Wahlbeeinflussung mit Facebook

Die britische Firma CAMBRIDGE ANALYCTICA, TRUMP, BREXIT und Facebook haben die Demokratie gebrochen.

Die britische Firma CAMBRIDGE ANALYTICA (CA) benutzt zur Steuerung des Wahlverhaltens der Wählerinnen und Wähler mittels „behavioral microtargeting“ das sogenannte OCEAN-Modell (open, conscientious, extroverted, agreeable or neurotic).

OCEAN scoring was nuanced and complex, allowing Cambridge to understand people on a continuum in each category. Some people were predominantly „open“ and „agreeable.“ Others were „neurotic“ and „extroverts.“ Still others were „conscientious“ and „open.“ There were thirthy-two main groupings in all. A person’s „openness“ score indicated whether he or she enjoyed new experiences or was more inclined to rely on and appriciate tradition. The „conscientiousness“ score indicated whether a person preferred planning over spontaneity. The „extroversion“ score revealed the degree to which one liked to engage with others an be part of a community. „Agreeableness“ indicated whether the person put others‘ needs before their own. And „neuroticism“ indicated how likely the person was to be driven by fear when making decisions.

Brittany Kaiser, „Targeted“, page 84 -page 85, HarperCollinsPublishers 2019, London

Sicherheitsrisiko für die Große Koalition

Aber die Führung der sozialdemokratischen Parteien ging von der Genossenschaftsbewegung auf utilitaristische Technokraten und rawlsianische Juristen über. Ihre Ehtik spricht die meisten Menschen nicht an, und Wähler kehren sich allmählich von ihnen ab. Paul Collier [1]

[1] Paul Collier, Sozialer Kapitalismus, Kapitel 10, S. 275ff, Erste Auflage, 2018 by Paul Collier, 2019 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München

Die gegenwärtige Krise der SPD in Deutschland führt möglicherweise zu einer Destabilisierung der sogenannten Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Diese GroKo wird nicht mehr von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler bedingungslos getragen. Die Erosion der Stimmenanteile der Wähler zeigt sich täglich in den Meinungsumfragen der einschlägigen Institute in Deutschland. Die AfD stößt mit Hass und Hetze in dieses Machtvakuum. Sie ist mittlerweile in fast allen Landesparlamenten sowie im Deutschen Bundestag vertreten. Besonders bei der letzten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen wird das Vordringen der in Teilen rechtsextremistischen AfD deutlich sichtbar. Der Machtanspruch dieser Partei wächst daher immer mehr. Er ist bei fast einem Drittel Wählerstimmen in Brandenburg und Sachsen angekommen.

Es stellt sich die Frage, woher kommt dieser Trend der Abkehr eines Teils der Wählerinnen und Wähler von den großen Volksparteien CDU/CSU und SPD. Was haben diese Volksvertreter falsch gemacht in der Vergangenheit; und was machen sie weiter falsch im politischen Alltag.

Wie kann zukünftig der Wählerwille zutreffender und damit zufriedenstellender im Sinne der Wählerinnen und Wähler umgesetzt werden?

Zunächst muss die Entfremdung des Wählers gegenüber den Regierenden und den Führungsgremien der großen Volksparteien offensiv begegnet werden.

Jean Ziegler [2] beschreibt den Prozess der Entfremdung in seinem Buch anhand von praktischen Beispielen:

Die Strategie der deutschen Kapitalisten lief nämlich zwangsläufig auf einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Schwerindustrie hinaus – in der Stahlindustrie, der Maschinenindustrie etc.

Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder leitete diese Sitzung der Sozialistischen Internationalen. Er erklärte uns, dass er durchaus Verständnis für die Wut und Sorgen der Demonstranten habe, aber dass man nichts machen könne.

Offensichtlich bestand das Problem nicht in den Kräfteverhältnissen zwischen Regierung und Kapitalisten,, sondern vielmehr in dem Umstand, dass Schröder am neoliberalen Obskurantismus festhielt und sich ihm freiwillig unterwarf. Wörtlich sagte er: „Niemand kann etwas gegen die Kräfte des Marktes ausrichten. Die Industriellen an der Ruhr gehorchen den Gesetzen des Weltmarktes. Persönlich bedaure ich die Entscheidung… Aber es wäre ein gefährliche Torheit, sich dem Markt zu widersetzen.“

Ist dem sympathischen Schröder Doppelzüngigkeit zu unterstellen? War er, wie seine Kritiker im sozialistischen Lager glaubten, mit den deutschen und russischen Oligarchen verbandelt? Ich glaube nicht. Während ich zuhörte, wie er seine Untätigkeit rechtfertigte, war ich von seiner Ehrlichkeit vollkommen überzeugt. Ich erinnerte mich an einen Ausspruch von Pierre Bourdieu: „Der Neoliberalismus ist eine scharfe Waffe. Er setzt einen ökonomischen Fatalismus in die Welt, dem gegenüber jeglicher Widerstand vergeblich zu sein scheint. Der Neoliberalismus ist wie Aids. Er zerstört die Abwehrkräfte seiner Opfer.“ Das heißt, er lähmt sein Opfer, indem er es von dessen eigener Ohnmacht überzeugt.

Die größten Unternehmen an Rhein und Ruhr, die häufig auch die gewinnträchtigsten waren, verlagerten ihre Produktionsstätten ins Ausland. Gerhard Schröder verlor 2004 die Wahlen und das Kanzleramt.

Entfremdung ist ein sehr geheimnisvoller Prozess. Er führt dazu, dass Frauen und Männer freiwillig gegen ihre eigenen Interessen denken und handeln… sie ist die Hauptwaffe der Kapitalisten für die Beherrschung von Bewusstsein und Denken anderer Menschen…


[2] Jean Ziegler, Was ist so schlimm am Kapitalismus, S. 106, 1. Auflage, 2018 by Jean Ziegler, 2019 für die deutschsprachige Ausgabe by C. Bertelsmann Verlag, München

Diese Entfremdung der Menschen, die durch den Neoliberalismus Jahrzehnte lang weltweit stattgefunden hat, führte offensichtlich zu einem Vertrauensverlust der Wählerinnen und Wähler in die gewählten Volksvertreter. Die AfD in Deutschland nutzte und nutzt diesen Vertrauensverlust gegenüber den Politikern rigeros.

