Sicherheitspolitische Risiken im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD

Es gibt jetzt und zukünftig eine Vielzahl von Bedrohungen und Konflikte, die bekämpft werden müssen. Dazu gehören die zu erwartenden humanitären Katastrophen, die durch sieben globale Trends, die unsere nähere Zukunft prägen werden [2], ausgelöst werden könnten:

1. Die Reichen altern, die Armen nicht. In den wohlhabenden Ländern, in Russland und China schrumpft die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, in den armen Ländern wächst sie noch.

2. Die Weltwirtschaft verlagert sich. Das Wirtschaftswachstum bleibt schwach, die westlichen Mittelschichten geraten zunehmend unter Druck.

3. Die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts beschleunigt sich weiterhin und ruft schwerwiegende Brüche hervor.

4. Religiöse Ideologien und nationale Identitäten führen zu einer Welle von Ausgrenzungen. Der Populismus hat noch lange nicht seinen Zenit erreicht.

5. Das Regieren wird immer schwieriger.

6. Das Risiko von Konflikten, auch solchen zwischen Staaten, verschärft sich.

7. Der Klimawandel, Umweltkonflikte und die weltweite Verbreitung von Infektionskrankheiten stellen ernsthafte, bislang nicht beherrschbare Gefährdungen dar.

 

Kann die potenzielle deutsche Regierung die sicherheitspolitische Verantwortung und Interessen Deutschlands auf der Grundlage des „Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD“ [1] der gegenwärtigen und zukünftigen Bedrohungslage gerecht werden?

Im „Kapitel XII. Deutschlands Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit in der Welt“ wird Bezug genommen auf das „Weißbuch von 2016“ und daraus ableitend der Auftrag für die Bundeswehr.

Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet…:

Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet und fest in den Vereinten Nationen und der Europäischen Union verankert. Wir setzen uns für eine dauerhaft friedliche, stabile und gerechte Ordnung in der Welt ein. Gemeinsam mit unseren Partnern verfolgen wir einen umfassenden und vernetzten Ansatz. Dabei setzen wir auf Diplomatie, Dialog und Kooperation sowie Entwicklungszusammenarbeit. In diesem Rahmen bleibt die  Bundeswehr – wie im Weißbuch 2016 dargelegt – ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitspolitik…

Weiterhin wird Stellung genommen zum jährlichen Haushalt:

Im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung ab 2018 bis 2021 wird die Koalition zusätzlich entstehende Haushaltsspielräume prioritär dazu nutzen, neben den Verteidigungsausgaben zugleich Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ausgehend von der Grundlage des 51. Finanzplanes angemessen zu erhöhen im Verhältnis von  eins zu eins beim Verteidigungshaushalt zu Ausgaben im Rahmen der ODA-Quote (Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit). Diese Erhöhungen dienen der Schließung von Fähigkeitslücken der Bundeswehr und der Stärkung der zivilen Instrumente der Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen einer umfassenden gemeinsamen Friedens-und Sicherheitspolitik. Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik und der Kopplung von Verteidigungsausgaben und ODA-quotenfähigen Ausgaben sowohl dem Zielkorridor (2 % des BIP, Anm. d. Verf.) der Vereinbahrungen in der NATO folgen als auch den internationalen Verpflichtungen zur weiteren Steigerung der ODA-Quote nachkommen, deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss.

Zur „Fähigkeits- und Rüstungskooperation“ wird auszugsweise wie folgt Stellung genommen:

Damit die Fähigkeits- und Rüstungskooperation innerhalb Europas künftig effizienter wird, wollen wir in Zukunft militärische Fähigkeiten stärker gemeinsam planen, entwickeln, beschaffen und betreiben. Dabei soll ein einheitliches Design auf Basis einheitlicher Fähigkeitsanforderungen entwickelt werden und ein Staat die Federführung der Umsetzung des Projektes übernehmen. Ferner soll die Wertschöpfung dort erfolgen, wo die beste unternehmerische und technologische Kompetenz in Industrie und Mittelstand liegen.

Zu „Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit“ heißt es:

Deutschland wird auch zukünftig einen angemessenen Beitrag zum Erhalt der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses und zu einer starken europäischen Verteidigung leisten. Zugleich bleibt die NATO dialogbereit.

