen Preußen gewesen zu sein, genügte häufig zur Glaubhaftmachung guter demokratischer Gesinnung“ (Friedrich Sieburg, 1954). So erklärt sich, daß Preußen mit einem Erinnerungsverbot (damnatio memmoriae) belegt wurde. Eine positive Rückbesinnung auf diese erstaunliche Staatsbildung war politisch nicht erwünscht. Sie war „politisch nicht korrekt“. Lediglich eine herabsetzende Darstellung oder, wie man später sagte, eine „kritische“ Darstellung der preußischen Geschichte wurde akzeptiert. Hieran hat sich bis heute wenig geändert, trotz der Preußenausstellung in Berlin (1981 uns 2001) und in Potsdam. Die zunehmend in geschichtlichen und journalistischen Darstellungen verwendete Bezeichnung Preußen-Deutschland war im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahrzehnten nicht mehr anerkennend gemeint, sondern dahinter verbarg sich die Absicht, Deutschland in seiner Gesamtheit im Sinne der negativen Bewertung Preußens zu diskriminieren. Es war die politisch gewollte Herabsetzung des gesamten Staates. Andererseits konnten die herausragenden Leistungen des preußischen Staates, wenn ein Historiker noch ernst genommen werden wollte, nicht vollständig übergangen werden. Um auch hierfür eine politisch annehmbare Lösung zu finden, sprach und spricht man im Zusammenhang mit Preußen von seiner Ambivalenz oder Janusköpfigkeit, so als wenn es irgendeinen Staat der Welt gäbe, der nicht ebenfalls anerkennenswerte und weniger anerkennenswerte Leistungen aufzuweisen hätte.
Mit dem Vorwurf englischer Historiker, deutschen Kritikern ermangele es an Kenntnissen der englischen Verhältnisse und der englischen Geschichte, wird die Einschätzung Georg Jellineks über die Arbeitsweise von Soziologen nachträglich bestätigt. Otto Hintze schreibt in seinem Aufsatz „Wesen und Wandlung des modernen Staats“ (1931): „Nur einzelne deutsche Territorialstaaten haben sich im Laufe der Zeit zu modernen Staaten entwickelt, namentlich Preußen. Aber das Endstadium des nationalen Staates konnten auch sie nicht erreichen, erst das Deutsche Reich Bismarcks war ein moderner Staat im vollen Sinne.“ Das entspricht allerdings nicht der Sichtweise moderner Historiker, die Deutschland als unmodern bezeichnen und in Preußen Militarismus, Rassismus, Autoritarismus und wirtschaftliche Ausbeutung als wichtigste Wegweiser der deutschen Tragödie erblicken.
Es stellt sich nun die Frage, ob das Deutsche Kaiserreich sowie Preußische System vorteilhaft für die Bürgerinnen und Bürger war?
Einem Staat wie dem des Deutschen Kaiserreichs, der mit durchschnittlich 2 % die geringste Arbeitslosigkeit in Europa aufzuweisen hatte, der in Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Rechtssicherheit eine Spitzenstellung im Weltvergleich einnahm, der Vorreiter der sozialen Absicherung und des betrieblichen Arbeitsschutzes für die arbeitenden Menschen war und der im 18. und 19. Jahrhundert an weniger kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen hat als die USA, England, Frankreich oder Russland, mangelnde Modernität vorzuwerfen, zeugt nicht von Urteilsfähigkeit.
Das Dreiklassenwahlrecht, das in Preußen und Sachsen bis 1914 Gültigkeit hatte, wurde in seiner Bedeutung von den Sozialdemokraten aus agitatorischen Gründen überbewertet, denn die wichtigen deutschen Gesetze wurden nicht in den preußischen und sächsischen Landtagen, sondern im Reichstag verabschiedet. Auf der anderen Seite erlebten Gemeinden und Städte in Deutschland eine starke politische Beteiligung der Bevölkerung, was den schon wiederholt erwähnten Staatsrechtslehrer Georg Jellinek veranlaßte, das englische „local government“ als überholt und nicht mehr effektiv zu bezeichnen. Es sei auf der Vorherrschaft der aristokratischen Gesellschaftsklasse aufgebaut und daher von der modernen Entwicklung überholt worden. Der Kreis der im „local government“ herrschenden Personen gehöre derselben nobility und gentry an, welche die Mitglieder beider Häuser des Parlaments umfasse. Die Selbstverwaltung der Gemeinde- und Städteverfassung in Deutschland hatte Vorbildcharakter, nicht nur in England, sondern mehr noch in den USA. Der Begriff der Selbstverwaltung wurde erstmals von Heinrich Matthias Zöpfl (1807 – 1877), Staatsrechtler in Würzburg, in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt.