Die SPD besonders und auch CDU/CSU leiden extrem in diesem Prozess. Dieser Vertrauensverlust wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt die vielen Parteivorsitzenden, die die SPD in den vergangenen Jahrzehnten verschlissen hat. Trotzdem geht das Siechtum der SPD weiter. Sie suchen mal wieder einen neuen Parteivorsitzenden/-vorsitzende nachdem auch Andrea Nahles den Kampf gegen die Linken in der SPD aufgegeben hat.

Die Frage ist, warum handelten die etablierten Parteien nicht weiter pragmatisch? Warum wurde der arrogante Liberalismus das Hauptcredo fast aller Parteien? Wahrscheinlich war der Wähler selber, der diesen einforderte.

Paul Collier [1] stellt fest:

Der Pragmatismus fordert Menschen auf, herauszufinden, was die beste Lösung in einer gegebenen Situation ist, indem sie auf die besonderen Umstände achten, um mithilfe praktischer Vernunft zu beurteilen, ob vorgeschlagene Lösungen tatsächlich etwas taugen.

Gut informierte Wähler sind das höchste öffentliche Gut, und wie bei allen öffentlichen Gütern hat jeder Einzelne kaum Anreize, es bereitzustellen.

Der Pragmatismus hat zwei Feinde: Ideologien und Populismus, und beide ergriffen ihre Chance. Die Ideologien der Linken und der Rechten behaupten, dass Kontext, Besonnenheit und praktische Vernunft durch eine Allzweckanalyse umgangen werden könnten, die Wahrheiten ausstößt, die für sämtliche Kontexte und alle Zeiten gelten. Der Populismus bietet eine andere Abkürzung an: charismatische Persönlichkeiten, die so offensichtliche Lösungsansätze präsentieren, dass sie unmittelbar verständlich sind. Oftmals verschmolzen Ideologien und Populismus, wurden so noch wirkungsmächtiger: ehedem diskreditierte Ideologien, die durch leidenschaftliche, verlockende neue Heilmittel hausieren gehende Anführer aufgemöbelt wurden. Heil den Vorboten: Bernie Sanders, Jeremy Corbin und Jean-Luc Mélenchon von der radikalen Linken; Marine Le Pen und Norbert Hofer von den Nativisten; Nigel Farage, Alex Salmond und Charles Puigdemont von den Sezessionisten; und Beppo Grillo und Donald Trump aus der Welt der prominenten Unterhaltungskünstler.

Gegenwärtig wird das politische Schlachtfeld anscheinend von beunruhigten, aufgebrachten utilitaristischen und rawlsianischen Avantgarden beherrscht, die von populistischen Ideologen angegriffen werden.

Damit scheint ein politisches Desaster vorprogrammiert. Um es abzuwenden, bedarf es eines grundlegenden Wandels, der nur dadurch zustande kommen kann, dass wir unsere Politik mit einem anderen ethischen Diskurs verbinden.

[1] Paul Collier, Sozialer Kapitalismus, Kapitel 10, S. 276ff, Erste Auflage, 2018 by Paul Collier, 2019 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München

Besonders wichtig ist, die Stabilisierung des Systems Deutschland aufrecht zu erhalten. In dieser Auseinandersetzung ist wesentlich, dass die Volksparteien wieder in Richtung Mitte rücken sollten. Eine weitere Voraussetzung für einen notwendigen Pragmatismus in der Politik wäre die Änderung der Regeln für die Wahl der Parteivorsitzenden, die weit demokratischer wären als die gegenwärtigen Vorschriften.

Collier fordert: Am einfachsten wäre es, nur die gewählten Abgeordneten der Partei den Parteivorsitzenden bestimmen zu lassen. Gewählte Vertreter haben zwei Eigenschaften, die dafür sorgen, dass sie besser geeignet sind, einen Vorsitzenden auszuwählen, als die Parteimitglieder. Zum einen sind sie daran interessiert, eine größere Gruppe von Wählern anzusprechen; das lässt sie zu gemäßigten Kandidaten tendieren. Zweitens lassen sie sich als Insider nicht so leicht von ausgebufften Tricks, wie sie medienerfahrene Prominente beherrschen, ins Bockshorn jagen: Sie sind wohlinformierte Wähler.

Gewählte Vertreter haben eine größere demokratische Legitimation als Parteimitglieder; insgesamt repräsentieren sie viel mehr Anhänger der Partei als die Zahl in den offiziellen Mitgliederverzeichnissen.

Da der durchschnittliche Wähler kaum etwas über die Kandidaten weiß, neigt er charismatischen Populisten zu.

Sollte eine Reform der Statuten über die Wahl des Parteivorsitzenden nicht möglich sein, ist die beste Alternative vermutlich ein Wahlsystem, das bis zu einem gewissen Grad auf dem Verhältniswahlrecht basiert. Dieses hat Nachteile, aber immerhin halten Koalitionen Parteien davon ab, ideologische Programme umzusetzen, und sie fördern einen Pragmatismus, der sich an dem orientiert, was sich praktisch bewährt hat.