Es soll „Abrüstung und restriktive Rüstungspolitik“ betrieben werden:

Rüstungskontrolle und Abrüstung bleiben prioritäre Ziele deutscher Außen-und Sicherheitspolitik. Wir wollen ein neues konventionelles und nukleares Wettrüsten auf unserem Kontinent vermeiden. Deutschland wird deshalb neue Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung ergreifen.  Wir setzen uns entschlossen für die weltweite verifizierbare Abrüstung von allen Massenvernichtungswaffen ein…

Wir schränken die Rüstungsexporte für Drittländer weiter ein, die weder NATO noch EU-Mitgliedsländer sind, noch diesen gleichgestellt. Ergänzend zu den Kleinwaffengrundsätzen vom Mai 2015 sollen Kleinwaffen grundsätzlich nicht mehr in Drittländer exportiert werden. Wir schärfen noch im Jahr 2018 die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten…

Zu „Krisenprävention und humanitäre Hilfe“ heißt es:

Wir werden die im Jahre 2017 beschlossenen Leitlinien für Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung als Referenzrahmen für Deutschlands Engagement zur Krisenverhütung und Friedensförderung konsequent umsetzen.

Wir setzen den zweiten zweiten Nationalen Aktionsplan zur VN-Resolution 1325 für eine gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen in der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung um…

Zum Auftrag der „modernen Bundeswehr“:

Die Bundeswehr ist Garant unserer Sicherheit. Gemeinsam mit unseren Partnern leistet sie entscheidende Beiträge zum Schutz und zur Verteidigung unseres Landes und unserer Verbündeten. Innerhalb des umfassenden vernetzten Ansatzes engagiert sie sich weltweit für Frieden und Sicherheit.

Wir betonen den Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee. Sie unterliegt der Kontrolle des Deutschen Bundestages, der damit eine besondere Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten trägt. Damit die Bundeswehr die ihr erteilten Aufträge in allen Dimsionen sachgerecht erfüllen kann, werden wir den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen -dies gilt insbesondere auch für den Bereich der persönlichen Ausstattung.

Hierzu werden wir die in der Bundeswehr eingeleiteten Trendwenden Personal, Material und Finanzen konsequent fortführen. Dabei erfordert die sicherheitspolitische Lage eine stärkere Akzentuierung der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Grundaufstellung der Bundeswehr muss dem Rechnung tragen.

Zu  „Aktuellen Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ wird auszugsweise wie folgt Stellung genommen:

…Unsere Beteiligung am RSM-Mandat (Resolute Support Mission) in Afghanistan wollen wir bei unverändertem Auftrag fortsetzen. Im Rahmen des multilateral vereinbarten Schutzkonzepts für Nordafghanistan werden wir die Zahl der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten zum Schutz der Ausbilder erhöhen.

Die UN-mandatierte Mission MINUSMA in Mali wird fortgesetzt. Zur Übernahme der Feldlagerverantwortung von den Niederländern werden wir die Obergrenze im geringen Umfang heraufsetzen.

Auszug aus „Für die Menschen in der Bundeswehr – ein attraktiver Arbeitgeber“:

Das zentrale Leitbild der Inneren Führung und der Soldatin und  des Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“ ist und bleibt Maßstab. Diese Fundamente wollen wir mit dem Prozess „Innere Führung heute“ stärken. Die politische Bildung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Ein zukunftsweisender Traditionserlass wird vornehmlich die eigene Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt stellen…

…Wir werden dazu Gedanken der Agenda Attraktivität und die Personalstrategie der Bundeswehr weiterentwickeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Wo dies gesetzgeberisches Handeln erfordert, werden wir noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr mit dem Ziel vorlegen, die Gehalts- und Besoldungsstrukturen wettbewerbsgerecht zu gestalten, das Dienstrecht zu flexibilisieren, die mit den hohen Mobilitätsanforderungen verbundenen hohen Belastungen besser auszugleichen und eine bessere soziale Absicherung von Bundeswehrangehörigen, insbesondere auch beim Zugang zur Gesetzlichen Krankenversicherung nach Ende der Dienstzeit von Soldatinnen und Soldaten auf Zeit zu erreichen und dadurch Versorgungslücken zu schließen und die Berufsförderung zu stärken…

…Wir werden die Ausbildungsstrukturen der Bundeswehr sowie ihre Führungs- und Ausbildungskultur in eine „Trendwende Ausbildung“ evaluieren, überprüfen und weiterentwickeln. Dort, wo es sinnvoll ist, wollen wir die Strukturen der bisher in weiten Teilen zentrale Ausbildung wieder in die Truppe zurückführen. Dabei wird der Verteidigungsausschuss eingebunden.

Die Verantwortung des Dienstherrn, dem die Soldatinnen und Soldaten durch einen Diensteid ein Leben lang verbunden sind, endet nicht mit ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Dies gilt gleichermaßen für die engsten Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz für unser Land zu Schaden gekommen sind. Dazu gehört auch, dass Anträge auf Wehrdienstbeschädigung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen schnell und unbürokratisch bearbeitet werden…

Zu  „Für eine modern ausgerüstete Bundeswehr“:

…Ein transparentes, effektives und in seinen Prozessen optimiertes Rüstungswesen ist die Grundlage für die bestmögliche Ausrüstung unserer Soldatinnnen und Soldaten. Wir werden darum die in der vergangenen Legislaturperiode begonnene Erneuerung, Modernisierung und Erweiterung der Bundeswehr fortführen und dabei für eine Beschleunigung der Prozesse, insbesondere des Beschaffungswesens, sorgen.