Die These von dem unmittelbaren Zusammenhang der Strukturen des Deutschen Kaiserreichs mit dem Nationalsozialismus beruht auf [solchen] willkürlichen Behauptungen und Spekulationen, nicht auf Analysen, schon gar nicht auf Beweisen.
Die Männer des militärischen Widerstandes verübten das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 in der klaren Erkenntnis, daß ein Erfolg des Attentats keine Erleichterung für Deutschland mehr bringen würde. Oberst Graf Schenk von Stauffenberg und Genralmajor Henning von Tresckow waren sich trotzdem darin einig, dass Attentat unter allen Umständen durchzuführen. Denn die Welt müßte Kenntnis von der Existenz des deutschen Widerstandes erhalten. Es ginge um die Ehre der Deutschen Nation und in preußischer Tradition: „Nur um die Ehre“. Für die Ehre gaben die Männer des Aufstandes vom 20. Juli 1944 ihr Leben.
Generalmajor Henning von Tresckow, der Kopf des militärischen Widerstandes, sagte im Juli 1944, bevor er die Pistole auf sich selbst richtete: Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung das Leben hinzugeben.
Ehrhardt Bödeker [4] beschreibt in seinem Buch Die europäische Tragödie im Kapitel Deutschland, das führende Land in Europa:
Mit Zurückhaltung hat noch kein Land Märkte erschlossen, weder England noch die USA. Gerade die USA haben im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine erbarmungslose Aggressivität in ihrer inneren und äußeren Ausdehnung gezeigt, wie sie dieser Stärke vom Deutschen Reich weder gegenüber seiner Bevölkerung noch gegenüber seinen Nachbarn jemals angewendet worden ist. Mit der Reichseinheit 1871 sahen sich die Deutschen endlich am Ende einer Bahn angekommen, die von Kriegen, Verwüstungen und der Mißgunst seiner Nachbarn umsäumt war. Die Jungen lebten mit strotzendem Selbstbewußtsein, die Alten waren skeptisch und fürchteten, der Traum könnte sich wieder auflösen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auch u.a. zur deutschen Identität sowohl Kaiserreich und Preußen gehören. Die sogenannte „Umerziehung“ nach 1945 hat dazu geführt, dass traditionelle Werte der Deutschen Einheit fälschlicherweise bewusst von der sogenannten „Frankfurter Schule“ und der 68er Bewegung verschüttet worden sind. Es gilt sich auf die positiven Werte des Deutschen Kaiserreiches und Preußens zurück zu besinnen. Ein Erinnerungsverbot hat uns hier den falschen Weg gewiesen.
Die AfD versucht u.a. hier den Finger in die Wunde zu legen. Allerdings sind Methoden, die grenzenlose Toleranz für grenzwertige Äußerungen [2] nicht hilfreich. Zudem ist der schäbige Tabubruch hinsichtlich des militärischen Widerstandes von 1944 mit allen Mitteln der Politik zurückzuweisen.
[0] Frank Schimmelfennig, Internationale Politik, 2008 Verlag Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn
[1] Steven Levitsky / Daniel Ziblatt, WIE DEMOKRATIEN STERBEN Und was wir dagegen tun können, Aus dem Amerikanischen von Klaus-Dieter Schmidt, Deutsche Verlags-Anstalt, Verlagsgruppe Random House FSC N001967, 1. Auflage Mai 2018
[2] Franziska Schreiber, Inside AfD, Der Bericht einer Aussteigerin, Unter Mitarbeit von Peter Köpf, 2018 Europa Verlag GmbH & Co. KG, München
[3] Ehrhardt Bödeker, Preußen und die Wurzeln des Erfolgs, 4. durchgesehene Auflage 2008, 2004 Olzog Verlag GmbH, München
[4] Ehrhardt Bödeker, Die europäische Tragödie Drei Essays, 2. überarbeitete Auflage, 2006, 2006 Olzog Verlag GmbH, München