[1] Paul Collier, Sozialer Kapitalismus, Kapitel 10, S. 281ff, Erste Auflage, 2018 by Paul Collier, 2019 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München

Nach den schlimmen Erfahrungen der SPD mit ihren Parteivorsitzenden in der Vergangenheit, versucht sie nun per Regionalkonferenzen und Mitgliedervotum eine neue Doppelspitze für den neuen Parteivorsitz zu finden. Es gibt eine reichliche Anzahl von Bewerbern für den Parteivorsitz. Die SPD macht also genau das Gegenteil bei der Wahl des Parteivorsitzenden, wie Collier vorschlägt. Die SPD geht nicht nach sachlichen Kriterien vor, sondern bestimmt die neue Parteispitze nach statistischen Verfahren. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. In der Vergangenheit wählte das Präsidium ihren Vorsitzenden; bzw. der Kanzler hatte auch meistens den Parteivorsitz inne. Sollte dieses nach statistischen Regeln durchgeführte Wahlverfahren scheitern, wird es schwierig für die Partei und damit auch für den Erhalt der Regierungsmacht.

In welche Richtung steuert Deutschland?

Als ich jung war, lebte ich mit meinen Eltern, mit meinem Bruder und meiner Schwester in einem kleinen Haus am Mississipimeer.

Damals war ich glücklich. (Omar El Akkad)

Die Bundestagswahl im September 2017 führte zu einem deutlichen Machtverlust der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU/CSU).  Weil sich die SPD aufgrund des schlechten Wahlergebnisses zunächst weigerte, in die sogenannte Große Koalition einzutreten, führte Merkel mit den Grünen und der FDP längere Zeit Koalitionsverhandlungen. Jedoch scheiterten auch diese Verhandlungen mit der FDP und den Grünen, weil der FDP-Chef Christian Lindner die Verhandlungen, wegen unüberbrückbarer Dissonanzen über unvereinbare Programmpunkte mit den der Grünen abbrach.

Eine Minderheitsregierung wollte Merkel nicht führen. Daher war der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gezwungen, die SPD wieder an den Koalitionstisch zu bringen, um Koalitionsverhandlungen mit der Union zu führen.

Diese Gespräche endeten nach harten Koaltionsverhandlungen mit der SPD in einen neuen Koalitionsvertrag. So konnte Merkel erst nach mehr als einem halben Jahr mit der SPD im März 2018 eine neue stabile Regierung bilden.

Wie konnte es zu diesem Machtverlust der alten „GroKo CDU/CSU und SPD“ kommen?

Es gibt Hinweise darauf, dass sich Russland auch in den deutschen Bundestagswahlkampf 2018 massiv mithilfe von 116.000 Twitter-Accounts eingemischt hat. Jonas Jonasson [2] schreibt in seinem Roman:

…klar war, dass Angela Merkel in Deutschland auf dem besten Weg war, die Wahl zu verlieren. Ein Sieg war ja kein Sieg, wenn man danach nicht ordentlich regieren konnte.

Zudem sagt  Jonasson in seinem Buch:

…Alle behaupteten, Merkel würde die Bundestagswahl ganz klar gewinnen, der sozialdemokratische Kandidat sei viel zu schwach. Niemand wollte sehen,…, dass sich nämlich die Sozialdemokraten weigern würden, in Merkels Regierung zu sitzen, wenn sie bei der Wahl schlecht abschnitten, denn alles andere wäre politischer Selbstmord. Die russische Taktik bestand darin, die Schwachen noch weiter zu schwächen, in Verbindung mit heimlichen Parteispenden an die AfD.

…Das Letzte, was Russland gebrauchen konnte, war nämlich diese hoffnungslos starke alte Dame in Berlin.

Wie man sieht wurde die „starke alte Dame in Berlin“ erheblich geschwächt, sonst hätte die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2017 nicht so quälend lange von September 2017 bis März 2018 gedauert.

Die Merkel-Politik der Union gemeinsam mit der SPD verursachte u.a., dass die  Asyl-/Migrantenproblematik gescheitert ist. Zum Scheitern trug vor allem bei, dass im Sommer 2015 ungeregelte Migrantenströme nach Deutschland einwanderten. Hinzu kam, dass die progressiven Belange der GroKo (Union/SPD) zu stark berücksichtigt wurden und die konservativen Belange der Union und der SPD von ca. 47 Prozent der Wählerinnen und Wähler unberücksichtigt blieben. Besonders die konservative Bevölkerungsstimmung hinsichtlich der inneren Sicherheit wurde negativ, nachhaltig verstärkt.

Im Ergebnis wanderten viele Wählerinnen und Wähler von Union und SPD zur AfD. Dieser Anteil der Wählerinnen und Wähler führte zu 12,6 Prozent der AfD bei der letzten Bundestagswahl. Mittlerweile ist die AfD in allen Landtagen und dem Bundestag vertreten. Die AfD spiegelt die Sorgen vieler konservativen Bürgerinnen und Bürger wieder.

Timo Lochocki [3] stellt fest:

Viele AfD-Wähler wenden sich von den Volksparteien ab, weil sie ihnen nicht mehr zutrauen, auf ihre Sorgen vor Identitäts- und Kontrollverlust zu reagieren. Sie sehen die Volksparteien vielmehr als Auslöser der Prozesse, die ihnen Sorgen bereiten – steigende Zuwanderung, zunehmende Pluralität, wachsende internationale Vernetzung. Die rechtspopulistische AfD ist somit Symptom und ein Katalysator für die Entfremdung vieler Wähler von den Volksparteien und von der parlamentarischen Demokratie. In diesem Vertrauensverlust besteht für die demokratischen Kräfte dieses Landes die eigentliche Herausforderung, auch wenn der Rechtspopulismus in Gestalt der 12,6 Prozent AfD-Wähler vorerst noch vergleichsweise harmlos daherkommen mag.

Mittlerweile hat die AfD mit ca. 16 Prozent gemäß den aktuellen Umfragen die SPD, 14 Prozent, überholt. Sie ist damit stärkste Oppositionkraft im Deutschen Bundestag und kann die Themensetzung erheblich mitbestimmen!

Allerdings entpuppt sich die AfD immer mehr als rechtsradikale Partei, die sich mit rechtsradikalen Verbindungen immer stärker vernetzt, stellt die Aussteigerin und Buchautorin Franziska Schreiber [4] fest:

… Der AfD kann aufgrund des Programms niemand vorwerfen, verfassungsfeindlich zu sein. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist demnach auch für die AfD Grundlage des deutschen Staates.