Dafür bedarf es eineer Anpassung der zum Teil seit Jahrzehnten unveränderten Rahmenbedingungen des Rüstungswesens in Deutschland.

Wir werden bis Ende 2019 untersuchen, in welcher Weise die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr an ihren Standorten in ihrer Organisationsform angepasst werden sollte…

Um den Bedarf für Einsätze bzw. einsatzgleiche Verpflichtungen schneller decken zu können, werden wir Auslegungshilfen für den Verzicht auf den EU-weiten Teilnahmewettbewerb (§12 Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit) zur Verfügung stellen. Zum Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien werden wir bestehende vergaberechtliche Spielräume konsequenter nutzen, Auslegungshilfen zur Verfügung stellen und prüfen, inwieweit der Ausnahmetatbestand des Art. 346 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Beschaffungspraxis stärker herangezogen werden kann. Wie werden darüber hinaus notwendige gesetzliche Anpassungen vornehmen.

Zur Sicherstellung technologischer Innovationsführerschaft werden wir unter Federführung des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministerium des Innern eine ‚“Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ (ADIC) sowie einen IT-Sicherheitsfonds zum Schutz sicherheitsrelevanter Schlüsseltechnologien einrichten.

Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten.

Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen.

Sicherheitspolitische Risiken im Innern und in der Außenpolitik bestehen. Der „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“ enthält eine Vielzahl von positiven Willenserklärungen und Festsetzungen die bestehenden Risiken zu minimieren.  Im Kern will die potenzielle, zukünftige Bundesregierung die Risiken u.a. mit weltweitem Freihandel minimieren. Die Trump-Regierung [3] der USA sowie die May-Regierung von Großbritannien versuchen die Stabilisierung der Umstände in ihren Staaten mit Abschottung und Protektionismus der Märkte in den Griff zu bekommen. Russland und China versuchen geopolitisch und auch wirtschaftspolitisch größeren Einfluss in den Krisenregionen „Naher und Mittlerer Osten“ zu erhalten. Die EU hat in der Flüchtlingsfrage komplett versagt, was zu einer drastischen Schwächung u.a. durch den Brexit von Großbritannien geführt hat. Russland hat auf der „KRIM“ und in der „UKRAINE“ Pufferzonen eingerichtet. „SYRIEN“ ist ein weiterer russischer Partner. Das „BALTIKUM“ fühlt sich von Russland bedroht. Es wird durch NATO-Verbündete geschützt. Polen und Ungarn wollen keine Flüchtlinge aufnehmen.

Insofern enthält der „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“ durchaus Risiken, weil unklar bleibt, wie sich Deutschland die Sicherung des Baltikums vorstellt. Zudem wird das „Zwei-Prozent-Aufrüstungsziel“ der NATO mit Korridor beschrieben. Es wird zwar der Wille geäußert, dass die Bundeswehr die bestmögliche persönliche Ausrüstung erhalten soll. Wie es aber mit neuen Waffensystemen weitergehen soll, wird völlig offen gelassen.

Es entsteht der Eindruck, dass der Wille für eine bestmögliche Ausrüstung der Bundeswehr vorhanden ist. Ob jedoch dieser Wille auch in Taten umgesetzt wird, bleibt offen!

Es ist anzunehmen, dass die o.g. Handlungsspielräume sowohl durch die geplante Umorganisation des Beschaffungssystems und der Flexibilisierung des Dienstrechts sowie der Schaffung eines wettbewerbsmäßigen Besoldungssystems erreicht werden soll.

Zudem ist zu begrüßen, dass ausscheidende Zeitsoldatinnen und Soldaten einen erleichterten Zugang zur Gesetzlichen Krankenversicherung erhalten sollen.

 

[1] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, „Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, Berlin, 7. Februar 2018
[2] Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler, „Die Welt im Jahr 2035 gesehen von der CIA und dem National Intelligence Council Das Paradox des Fortschritts“,  Aus dem Englischen von Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler“, 2. Auflage. 2018, Verlag C.H. Beck oHG, München 2017
[3]Michael Wolff, „Fire and Fury, Inside the Trump White House“, 2018 by Michael Wolff, Henry Holt Company, New York

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Reservisten-Rührt-Euch!

Ich bin Mitglied im Reservistenverband. Auftrag des Reservistenverbandes ist die Durchführung der Sicherheitspolitischen Arbeit für die Bundeswehr. Hieraus leitet sich die Mittler-Aufgabe für die Bundeswehr in der Zivilgesellschaft ab.

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