Aber das Mitte 2016 verabschiedete Programm ist mittlerweile nicht mehr als ein Werbeplakat. Die wahren Absichten der heutigen Parteimitglieder werden von den schriftlich niedergelegten Zielen verdeckt, auf die man sich bei einem Parteitag einigte, als die Liberalen knapp in der Mehrheit waren. Das Programm der AfD camoufliert die waren Ziele der Parteirechten, der heutigen Mehrheit. Es spiegelt das Stimmungsbild bei der Mehrheit der Partei nicht mehr wider.

Es bleibt festzustellen, dass die Ziele der AfD zumindest stark der Demokratie schaden könnten bzw. die Demokratie und somit unsere Pluralität sowie unseren Parlamentarismus zerstören könnten.

Steven Levitsky  und Daniel Ziblatt [5] stellen in vier Hauptindikatoren autoritären Verhaltens in den Fokus:

1. Ablehnung demokratischer Spielregeln (oder schwache Zustimmung zu ihnen)

Wird die Verfassung abgelehnt oder die Bereitschaft ausgedrückt, sie zu missachten?…

2. Leugnung der Legitimität politischer Gegner

Werden politische Gegner als Staatsfeinde oder Gegner der bestehenden Ordnung diskreditiert?…

Wird behauptet, politische Gegner stellten eine existentielle Bedrohung der nationalen Sicherheit oder der vorherrschenden Lebensweise dar?…

3. Tolerierung von oder Ermutigung zu Gewalt

Gibt es Verbindungen zu bewaffneten Banden, paramilitärischen Gruppen, Milizen, Guerillas oder anderen Organisationen, die unzulässige Gewalt anwenden?…

Wird die Gewaltanwendung von Anhängern stillschweigend gebilligt, indem keine eindeutige Verurteilung und Bestrafung stattfindet?…

4. Bereitschaft, die bürgerlichen Freiheiten von Opponenten, einschließlich der Medien zu beschneiden

Werden Kritikern in konkurrierenden Parteien, in der Zivilgesellschaft oder den Medien rechtliche Schritte oder andere Maßnahmen angedroht?…

Wir müssen also aufpassen, dass solche Tendenzen frühzeitig erkannt werden und dagegen vorgegangen wird.

Wie konnte der Aufstieg der AfD diese Formen annehmen?

Timo Lochocki [3] ist aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit zu folgendem Ergebnis gekommen:

…Der Aufstieg der AfD hat zu großen Teilen eine missglückte öffentliche Kommunikation von CDU/CSU und SPD in der Flüchtlingspoltik ab 2015 zur Ursache. Das Migrationsthema ist neben Außen- und Europafragen der wichtigste Themenkomplex der sogenannten Identitätspolitik, an deren medienwirksamer Kommunikation sich die Zukunft der Volksparteien entscheiden wird…

Timo Lochocki [3] sieht starken Handlungsbedarf im konservativen Bereich:

…Wir brauchen [stattdessen] mehr Ideen, Organisationen und vor allem medienwirksame Debatten, die die Gemeinsamkeiten aller betonen, die in Deutschland leben. Sich allein für spaltende Konzepte wie Multikulturalismus oder Assimilation einzusetzen, ist daher kontraproduktiv…

…Die Ausstattung der Sicherheitsbehörden und aller staatlichen Organe muss einen robusten Rahmen für dieses gedeihliche Zusammenleben setzen…

…Hieraus folgt, dass Justiz, Polizei, Bundesgrenzschutz und verwandte Organisationen personell deutlich gestärkt werden müssen, um ihren gewachsenen Aufgaben in einer pluralen Gesellschaft nachzukommen. Dieses Land braucht deutlich mehr Polizisten, mehr Staatsanwälte und mehr Richter…

Es bedarf also einer kohärenten Flüchtlingspolitik an den europäischen Außengrenzen, die humanitäre, wirtschaftliche und geopolitische Anliegen vereint. Dazu notwendig sind ein militärisch-polizeilicher Schutz der EU-Außengrenzen und eine funktionierende Asyl-Bürokratie innerhalb der EU und in den EU-Partnerstaaten…

…Die deutschen Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr müssen daher vor allem in die Lage versetzt werden, eine noch stärkere mit wichtigen Partnerstaaten einzugehen. Und zweitens müssen sie so ausgestattet werden, dass sie die deutsche und europäische Sicherheit notfalls mit (quasi-)militärischen Mitteln verteidigen können. Unsere neuen (alten) geopolitischen Rivalen heißen Russland und China…

…Wenn wir also das liberale Deutschland erhalten wollen, brauchen wir empathische Gesprächsangebote an Globalisierungsskeptiker, eine massive personelle Aufrüstung von Polizei und Justiz, begrenzte und kontrollierte Zuwanderung, klar gesicherte EU-Außengrenzen und ein schlagkräftiges gesamteuropäisches Militär und Geheimdienste, die es mit Russland und China aufnehmen können…

Die Volksparteien müssen also in den nächsten drei Jahren bis zur Bundestagswahl alles tun, um diese o.g. Forderungen von Lochocki zu erfüllen, um das Vertrauen und Sicherheitsbedürfnis der konservativen Bürger wieder zurück zugewinnen.

 

 

[1] Omar El Akkad, Roman, „American War“, 2. Auflage August 2017, 2017 Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

[2] Jonas Jonasson, Roman, „Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“, 1. Auflage, 2018 bei C. Bertelsmann, München

[3] Timo Lochocki, „Die Vertrauensformel“, Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018

[4]Franziska Schreiber, “ Inside AfD“, 2018 Europa Verlag GmbH & Co. KG, München

[5] Steven Levitsky / Daniel Ziblatt, „Wie Demokratien Sterben“, 1. Auflage Mai 2018, Verlagsgruppe Random House FSC Noo1967, Deutsche Verlags-Anstalt, München

Hat die SPD die Kraft, die Zukunft der Mittelschicht zu gestalten?

Die SPD hat in Folge drei Wahlkämpfe (2009, 2013, 2017) nach 1998 verloren. Sie konnte die Mittelschicht nicht erreichen, so wie noch Gerhard Schröder 1998. Wie konnte das passieren?

Peer Steinbrück [1] analysiert messerscharf: Die Funktionäre und Mandatsträger der SPD setzen sich für Minderheiten ein, vergessen dabei aber die Mehrheiten der Mitte. Diese Funktionäre und Mandatsträger sind nicht in der Lage die Realitäten zu erkennen: Die Mitte erwartet „Innere Sicherheit und Ordnung“; die Funktionäre und Mandatsträger sehen jedoch eher die Rechte von Schwulen und Lesben im Vordergrund stehen, obwohl empirisch ermittelt wurde: …73 Prozent der Befragten [meinen], dass die Politik mehr tun müsse, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten… stellt Peer Steinbrück fest. Zudem konzidiert Steinbrück: …Am 24. September [2017] erhielten die großen Parteien die Quittung dafür, dass sie dem Thema Flüchtlinge, Zuwanderung und Integration auch im Kontext der inneren Sicherheit ausgewichen waren…

Als wesentliches Manko der SPD erkennt Steinbrück, dass sich die SPD offensichtlich um sich selbst dreht:

…Weil das interne Gespräch dominiert, fehlen der SPD bis heute eine intelligente Analyse des digitalen Kapitalismus in seinen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen und einigermaßen barrierefreier Zugang zur „produktiven Klasse“ mit ihren Wissensarbeitern“…

Die Folge ist, dass eine schweigende Mehrheit sich abwendet und den Kreis des Politischen und der Politik entweder ein für allemal verlässt oder sich eine neue politische Adresse sucht…

Steinbrück fasst vier wichtige Gründe zusammen, die zum politischen Kursverfall der SPD entscheidend beigetragen haben:

  • …ihrer historischen Funktion, ein Gegengewicht zu einem entfesselten und entgrenzten Kapitalismus zu sein, zu wenig Folge leistet,
  • in ihrem Universalismus allem Bodenständigen in Sport-, Mieter-, Kleingarten-, Karnevals-, Schulvereinen und so weiter als „kleinbürgerlich beschränkt“ entsagte,
  • in ihrem Verständnis als Gesamtbetriebsrat der Nation zwar Unwuchten zu korrigieren sucht, aber keine faszinierende Zukunftsidee und Horizonterweiterung lieferte und
  • in ihrer Minderheitenpolitik und „Vielfaltseuphorie“ den Erwartungen und Anliegen einer Mehrheitsgesellschaft, die durchweg nicht aus Entrechteten und Geknechteten besteht, nicht genügend Aufmerksamkeit widmete.

Heiko Maas [2] kommt zu dem Schluss, dass die soziale Frage wieder gestellt werden muss:

…Die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Die Frage nach anständigen Löhnen, nach bezahlbarem Wohnraum, nach gesicherter Versorgung im Alter. Wenn die Politik in den letzten beiden Jahrzehnten versäumt hat, Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen, dann vor allem diese. Zugleich haben wir zugelassen, dass Rechtspopulisten die echten Sorgen verschleiern, indem sie durch herbeigeredeten Ängsten ersetzen.

…Das immer mehr Menschen in Deutschland ihre Miete nicht bezahlen können: Das ist ein echtes Problem. Das Familien immer öfter zwei Einkommen brauchen, um über die Runden zu kommen; dass viele Menschen jahrelang auf Hartz IV hängen bleiben und dann als stigmatisiert gelten; dass diejenigen, die Arbeit haben, häufig nur befristete Verträge bekommen, obendrein zu oft in Leih- und Zeitarbeitsmodellen, die das Leitbild der sozial abgesicherten, dauerhaft Beschäftigung aushöhlen; dass viele Rentner nur so gerade das Existenzminimum haben: Das sind echte Probleme.

Zudem stellt Maas Fragen, wo sozialpolitischer Handlungsbedarf besteht:

…das nach wie vor undurchlässige Bildungssystem in Deutschland, das dazu beiträgt, prekäre Lebensverhältnisse über Generationen hinweg zu zementieren,…zu überwinden.

Leistungsgerechtigkeit. Wir müssen sicherstellen, dass die Arbeitenden bei uns angemessen entlohnt werden.

Weiter zurückdrängen müssen wir die Leih- und Zeitarbeitsmodelle, die ein Hauptsymptom für die neoliberale Prekarisierung das Arbeitsmarktes sind.

Gegen Steuerflüchtlinge vorgehen anstatt gegen Flüchtlinge zu hetzen! Selbst der jeden Linksdrall unverdächtige Focus beziffert die Summe, die dem deutschen Fiskus pro Jahr durch Steuerflucht entgeht, auf 100 Milliarden Euro. Das ist ein Vielfaches der Kosten, die dem Staat durch Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten entstehen. Doch ausgerechnet beim steuerlichen Bankgeheimnis – das für Steuerhinterzieher die wichtigste Verdunklungsmöglichkeit bildet und dringend abgeschafft gehört – entdeckt die AfD ihr Herz für den Datenschutz.

Weiterhin fordert Maas dazu auf, sich gegen den sogenannten, gefühlten Kontrollverlust zu wehren:

…Den Zusammenhang zwischen der weltweiten Finanzkrise und der Popolismuswelle sollten wir ohne Scheu benennen und ergründen.
…wir sollten ruhig nachfragen, wie sie [AfD] es denn mit dem tatsächlich außer Kontrolle geratenen Abstrom von Steuerflüchtlingen halten.

Zudem stellt sich die Frage, welche Zukunftsprobleme stellen sich auch für die SPD dar?

Christoph Bausum et. al. [3] sehen „Schwierige Probleme in Sicht“

…Für die Zukunft werden die UN und ihr Behördensystem weniger dazu beitragen, neue Verhaltensstandards in umstrittenen Entwicklungen wie Künstlicher Intelligenz, Genomchirurgie oder Human Enhancement zu setzen, weil Staaten, private Akteure und wissenschaftliche und technische Kreise divergierenden Werte und Interessen vertreten, weil in Fachwelt und Politik gewaltige Unterschiede bei den Wissensständen herrschen und weil sich der technologische Wandel deutlich schneller vollzieht, als Staaten, Behörden und internationale Organisationen Standards entwickeln, Weichen stellen, Regularien errichten und Normen vorgeben können. All diese Faktoren wirken Bemühungen, eine gemeinsame Agenda zu erstellen, bremsend entgegen.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD [4] gibt es viele gute Deutschland stabilisierende Ansätze, die zügig und für die Bürgerinnen und Bürger wirksam umgesetzt werden müssen. Erst wenn die Wählerinnen und Wähler erkennen, dass der durch die Finanzkrise 2008 und Flüchtlingskrise 2015 ausgelöste, gefühlte Staats-Kontrollverlust wieder glaubhaft hergestellt werden kann und wird; erst dann wird die Anhängerschaft der „Altparteien “ u.a. der SPD, wieder steigen. Daran muss die SPD glaubhaft arbeiten, wenn sie sich wirklich erneuern will.

 

 

[1] Peer Steinbrück, „Das Elend der Sozialdemokratie Anmerkungen eines Genossen“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2018

[2] Heiko Maas, “ Aufstehen statt wegducken Eine Startegie gegen Rechts“, Piper Verlag GmbH, München 2017

[3] Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler, „Die Welt im Jahr 2035 gesehen von der CIA und dem National Intelligence Council Das Paradox des Fortschritts“,  Aus dem Englischen von Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler“, 2. Auflage. 2018, Verlag C.H. Beck oHG, München 2017

[4]Michael Wolff, „Fire and Fury, Inside the Trump White House“, 2018 by Michael Wolff, Henry Holt Company, New York

[4] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, „Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, Berlin, 7. Februar 2018

Stabile Regierung bilden!

Kann die SPD mit der CDU/CSU gemeinsam eine stabile Regierung bilden? Unter welchen Bedingungen könnten die beiden großen Parteien zum Wohle der Allgemeinheit zu einem Konsens kommen?

Welche Lösung ist besser für Deutschland? GroKo, Minderheitsregierung, Kooperationsformen, Neuwahlen?

Zunächst ist die Frage zu klären, ob in der jetzigen Lage hoher Immobilienpreise, Steuervermeidung und -hinterziehung, Dieselgate, Arbeitslosigkeit und Harz IV, Altersarmut und Pflegenotstand sowie hoher Gesundheitskosten und Integrationsprobleme der Flüchtlinge unser Sozialsystem stabilisiert werden kann bzw. beherrschbar ist?

Da stellt sich eine weitere Frage: was muss mehr reguliert werden und was weniger?

Zunächst ist festzustellen, dass weltweit der Kapitalfluss kaum noch reguliert wird. Ein paar Großkonzerne und paar Milliardäre regeln die Weltwirtschaft selbst unter Umgehung der regionalen Gesetzgebung. Die „Panamapapers“ zeigen mal wieder, wie rigoros die Steuerflucht von bestimmten Konzernen und wohlhabenden Weltbürgern betrieben wird. Dadurch fehlen den jeweiligen betroffenen Ländern Steuern, die u.a. für den Bildungssektor, Infrastruktur und Straßenbau, Gesundheits- und Pflegesystem gebraucht werden.

Thomas Piketty [1] kommt in seinem Buch zu dem Schluss:

…Die Geschichte der Vermögensverteilung ist immer auch eine durch und durch politische Geschichte und lässt sich nicht auf rein ökonomische Mechanismen reduzieren. Insbesondere ist die in den entwickelten Ländern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1900 – 1960) zu beobachtende Verringerung der Ungleichheit vor allem das Ergebnis der Kriege und der politischen Strategien, die nach den Schocks verfolgt wurden. Auch die Zunahme der Ungleichheit seit den 1970er Jahren ist zu einem großen Teil den steuer- und finanzpolitischen Kurswechseln der letzten Jahrzehnte geschuldet. Die Geschichte der Ungleichheit hängt von den Vorstellungen der ökonomischen, politischen und sozialen Akteure über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sowie von den Kräfteverhältnissen zwischen ihnen und den daraus resultierenden Entscheidungen ab; sie ist das, was alle diese Akteure aus ihr machen…

Die zweite Schlussfolgerung, die den Kern des Buches ausmacht, lautet, dass bei der Dynamik der Vermögensverteilung starke Mechanismen am Werk sind, die entweder in Richtung Konvergenz oder Divergenz drängen, und dass es keinen natürlichen und von selbst ablaufenden Prozess gibt, der verhindert, dass die destabilisierenden und inegalitären Tendenzen sich dauerhaft durchsetzen…

Konvergenz hängt stark von der Politik im Bildungs- und Ausbildungsbereich, dem Erwerb der nötigen Qualifikationen und auf diesem Gebiet geschaffenen Institutionen ab…

Divergenz wird durch folgende Kräfte gefördert!…Da ist zum einen die Abkopplung der Spitzengehälter von den normalen Einkommen, die erhebliche Ausmaße annehmen kann, auch wenn sie bis heute auf bestimmte Bereiche begrenzt ist. Und da ist zum anderen ein Bündel von divergenzfördenden Kräften, die sich aus der Akkumulation und Konzentraton von Vermögen in der Welt ergeben, die von einem schwachen Wachstum und einer hohen Kapitalrendite gekennzeichnet ist. Dieser Prozess wirkt potenziell noch destabilisierender als der erste und stellt zweifellos die größte Bedrohung für die langfristige Entwicklung der Vermögensverteilung dar.

Brooke Harrington [2] zitiert in ihrem Buch:

…But capitalism, as Schumpeter observed, depends on change rather than stability…With the growth of global commerce through the nineteenth century, philosophers such as John Stuart Mill noted that „the ‚dead hand‘ of the past had hampered the growth of a free economy“. Such critiques continued into the present day with the movement by wealthy individuals such as Warren Buffett to ensure that inheritance taxation continues, so that at least some family wealth gets redistributed into economy.

...Finally, while their intent may be conservative, the methods wealth managers have innovated to achieve stability in their clients‘ fortunes can have a profoundly disruptive impact on markets. For example, many of the financial and legal tools they refined to protect clients‘ assets also formed the organizational structure of the subprime mortgage crisis. This is particularly clear in the case of „special-purpose vehicles,“ which are like the fireproof safes of offshore finance: assetholding structures designed for the sole purpose of insulating their content from risk. Put a corporate subsidiary into a special-purpose vehicle, and it is protected from bankruptcy, creditors, and litigants. The entangling of many contemporary private fortunes with corporate wealth meant that putting assets into special-purpose vehicles created new risks for the financial system as a whole, moving an enormous volume of wealth off corporate balance sheets, out of the sight of regulators and auditors…

Diese beiden Zitate von Piketty und Harrington zeigen u.a., wie fragil und instabil unser derzeitiges politisches, ökonomisches und sozial wirtschaftliches System ist.

Für die zukünftige Bundesregierung kommt es gemäß Piketty darauf an, Konvergenz zu fördern und Divergenz zu reduzieren. Harrington unterstreicht dieses Dilemma!

Die von der SPD geforderte „Bürgerversicherung“ ist klar gegen die Beamtenschaft gerichtet, die von der Privaten Versicherung (PKV) in Verbindung mit der sogenannten Beihilfe profitieren. Zudem ist völlig unklar, wie die Rückstellungen der PKV verrechnet werden sollen, die von den versicherten Beamtinnen und Beamten im Laufe der Versicherungsjahre angespart worden sind.

Darüber hinaus ist völlig unklar, wie es mit der sogenannten freien Heilfürsorge der Soldatinnen und Soldaten weitergehen soll?

Somit ist festzustellen, dass die die sogenannte „Bürgerversicherung“ eigentlich wie eine Utopie erscheint, die erst mal mittels experimentellen Modellen verifiziert werden muss, bevor dieser unausgegorene Paradigmenwechsel durchgeführt werden könnte!

Wenn CDU/CSU und SPD Maßnahmen in einem Vertrag zur Bekämpfung der o.g. Mißstände vereinbaren und gezielte Regelungen umsetzen, dass die Renten gesichert werden, Steuervermeidungstricks weitestgehend unterbunden werden, Wachstum gefördert wird, Zuwanderung begrenzt wird, Bildung und Forschung gefördert werden, eine gerechte, zuverlässige Kranken- und Pflegeversicherung gesichert wird, ausreichender sozialer Wohnungsraum bereitgestellt wird sowie innere und äußere Sicherheit gewährleistet wird, sollte eine stabile Regierung möglich sein.

 

[1] Thomas Piketty, DAS KAPITAL im 21. Jahrhundert, 1. Auflage in C.H.Beck Paperback. 2016, Verlag C.H.Beck oHG, München

[2] Brooke Harrington, Capital without Borders: Wealth Managers and the One Percent, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts London, England / 2016

 

Der Wählerwille im Einflussbereich von „Sirenenservern“!

Das Internet wurde in den USA in der militärischen Forschungseinrichtung DARPA entwickelt. Sie dominieren die schnellsten Leitungen. Cisco ist der größte Netzwerkhersteller, Amazon bietet die größte Cloud weltweit an. Google, Amazon, Ebay, Skype, Apple, Microsoft, Facebook & Co sind Firmen, die Standards setzen und den Markt beherrschen. Im Netz sind die USA die unangefochtene Supermacht.

Mehr als 90 Prozent der deutschen Internetnutzer durchsuchen das Netz mit Google, Facebook hat in Deutschland im Januar 2014 rund 27 Millionen Mitglieder, von denen nach Unternehmensangaben rund 19 Millionen die Seite täglich besuchen, bezeugen Marcel Rosenbach und Holger Stark in ihrem Buch, „Der NSA-Komplex“[1].

Markus Morgenroth [2] beschreibt in seinem Buch, „Sie kenne dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!“, was E-Mails über den Verfasser verraten: „…Betrachtet man sie allerdings im Ganzen, vergleicht und verknüpft sie miteinander, setzt sie also in einen Zusammenhang, entsteht ein Bild über das Verhalten, Handeln, die Hintergedanken und die psychische Verfassung eines Mitarbeiters…“
Dieses war möglicherweise u.a. ein Grund, warum der E-Mail-Server von Hillary Clinton kurz vor der US-Präsidenten-Wahl 2016 gehackt wurde und die E-Mails veröffentlicht worden sind.

Die generelle Frage nach den Beeinflussungsmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler durch Superserver von den Parteien oder der jeweiligen Cloud von u.a. Microsoft , Amazon, Facebook u.a. sollte bei der bevorstehenden Bundestagswahl am 24. September 2017 kalkuliert werden.

Jaron Lanier schreibt in seinem Buch „Wem gehört die Zukunft?“[3]:

…Die Kandidaten der Parteien heuern in der Regel Datenspezialisten an und verwenden dieselben Algorithmen und Computerleistungen, die es auch jedem anderen Sirenenserver ermöglichen, die Welt zu seinem Vorteil zu verändern. Das interessante an Wahlen ist, dass das Gesetz mehrere konkurrierende Kandidaten vorschreibt. In der Ära von Big Data ist so etwas schon ungewöhnlich und macht Wahlen zu einem Sonderfall, da das „Ausschlussprinzip“ nicht greift. Wie bei den Mobilfunkanbietern gibt es zahlreiche Sirenenserver, die dieselbe Nische besetzen.

Wenn Wahlen wie Märkte funktionieren würden, würde sich eine siegreiche Partei etablieren und hartnäckig ihre Position behaupten. Das ist ein Fehlermodus der Politik, in dem sich ein „Parteiapparat entwickelt. Der Begriff ist sehr aufschlussreich. Der Prozess ist deterministisch wie bei einem Apparat, einer Maschine. Die Demokratie stützt die Gesetze, die einer marktähnlichen Dynamik Vielfalt aufzwingen, obwohl sich diese Dynamik eigentlich zu einem Monopol entwickeln würde.

Wenn Demokratien Bestand haben sollen, müssen sie so strukturiert sein, dass sie einer „Starsystem“-Politik widerstehen. Denn wenn man dieses Prinzip im Netzwerkzeitalter anwendet, führt das zu regelmäßigen Konfrontationen zwischen den politischen Kampagnen, die auf spiegelbildlichen Datenmengen basieren…

Vielleicht werden wir mehr Wahlen erleben, die entweder extrem knapp ausgehen oder extrem einer Seite zuneigen. Wenn die Sirenenserver gut betrieben werden, erreichen sie vielleicht einen Gleichstand untereinander, doch wenn einer besser ist als der andere, könnte der Vorteil drastisch ausfallen…Das ist ähnlich wie beim Klimawandel: Lange gab es nicht genügend Daten, um ihn definitiv zu erkennen, allerdings hat es nun den Anschein, als ob sich ein eindeutiges Muster abzeichnet…

Heutzutage informiert eine politische Datenbank die lokalen Wahlkampfhelfer über optimale Vorgehensweisen, Stimmen zusammenzubekommen. Dem Wahlkampfhelfer ergeht es ähnlich wie einem Allgemeinarzt, der mehr und mehr nur noch Handlanger für die Sirenenserver der Pharmakonzerne und Versicherungen fungiert.

Das Problem bei der Optimierung der Welt durch einen Wahl-Sirenenserver ist dasselbe wie bei allen anderen Arten von Sirenenservern. Kurzfristig funktioniert das durchaus, allerdings entfernt sich der Sirenenserver immer weiter von der Realität. So, wie vernetzte Server, die Musik für für uns aussuchen, keinen wirklichen Musikgeschmack haben, verfügt ein Rechner, der per Cloud-Computing Politiker aussucht, nicht wirklich politische Klugheit.

Der Vorgang löst sich immer stärker von den Ereignissen in der realen Welt ab. Eine politische Botschaft wird zurechtgefeilt und getestet. Die Feedback-Signale werden in die Statistik eingegeben. So, wie die Big Data in der Wirtschaft mit niedrigerem Wahrheitsanspruch als die Big Data in der Wissenschaft funktionieren, so verhält es sich auch mit den Big Data in der Politik.

Optimierung bedeutet nicht unbedingt Wahrheit. Vom US-Wahlkampf 2012 hieß es häufig, er hätte sich weiter von den Fakten entfernt als je zuvor in der Geschichte. Früher konnte man noch keine zentralen Server verwenden, um jede Person ausfindig zu machen, die auf eine paranoide Hetze gegen Texas anspringen würde. Heute können wir das mehr oder weniger, aber das heißt nicht, dass diese Paranoia in irgendeiner Weise gerechtfertigt oder nützlich wäre.

Wenn die Partei mit dem größten/besten Rechner gewinnt, dann spielt ein auf Argumenten gründender politischer Dialog keine große Rolle mehr. Die Realität verliert an Relevanz, genau wie bei den Big Data der Wirtschaft.

„Big Data“ bedeutet, dass dem großen Geld in der Politik eine größere Rolle zukommt. Wenn man die Demokratie erhalten will, gilt umso mehr, dass die Mittelschicht zusammengenommen mehr Geld haben muss als die Eliten, die Sirenenserver einsetzen könnten. Die Glockenkurve muss die „Starprinzip“-Kurve übertrumpfen.

Wenn in Wahlkämpfen große Firmen nur bestimmten Parteien große Wahlkampfspenden zukommen lassen, kann man sich ausrechnen, welche Partei verlieren wird.

Ein weiteres Problem ist, dass Medien die öffentliche Meinung manipulieren könnten, beschreibt Daniel Domscheit-Berg in seinem Buch, „inside Wikileaks“ [4].

Zudem sind sogenannte Cyber-Krieger bzw. professionelle Hacker in der Lage Wahlkämpfe u.a. durch „Fakenews“ zu beeinflussen, insbesondere in der letzten Phase des Wahlkampfes. Der Wähler wird verunsichert und geht möglicherweise gar nicht zur Wahl oder setzt das Kreuz an der falschen Stelle, wie z.B. die letzte Wahl in den USA gezeigt hat. Planspiele haben gezeigt, dass der sogenannte „First-Mover-Advantage“ die Instablität in der Krise erhöht, für Anspannung sorgt und zum Überlegen keine Zeit lässt, beschreiben Richard A. Clark Mit Robert K. Knake im Buch „WORLD WIDE WAR“ [5].

 

[1] Marcel Rosenbach und Holger Stark, „Der NSA-KOMPLEX Edward Snowden und der Weg in die totale Überwachung“, 1. Auflage, 2014 Deutsche Verlags-Anstalt, München

[2] Markus Morgenroth, „Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich! Die wahre Macht der Datensammler“, 2014 bei Droemer Verlag, München

[3] Jaron Lanier, „Wem gehört die Zukunft?“ Du bist nicht der Kunde der Internet-Konzerne, du bist ihr Produkt, Aus dem amerikanischen Englisch von Dagmar Mallett und Heike Schlatterer, 1. Auflage 2014, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

[4] Daniel Domscheit-Berg, „inside Wikileaks Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011

[5] Richard A. Clark Mit Robert K. Knake, „WORLD WIDE WAR Angriff aus dem Internet“, Deutsch von Heike Schlatterer und Stephan Gebauer, 1. Auflage 20011, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg