Die britische Firma CAMBRIDGE ANALYCTICA, TRUMP, BREXIT und Facebook haben die Demokratie gebrochen.
Die britische Firma CAMBRIDGE ANALYTICA (CA) benutzt zur Steuerung des Wahlverhaltens der Wählerinnen und Wähler mittels „behavioral microtargeting“ das sogenannte OCEAN-Modell (open, conscientious, extroverted, agreeable or neurotic).
OCEAN scoring was nuanced and complex, allowing Cambridge to understand people on a continuum in each category. Some people were predominantly „open“ and „agreeable.“ Others were „neurotic“ and „extroverts.“ Still others were „conscientious“ and „open.“ There were thirthy-two main groupings in all. A person’s „openness“ score indicated whether he or she enjoyed new experiences or was more inclined to rely on and appriciate tradition. The „conscientiousness“ score indicated whether a person preferred planning over spontaneity. The „extroversion“ score revealed the degree to which one liked to engage with others an be part of a community. „Agreeableness“ indicated whether the person put others‘ needs before their own. And „neuroticism“ indicated how likely the person was to be driven by fear when making decisions.
Brittany Kaiser, „Targeted“, page 84 -page 85, HarperCollinsPublishers 2019, London
Kategorie: Sicherheitspolitik
So ist die Lage
„Die Sicherheit im 21. Jahrhundert ist extrem gefährdet, der Frieden, in dem wir leben, fragil. Schuld daran ist die Digitalisierung, die strategisch genutzt, eine geopolitische Neuordnung der Welt ermöglicht: USA, Russland und China kämpfen um die Vorherrschaft, Europa ringt um seine Rolle zwischen den Großmächten. Basiert das strategische Gleichgewicht zwischen den Staaten vormals auf Verteidigung, verschiebt es sich heute zugunsten der Offensive. Denn in einer vernetzten Welt wird der Code zur vernichtenden Waffe, mit dem hochsensible Daten ausspioniert, kritische Infrastrukturen sabotiert werden und die Bevölkerung durch Fake News aufgehetzt wird – ohne dass es eine offizielle Kriegserklärung gäbe.“
[1] Yvonne Hofstetter, „Der Unsichtbare Krieg“ „Wie die Digitalisierung Sicherheit und Stabilität in der Welt bedroht“, Originalausgabe Oktober 2019, 2019 Droemer Verlag, Droemer Knaur GmbH & Co, KG, München
„Das Primat der militärischen Intervention und der unerbittliche Drang, alleinige Weltmacht zu bleiben, bilden die Konstanten der amerikanischen Politik – auch wenn dadurch Staaten ins Chaos und Menschen ins Verderben getrieben werden. Im Land selbst dagegen haben bis heute die Reichen und Mächtigen fast freie Hand, jenseits demokratischer Kontrollen. Es geht ihnen nur um Gewinn- und Einflussmaximierung – die weltweite Bedrohung durch Klimawandel und Atomarsenale nehmen sie ungerührt in Kauf.„
[2] Noam Chomsky, „Wer beherrscht die Welt?“ „Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik“, 5. Auflage 2019, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016/Ullstein Verlag, 2016 by L. Valéria Galva~-Wassermann-Chomsky
„In Chomskys Analyse sind die Medien einerseits – ohne direkter staatlicher Kontrolle zu unterliegen – Propagandainstrumente der Außenpolitik, andererseits dienen sie der gesellschaftlichen Herstellung von Konsens, unterdrücken Nachrichten, die die Bevölkerung verunsichern könnten, mildern sie ab, so dass an der Einstellung der politischen Führung kein Zweifel aufkommt. Dazu gehört die Methode, Verbrechen des „Feindes“, wie immer es gerade sein mag, akribisch zu beleuchten und mit dem Vergrößerungsglas zu untersuchen, während eigene Untaten oder die verbündeter Staaten relativiert werden. „
[3] Noam Chomsky, „Media Control -Wie die Medien uns manipulieren“, 9. Auflage 2019, Seven Stories Press, New York, 2002, 2002 by Noam Chomsky, Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2018
„Die führende Intellektuelle unserer Zeit und Bestsellerautorin Naomi Klein offenbart die Machenschaften multinationaler Konzerne hinter der Fassade bunter Logos. Der von ihr propagierte Ausweg aus dem Markendiktat ist eine Auflehnung gegen die Täuschung der Verbraucher, gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, die Zerstörung der Natur und kulturellen Kahlschlag. Denn durch ihre Demystifizierung verlieren die großen, global agierenden Marken an Glanz und Macht – zum Wohle aller.„
[4] Naomi Klein, „No Logo“ „Der Kampf der global Players um Marktmacht“ „Ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern“, Ungekürzte Ausgabe, Fischer Taschenbuch, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, Mai 2015
Sicherheitsrisiko für die Große Koalition
Aber die Führung der sozialdemokratischen Parteien ging von der Genossenschaftsbewegung auf utilitaristische Technokraten und rawlsianische Juristen über. Ihre Ehtik spricht die meisten Menschen nicht an, und Wähler kehren sich allmählich von ihnen ab. Paul Collier [1]
[1] Paul Collier, Sozialer Kapitalismus, Kapitel 10, S. 275ff, Erste Auflage, 2018 by Paul Collier, 2019 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München
Die gegenwärtige Krise der SPD in Deutschland führt möglicherweise zu einer Destabilisierung der sogenannten Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Diese GroKo wird nicht mehr von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler bedingungslos getragen. Die Erosion der Stimmenanteile der Wähler zeigt sich täglich in den Meinungsumfragen der einschlägigen Institute in Deutschland. Die AfD stößt mit Hass und Hetze in dieses Machtvakuum. Sie ist mittlerweile in fast allen Landesparlamenten sowie im Deutschen Bundestag vertreten. Besonders bei der letzten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen wird das Vordringen der in Teilen rechtsextremistischen AfD deutlich sichtbar. Der Machtanspruch dieser Partei wächst daher immer mehr. Er ist bei fast einem Drittel Wählerstimmen in Brandenburg und Sachsen angekommen.
Es stellt sich die Frage, woher kommt dieser Trend der Abkehr eines Teils der Wählerinnen und Wähler von den großen Volksparteien CDU/CSU und SPD. Was haben diese Volksvertreter falsch gemacht in der Vergangenheit; und was machen sie weiter falsch im politischen Alltag.
Wie kann zukünftig der Wählerwille zutreffender und damit zufriedenstellender im Sinne der Wählerinnen und Wähler umgesetzt werden?
Zunächst muss die Entfremdung des Wählers gegenüber den Regierenden und den Führungsgremien der großen Volksparteien offensiv begegnet werden.
Jean Ziegler [2] beschreibt den Prozess der Entfremdung in seinem Buch anhand von praktischen Beispielen:
Die Strategie der deutschen Kapitalisten lief nämlich zwangsläufig auf einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Schwerindustrie hinaus – in der Stahlindustrie, der Maschinenindustrie etc.
Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder leitete diese Sitzung der Sozialistischen Internationalen. Er erklärte uns, dass er durchaus Verständnis für die Wut und Sorgen der Demonstranten habe, aber dass man nichts machen könne.
Offensichtlich bestand das Problem nicht in den Kräfteverhältnissen zwischen Regierung und Kapitalisten,, sondern vielmehr in dem Umstand, dass Schröder am neoliberalen Obskurantismus festhielt und sich ihm freiwillig unterwarf. Wörtlich sagte er: „Niemand kann etwas gegen die Kräfte des Marktes ausrichten. Die Industriellen an der Ruhr gehorchen den Gesetzen des Weltmarktes. Persönlich bedaure ich die Entscheidung… Aber es wäre ein gefährliche Torheit, sich dem Markt zu widersetzen.“
Ist dem sympathischen Schröder Doppelzüngigkeit zu unterstellen? War er, wie seine Kritiker im sozialistischen Lager glaubten, mit den deutschen und russischen Oligarchen verbandelt? Ich glaube nicht. Während ich zuhörte, wie er seine Untätigkeit rechtfertigte, war ich von seiner Ehrlichkeit vollkommen überzeugt. Ich erinnerte mich an einen Ausspruch von Pierre Bourdieu: „Der Neoliberalismus ist eine scharfe Waffe. Er setzt einen ökonomischen Fatalismus in die Welt, dem gegenüber jeglicher Widerstand vergeblich zu sein scheint. Der Neoliberalismus ist wie Aids. Er zerstört die Abwehrkräfte seiner Opfer.“ Das heißt, er lähmt sein Opfer, indem er es von dessen eigener Ohnmacht überzeugt.
Die größten Unternehmen an Rhein und Ruhr, die häufig auch die gewinnträchtigsten waren, verlagerten ihre Produktionsstätten ins Ausland. Gerhard Schröder verlor 2004 die Wahlen und das Kanzleramt.
Entfremdung ist ein sehr geheimnisvoller Prozess. Er führt dazu, dass Frauen und Männer freiwillig gegen ihre eigenen Interessen denken und handeln… sie ist die Hauptwaffe der Kapitalisten für die Beherrschung von Bewusstsein und Denken anderer Menschen…
[2] Jean Ziegler, Was ist so schlimm am Kapitalismus, S. 106, 1. Auflage, 2018 by Jean Ziegler, 2019 für die deutschsprachige Ausgabe by C. Bertelsmann Verlag, München
Diese Entfremdung der Menschen, die durch den Neoliberalismus Jahrzehnte lang weltweit stattgefunden hat, führte offensichtlich zu einem Vertrauensverlust der Wählerinnen und Wähler in die gewählten Volksvertreter. Die AfD in Deutschland nutzte und nutzt diesen Vertrauensverlust gegenüber den Politikern rigeros.
Die SPD besonders und auch CDU/CSU leiden extrem in diesem Prozess. Dieser Vertrauensverlust wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt die vielen Parteivorsitzenden, die die SPD in den vergangenen Jahrzehnten verschlissen hat. Trotzdem geht das Siechtum der SPD weiter. Sie suchen mal wieder einen neuen Parteivorsitzenden/-vorsitzende nachdem auch Andrea Nahles den Kampf gegen die Linken in der SPD aufgegeben hat.
Die Frage ist, warum handelten die etablierten Parteien nicht weiter pragmatisch? Warum wurde der arrogante Liberalismus das Hauptcredo fast aller Parteien? Wahrscheinlich war der Wähler selber, der diesen einforderte.
Paul Collier [1] stellt fest:
Der Pragmatismus fordert Menschen auf, herauszufinden, was die beste Lösung in einer gegebenen Situation ist, indem sie auf die besonderen Umstände achten, um mithilfe praktischer Vernunft zu beurteilen, ob vorgeschlagene Lösungen tatsächlich etwas taugen.
Gut informierte Wähler sind das höchste öffentliche Gut, und wie bei allen öffentlichen Gütern hat jeder Einzelne kaum Anreize, es bereitzustellen.
Der Pragmatismus hat zwei Feinde: Ideologien und Populismus, und beide ergriffen ihre Chance. Die Ideologien der Linken und der Rechten behaupten, dass Kontext, Besonnenheit und praktische Vernunft durch eine Allzweckanalyse umgangen werden könnten, die Wahrheiten ausstößt, die für sämtliche Kontexte und alle Zeiten gelten. Der Populismus bietet eine andere Abkürzung an: charismatische Persönlichkeiten, die so offensichtliche Lösungsansätze präsentieren, dass sie unmittelbar verständlich sind. Oftmals verschmolzen Ideologien und Populismus, wurden so noch wirkungsmächtiger: ehedem diskreditierte Ideologien, die durch leidenschaftliche, verlockende neue Heilmittel hausieren gehende Anführer aufgemöbelt wurden. Heil den Vorboten: Bernie Sanders, Jeremy Corbin und Jean-Luc Mélenchon von der radikalen Linken; Marine Le Pen und Norbert Hofer von den Nativisten; Nigel Farage, Alex Salmond und Charles Puigdemont von den Sezessionisten; und Beppo Grillo und Donald Trump aus der Welt der prominenten Unterhaltungskünstler.
Gegenwärtig wird das politische Schlachtfeld anscheinend von beunruhigten, aufgebrachten utilitaristischen und rawlsianischen Avantgarden beherrscht, die von populistischen Ideologen angegriffen werden.
Damit scheint ein politisches Desaster vorprogrammiert. Um es abzuwenden, bedarf es eines grundlegenden Wandels, der nur dadurch zustande kommen kann, dass wir unsere Politik mit einem anderen ethischen Diskurs verbinden.
[1] Paul Collier, Sozialer Kapitalismus, Kapitel 10, S. 276ff, Erste Auflage, 2018 by Paul Collier, 2019 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München
Besonders wichtig ist, die Stabilisierung des Systems Deutschland aufrecht zu erhalten. In dieser Auseinandersetzung ist wesentlich, dass die Volksparteien wieder in Richtung Mitte rücken sollten. Eine weitere Voraussetzung für einen notwendigen Pragmatismus in der Politik wäre die Änderung der Regeln für die Wahl der Parteivorsitzenden, die weit demokratischer wären als die gegenwärtigen Vorschriften.
Collier fordert: Am einfachsten wäre es, nur die gewählten Abgeordneten der Partei den Parteivorsitzenden bestimmen zu lassen. Gewählte Vertreter haben zwei Eigenschaften, die dafür sorgen, dass sie besser geeignet sind, einen Vorsitzenden auszuwählen, als die Parteimitglieder. Zum einen sind sie daran interessiert, eine größere Gruppe von Wählern anzusprechen; das lässt sie zu gemäßigten Kandidaten tendieren. Zweitens lassen sie sich als Insider nicht so leicht von ausgebufften Tricks, wie sie medienerfahrene Prominente beherrschen, ins Bockshorn jagen: Sie sind wohlinformierte Wähler.
Gewählte Vertreter haben eine größere demokratische Legitimation als Parteimitglieder; insgesamt repräsentieren sie viel mehr Anhänger der Partei als die Zahl in den offiziellen Mitgliederverzeichnissen.
Da der durchschnittliche Wähler kaum etwas über die Kandidaten weiß, neigt er charismatischen Populisten zu.
Sollte eine Reform der Statuten über die Wahl des Parteivorsitzenden nicht möglich sein, ist die beste Alternative vermutlich ein Wahlsystem, das bis zu einem gewissen Grad auf dem Verhältniswahlrecht basiert. Dieses hat Nachteile, aber immerhin halten Koalitionen Parteien davon ab, ideologische Programme umzusetzen, und sie fördern einen Pragmatismus, der sich an dem orientiert, was sich praktisch bewährt hat.
[1] Paul Collier, Sozialer Kapitalismus, Kapitel 10, S. 281ff, Erste Auflage, 2018 by Paul Collier, 2019 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München
Nach den schlimmen Erfahrungen der SPD mit ihren Parteivorsitzenden in der Vergangenheit, versucht sie nun per Regionalkonferenzen und Mitgliedervotum eine neue Doppelspitze für den neuen Parteivorsitz zu finden. Es gibt eine reichliche Anzahl von Bewerbern für den Parteivorsitz. Die SPD macht also genau das Gegenteil bei der Wahl des Parteivorsitzenden, wie Collier vorschlägt. Die SPD geht nicht nach sachlichen Kriterien vor, sondern bestimmt die neue Parteispitze nach statistischen Verfahren. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. In der Vergangenheit wählte das Präsidium ihren Vorsitzenden; bzw. der Kanzler hatte auch meistens den Parteivorsitz inne. Sollte dieses nach statistischen Regeln durchgeführte Wahlverfahren scheitern, wird es schwierig für die Partei und damit auch für den Erhalt der Regierungsmacht.
Migration, Chance oder Sicherheitsrisiko?
Jede einzelne Auswanderung ist ein Triumph des menschlichen Geistes, des Mutes und des Erfindungsreichtums, die nötig sind, um die von ängstlichen Reichen errichteten bürokratischen Barrieren zu überwinden.
Doch die Migration kann man auch als selbstsüchtig bezeichnen, denn wenn Arbeiter denjenigen den Rücken zuwenden, die von ihnen abhängig sind, und die Tatkräftigen die Schwächeren ihrem Schicksal überlassen, dann ignorieren sie die Verantwortung für andere, die unter noch verzweifelteren Umständen leben.
[1J Paul Collier, EXODUS Warum wir Einwanderung neu regeln müssen, S. 17, S. 286, Zweite Auflage, Oktober 2014, Siedler Verlag, München
Einwanderung kann also für das Aufnahmeland sinnvoll sein und für die Herkunftsländer ein Verlust.
Die Aufnahmeländer müssen allerdings aufpassen, dass der Anteil der Zugewanderten geregelt wird und das jeweils bestehende politische, wirtschaftliche, soziale System nicht destabilisiert werden könnte.
In Deutschland lebten im Jahre 2015 13,3 Prozent (OECD) im Ausland Geborene, in den Vereinigten Staaten von Amerika waren es 13,44 Prozent und im Vereinigten Königreich 13,3 Prozent. Die Schweiz war 2015 Spitzenreiter, denn sie beherbergte 27,9 Prozent, gefolgt von
Österreich mit 18,2 Prozent und Irland mit 16,9 Prozent.
Diese Lage beunruhigt viele konservativen Wählerinnen und Wähler. Sie befürchten, dass dieser relativ hohe Anteil an Migranten nicht assimiliert und in die Gesellschaft integriert werden könnte. Die sich seit 2015 verstärkte „Identitätspolitik“ verdrängt die vielen anderen wichtigen Tagesthemen von der politischen Agenda.
Die Zunahme der „Identitätspolitik“ in modernen liberalen Demokratien ist eine ihrer Hauptbedrohungen. Wenn es uns nicht gelingt, zu einem universalen Verständnis der menschlichen Würde zurückzukehren, werden wir zu ständigen Konflikten verurteilt sein.
[2 J Francis Fukuyama, Identität Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet, S. 17, I. Auflage 2019, Hoffmann und Kampe Verlag, Hamburg
Die folgende Frage stellt sich: Ist die jeweilige Identität eines Volkes heutzutage noch zielführend, um wirtschaftspolitisch, sozialpolitisch und machtpolitisch in einer globalisierten Welt bestehen zu können?
Möglicherweise ist ja der Begriff der „Identität“ selbst ein ungerechtfertigt positiv besetztes, hoffnungslos obsoletes Trugbild, bestenfalls relevant für die Alten, Schwachen, Zurückgebliebenen. Die globale Elite der Kosmopoliten – ganz gleich, ob ihre Mitglieder aus New York City, Paris oder Bangalore stammen – braucht so etwas wie „unverwechselbare Selbstheit“ längst nicht mehr.
Wie aber steht es heute um die reale „Umweltmigration„? Eine deprimierende Illustration der wirren Gesamtsituation liefert das Schicksal der haitianischen Auswanderer.
Eine britischen Studie betont, dass der Migrationsbedarf mit fortschreitendem Klimawandel deutlich steigen wird, dass aber nicht alle in der wachsenden Masse der Betroffenen sich fortbewegen könnte – und wenn ja, dann möglicherweise in die falsche Richtung!
Die Militärs und Geheimdienste in aller Welt machen sich ohnehin schon längst Sorgen über die möglicherweise unvorhersehbaren Folgen von Klimaveränderungen für die heilige Kuh des Staatlichen schlechthin: die nationale Sicherheit. Gerade aus Amerika kommen in jüngster Zeit Aussagen wie „Der Klimawandel wird die Fähigkeit des Verteidigungsministeriums beeinträchtigen, die Nation zu verteidigen, und stellt ein unmittelbares Risiko für die nationale Sicherheit der USA dar“ (US Department of Defense, 2014) und „Der Klimawandel ist eine unmittelbare und wachsende Bedrohung für unsere nationale Sicherheit. Er trägt zu größeren Naturkatastrophen, Flüchtlingsströmen und Konflikten um Basisressourcen wie Nahrungsmittel und Wasser bei“ (White House, 2015).
Wie ernst auch diese Entscheidungsträger den potenziellen Zusammenhang zwischen Klima und Konflikt nehmen, demonstriert ein multinationaler Bericht, den die wichtigsten westlichen Wirtschaftsmächte zur Vorbereitung des G7-Gipfels 2015 in Deutschland vorlegten (Rüttinger u.a. 2015). Dieser Report beginnt mit folgenden Sätzen: „Der Klimawandel ist eine globale Bedrohung für die Sicherheit im 21. Jahrhundert„.
[3 J Hans Joachim Schellnhuber; SELBSTVERBRENNUNG Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff, S. 671, S. 677, S.682, S. 688/89, 1. Auflage, C. Bertelsmann Verlag, München
Es zeigt sich also das die Massenmigration vielfaltig ist. Sie wird in der Regel durch Katastrophen und Krisen ausgelöst. Allerdings stellt Paul Collier [4] fest:
Internationale Massenmigration ist die Folge extremer globaler Ungleichheit. Wie nie zuvor sind sich junge Menschen in den ärmsten Ländern bewusst, welche Chancen sich ihnen anderswo bieten. Die Ungleichheit ist in den letzten zwei Jahrhunderten entstanden und wird im kommenden Jahrhundert beseitigt werden. Heute schließen die meisten Entwicklungsländer rasch zu den einkommensstarken Ländern auf. Diese Annäherung ist die große Geschichte unserer Zeit. Massenrnigration ist daher kein dauerhaftes Merkmal der Globalisierung. Ganz im Gegenteil ist sie eine vorübergehende Reaktion auf eine hässliche Phase, in welcher der Wohlstand noch nicht globalisiert ist. In hundert Jahren wird sich die Welt in Bezug auf Handel, Informationen und Finanzen noch stärker integriert sein als heute, während die Nettomigration deutlich geringer sein wird.
[4J Paul Collier, EXODUS Warum wir Einwanderung neu regeln müssen, S. 286, Zweite Auflage, Oktober 2014, Siedler Verlag, München
Es sind also durchaus Chancen für Migranten vorhanden und für die heimische Wirtschaft in den Aufnahmeländern sichtbar. Allerdings darf die Migration einen wohl definierten Schwellwert (Eine Obergrenze, die passend für unsere Gesellschaft definiert werden muss!) nicht überschreiten. Die Größe der Auslandsgemeinde muss sich in einem ausgewogenen Gleichgewicht mit der jeweiligen Migrationsrate befinden, damit die sozialen Kosten nicht ausufern. Das Paket der Obergrenze sollte durch Auswahl, Integration und Legalisierung definiert werden.
Übersteigt die Migrationsrate den wohldefinierten Schwellwert bedeutsam und unkontrolliert, ist die nationale Sicherheit gefährdet. Die Aggression und Gewalt steigt und könnte zum Bürgerkrieg führen.
Daher ist auch bedeutsam, dass die Klimamigration durch zweckmäßige Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung auf ein zulässiges Maß begrenzt wird. Sonst würde eine große humanitäre Krise vorprogrammiert werden, die sich nicht zuletzt in Konflikten bis hin zum Bürgerkrieg entladen könnte, stellt Schellnhuber[3] fest.
Klimawandel und nun?
Der Klimawandel ist unbestreitbar vorhanden. Erkennbar sind die Folgen der Veränderung der klimatischen Verhältnisse in den letzten 10 Jahren besonders deutlich hervor getreten. Naturkatastrophen, auslöst durch Starkregen, Dürren ausgelöst durch extreme Erwärmung sowie Erwärmung der Meere durch Abschmelzen der Polkappen, belegen, dass sich die Welt klimatisch in einem bedrohlichen Anpassungsprozess befindet.
Zur Lösung des Problems schreibt Christopher Clark [1]:
Die Simultanität der zeitlichen Ungewissheit in der liberal-demokratischen und in der linken Politik ist bezeichnend. Sie spiegelt womöglich eine latente Ko-Abhängigkeit zwischen den beiden wider, in dem Sinn, dass der Niedergang des sozialistischen Erwartungshorizont zwangsläufig den Kollaps der liberalen Hoffnung nach sich zog – das ist die tiefere Bedeutung, die Perry Anderson in Fukuyamas berühmten Essay erkannte. Aber es kann unsere Aufmerksamkeit auch auf jene historischen Zwänge lenken, die die Linke ebenso wie die Rechte unter Druck setzen und Notlagen entstehen lassen, für die keiner von beiden geeignet scheint, eine Lösung zu finden.
Amitav Gosh [2] denkt über die Auswirkung des Klimawandels auf das Zeitbewusstsein nach und gibt zu verstehen, dass die wahre Bedeutung der ökologischen Bedrohung, mit der wir heute konfrontiert sind, in ihrer kumulativen und endgültigen Qualität liegt.
Die Ereignisse, die vom heute stattfindenden Klimawandel hervorgerufen werden, repräsentieren also die Gesamtheit allen menschlichen Handelns zu allen Zeiten und somit zugleich den Endpunkt der Geschichte. Denn wenn die Gesamtheit unserer Vergangenheit in unserer Gegenwart enthalten ist, dann ist Temporalität ihrer ureigenen Bedeutung beraubt.
Hans Joachim Schellnhuber [3] untermauert diese Feststellungen und stellt eine Vielzahl wissenschaftlich belegte Daten dem Leser zur Verfügung.
Welche enormen Schäden an Leib und Leben die entsprechenden Extremereignisse anrichten können, weiß niemand besser als die Fachleute von der GeoRisiko-Forschung der „Munich Re“ (früherer Name: Münchener Rückversicherung), der größten Rückversicherungsgesellschaft der Welt.
Ihre Datensätze und Ursachenanalysen liefern nicht nur Hinweise für Versicherungs- und Investionsentscheidungen der Munich Re in Millardenhöhe (etwa im Zusammenhang mit dem brasilianischen Gigawatt-Wasserkraftwerkprojekt Belo Monte), sondern stellen auch wertvolle Orientierungshilfen für die internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik dar.
Besonders brisant ist dabei die Frage, wer wo auf der Welt am stärksten unter den physischen und materiellen Wirkungen von Wetterextremen leidet beziehungsweise in Zukunft leiden wird.
Laut IPCC-SREX (2012) ereigneten sich 95 Prozent der Verluste an Menschenleben im Zeitraum von 1970 bis 2008 in den sogenannten Entwicklungsländern.
Umgekehrt – so jedenfalls die Desasterfolklore – fallen in den hochindustrialisierten Ländern die Löwenanteile an Vermögensverlusten an und praktisch die Gesamtheit aller versicherten Schäden.
Wesentlich interessanter ist es, einen Blick auf Verteilung und Charakter der wirtschaftlichen Schäden unabhängig von ihrem Versicherungsstatus zu werfen. Dafür eigent sich die Wohlstandsklassifizierung, welche die Weltbank für die Staaten der Erde eingeführt hat und die von den Risikoforschern der Munich Re übernommen worden ist.
Dieses Schema unterscheidet vier Einkommensgruppen, wobei das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in der ersten Gruppe (USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Australien usw.) über 12 000 US-Dollar liegt. Diese Nenngröße rangiert in der zweiten Gruppe (Brasilien, Mexico, Südafrika, Russland, China, Iran usw.) zwischen 4 000 und 12 000 US-Dollar, in der dritten Gruppe (Bolvien, Ägypten, Ukraine, Indien, Papua-Neuguinea etc.) zwischen etwa 1 000 und 4 000 US-Dollar. In der vierten und ärmsten Gruppe (Haiti, Ruanda, Kongo, Äthiopien, Afghanistan, Bangladesch usw.) müssen die Menschen im Durchschnitt mit weniger als 1 000 US-Dollar ein ganzes Jahr auskommen.
Wie die Tabellen der Rückversicherer tatsächlich ausweisen (Beilharz und Seifert 2012), entfielen auf die reichsten Länder der ersten Gruppe in den letzten drei Jahrzehnten zwei Drittel der weltweiten Gesamtschäden durch Naturkatastrophen.
Der extreme Klimawandel ist offenbar nur noch aufhaltbar, wenn die zunehmende Erderwärmung um zwei Grad Celsius begrenzt wird, so die Klimaforscher! Die GeoRisiko-Forschung der Munich RE hat die zu erwartende Klimakatastrophe bereits in ihre Tabellen eingepreist, um die potentiellen, versicherten Vermögensschäden auffangen zu können. Damit wird indirekt signalisiert, dass auch die Munich Re von einem drohenden Klimawandel ausgehen, der durch die Zunahme der Erd- und Atmosphärenerwärmung verursacht wird.
Was hat diese Erwartungshaltung der Munich Re bezüglich der drohenden Klimaänderung sicherheitspolitisch zu bedeuten, wenn den Entwicklungsländern noch mehr Klimakatastrophen als bisher drohen und den Menschen dort die Lebensgrundlagen entzogen werden?
Amitav Gosh stellt fest, dass ein ganz entscheidender Faktor für die globale Klimapolitik die Rolle der Vereinigten Staaten, Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland (Five-Eyes-Allianz) sind. Diese sogenannte Anglosphäre betrachtet sich selbst als Grundfeste der gegenwärtigen globalen Sicherheitsarchitektur.
Widerstand gegen die Klimaforschung ist jedoch kein Selbstläufer, denn wie Oreskes, Conway und andere aufzeigten, wird er von den Konzernen und Energie-Milliardären initiiert, gefördert und finanziert.
Seltsamerweise unterscheidet sich das Bild völlig, wenn …, beispielsweise dem sicherheitspolitischen Establishment. Dort gibt es nämlich nicht die geringsten Anzeichen von Leugnung oder Verwirrung. Im Gegenteil, das Pentagon widmet dem Studium das Klimawandels mehr Ressourcen als jeder andere Zweig der US-Regierung. Wie der Schriftsteller und Klimaaktivist George Marshall feststellte, lässt sich
die rationalste und durchdachteste Reaktion auf die Ungewissheiten des Klimawandels unter Militärstrategen finden. […] General Chuck Wald, einstiger stellvertretender Oberbefehlshaber der amerikanischen Europa-Streitkräfte, formulierte es mit den Worten: „Es gibt ein Problem, und das Militär wird Teil der Lösung sein.“
Amitav Gosh weiter: Im Jahr 2013 erklärte General James Clapper, damals Director of National Intelligence und somit die höchste Instanz aller amerikanischen Geheimdienste, bei einer Anhörung vor dem Senat:
Extreme Wetterereignisse (Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen) werden zunehmend die Nahrungsmittel- und Energiemärkte stören, die Schwächen des Staates hervorbringen, zu Migrationen der Menschen führen und Unruhen, zivilen Ungehorsam und Vandalismus auslösen.
Die Position des britischen Miltärs ist ähnlich, so Amitav Gosh. Hier die Zusammenfassung aus dem Bericht eines australischen Think Tanks:
Von der Einbindung des Klimawandels in die nationale Planung bis hin zur Berufung hochrangiger militärischer Autoritäten als Richtliniengeber der Streitkräfte hinsichtlich des Klimawandels haben britische und die amerikanischen Regierung ihre Militärs angewiesen, sich zügig auf den Klimawandel und seine Folgen vorzubereiten.
Also, … „alles deutet darauf hin, dass ihre politischen Eliten und Sicherheitsstrukturen die jeweiligen Vorgehensweisen hinsichtlich des Klimawandels stillschweigend abgestimmt haben“, sagt Amitav Gosh.
Die globale Erwärmung ist nicht zuletzt deshalb so einzigartig, weil sie sowohl eine innerstaatliche als auch eine globale Krise darstellt.
Krisen können auch das Potential habe, neue Ideen zu entwickeln. Nur, bisher haben die großen Volksparteien CDU/CSU und SPD keine wegweisenden Antworten auf die innerstaatliche und globale Krise der globalen Erwärmung geben können. Diese Unfähigkeiten der großen Parteien lassen die linken und rechten Ränder unserer politischen Landschaft erstarken.
Allerdings haben Christopher Cark und Amitav Gosh ausführlich erläutert, dass auch diese linken und rechten Ränder keine wegweisenden, modernen Lösungen anzubieten haben: Beide Parteien AfD und Linke setzen auf vergangene Zeiten und dessen Lösungen.
Nationalstaatsmodelle sind lange überholt in unserer heutigen, stark vernetzten Wirtschaft- und Finanzwelt. Intelligente Lösungen, die den Menschen auch wirklich helfen, können eigentlich nur global erwachsen. Die Instrumente sind vorhanden, KI, Internet, Satellitentechnologien, globales Gesundheitswesen etc. Was fehlt ist ein einheitliches globales Steuersystem, dass Steuervermeidung und Steuerflucht verhindert. Dieser Effizienzgewinn kann dann u.a. in mobile Transportsysteme integriert werden, die nicht mehr auf die Verbrennung von fossilen Brennstoffen setzen. Denn diese tragen erheblich zur Erwärmung unserer Erde und Atmosphäre bei.
Verbrennung unserer Zukunft ist der falsche Weg.
[1] Christopher Clark, „Von Zeit und Macht Herrschaft und Geschichtsbild vom Großen Kurfürsten bis zu den Nationalsozialisten“, S. 244, 1. Auflage, 2018 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
[2] Amitav Ghosh, „Die grosse Verblendung Der Klimawandel als das Undenkbare“, S. 159, 185, 188, 189, 191, 1. Auflage 2017, 2017 Karl Blessing Verlag München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
[3] Hans Joachim Schellnhuber, „Selbstverbrennung Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“, S.144 ff, 3. Auflage, 2015 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Volksparteien, Garanten für die freiheitliche Grundordnung!
Die Wählerinnen und Wähler laufen den großen Volksparteien CDU/CSU und SPD davon und zersplittern damit diese. Die kleinen Parteien Grüne, FDP, Linke und AfD profitieren von diesem Trend. Dadurch ist u.a. die SPD zu einer Randgruppenpartei geworden, obwohl diese eigentlich eine große Arbeitnehmerpartei sein sollte. Diese Wählerwanderung hat bedauerlicherweise die AfD größer gemacht als die SPD. Weder der konservative Teil der SPD noch die konservative Union kann den Wähleranteil, der zur AFD gewandert ist in ihren Reihen binden. Warum ist das so? Was sind die Hauptursachen? Was können wir tun, damit dieses besorgte Wählerpotential von der AfD zurück zu den großen Volksparteien wandert?
Ein Rückblick auf die Redemokratisierung nach 1945 soll den Zusammenhang beleuchten, wie konservative Kräfte in Deutschland durchaus bereit sein können, um mit progressiven Kräften zusammen zu arbeiten.
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt [1] gehen detailliert auf diesen erfolgreichen Prozess ein:
…Und dort, wo sich eine konservative Partei erfolgreich reformiert, wirkt sie als Katalysator für die Wiedergeburt der Demokratie. Ein besonders dramatischer Fall war die Redemokratisierung Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Für diese Leistung verantwortlich war eine unterschätzte Entwicklung: der Neubau einer Mitte-Rechts-Partei, der Christlich Demokratischen Union (CDU), aus den Trümmern einer diskreditierten konservativen, rechtsgerichteten Tradition.
Vor den 1940er Jahren hatte es in Deutschland nie eine konservative Partei gegeben, die sowohl gut organisiert und bei Wahlen erfolgreich als auch gemäßigt und demokratisch war. Der deutsche Konservatismus litt stets unter Spaltungen und organisatorischer Schwäche. Insbesondere der emotional hoch aufgeladene Gegensatz von konservativen Protestanten und Katholiken schuf in der rechten Mitte ein Vakuum, dass extremistische und autoritäre Kräfte besetzen konnten. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit Hitlers Aufstieg an die Macht.
Nach 1945 formierte sich die rechte Mitte auf einer anderen Grundlage neu. Die CDU distanzierte sich von extremistischen und autoritären Kräften; ihre Gründer waren überwiegend konservative Politiker mit unangreifbarer antinazistischen Haltung wie Konrad Adenauer. In ihren Gründungserklärungen stellte die CDU klar, dass sie das vorangegangene Regime und alles, wofür es stand ablehnte. Wie radikal der Bruch war, deutete eine Äußerung von Andreas Hermes, dem Gründungsvorsitzenden der CDU in der Sowjetischen Besatzungszone, aus dem Jahr 1945 an: „Versunken ist eine alte Welt und eine neue wollen wir bauen…“ Die CDU entwarf für Deutschland ein klares Bild einer demokratischen Zukunft: „christliche “ Gesellschaft, die der Diktatur ablehnend gegenübersteht und auf Freiheit und Toleranz beruht.
Zudem verbreiterte und diversifizierte die CDU ihre Basis, indem sie sowohl Katholiken als auch Protestanten in die Partei aufnahm. Dies war eine Herausforderung, aber das Trauma der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkriegs brachte führende konservative, katholische wie protestantische Politiker dazu, ihre althergebrachten Differenzen, welche die deutsche Gesellschaft einst gespalten hatten, zu überwinden.“Das enge Miteinander von Katholiken und Evangelischen“, erklärte ein regionaler CDU-Politiker, „welches sich in den Zuchthäusern, Gefängnissen und KZs abspielte, beendete die alte Zwietracht und begann Brücken zu schlagen.“ Während frisch gebackene CDU-Politiker (katholische und protestantische) in den Gründungsjahren 1945/46 von Tür zu Tür gingen und mit Katholiken und Protestanten sprachen, schmiedeten sie eine neue Mitte-rechts-Partei, die die deutsche Gesellschaft umgestalten sollte. Die CDU wurde eine Säule der westdeutschen Nachkriegsdemokratie.
Leider ging der Union und der SPD in den letzten 13 Jahren der Amtszeit von Frau Dr. Angela Merkel ein großer Teil der konservativen Wählerinnen und Wähler an die AfD verloren. Die Ursache für dieses Phänomen ist gemäß einer Studie der Bertelsmann Stiftung u.a. auf die Bedrohungsängste, die im Rahmen der Globalisierung entstanden sind, zurück zu führen. Demnach antworteten 35 bis 55 Prozent der Europäer auf die Frage, ob die Globalisierung als Chance oder als Bedrohung wahrgenommen wird, mit letzterer Einschätzung (Timo Lochocki [2]). Hierbei liegt Deutschland mit ca. 45 Prozent Globalisierungsskeptikern noch im Lager der „globalisierungsfreundlichen“ Demokratien [2].
Timo Lochocki [2] stellt fest:
…In Deutschland scheiterten Rechtspopulisten vor allem daran, dass die CDU/CSU und die SPD vor der Flüchtlingskrise von 2015 in den wenigen leidenschaftlichen und öffentlich geführten Debatten über Identitätspolitik einen wirksamen Bürgerlichen Kompromiss schmiedeten…
…Entscheidend ist vielmehr, wann etablierte politische Kräfte (nicht die Populisten, die machen das sowieso immer) diese Fragen thematisieren und wie parteiinterne Mechanismen dann welchen Lösungsweg in den Vordergrund rücken…
…der CDU/CSU und vor allem ihren konservativen Kräften (und eventuell auch solchen in der SPD) kommt in den nächsten Jahren eine Schlüsselrolle zu…
…gänzlich unabhängig von den ökonomischen, wirtschaftlichen und vielleicht auch militärischen Folgen dieser konservativen Vorschläge wird sich daran die Zukunft der deutschen Volksparteien entscheiden…
Man sieht, dass in Zukunft mehr die Bedrohungsängste des konservativen Anteils der Wählerinnen und Wähler in der Politik berücksichtigt werden sollten. Insbesondere die progressiven Kräfte in der SPD müssen abweichen von ihren Forderungen mehr Randgruppen in der Politik zu berücksichtigen! Zur Zeit ist die die SPD nur noch eine Randgruppenpartei und keine Arbeitnehmerpartei mehr. Die SPD ist jedoch traditionell eine Arbeitnehmer und Aufsteigerpartei! Sie sollte die Bedrohungsängste und Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere des konservativen Anteils der Arbeitnehmer in Zukunft ernster nehmen, wenn sie als Volkspartei überleben möchte. Die Randgruppen müssen zukünftig zurückstehen, wobei sie nicht vergessen werden dürfen. Die Wahlen werden in der Mitte-Rechts gewonnen und nicht in den Randgruppen.
Damit das Sicherheitsbedürfnis des konservativen Anteils der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet wird, spricht viel für die folgende Option (Lochocki [2]):
…Deutschland muss sehr schnell sicherheits- und militärpolitisch erwachsen werden. Wir müssen in der Lage sein, das zu bewahren und zu schützen, was uns Sicherheit und Wohlstand schenkt: allem voran Europa, mit der Eurozone im Besonderen…
Hieraus folgt, dass im Idealfall die parteipolitische Kommunikation deutscher Identitätspolitik gemäß Lochocki [2] folgendermaßen durchgeführt werden sollte:
…Erstens, sie überzeugt globalisierungsskeptische deutsche Wähler, die mit der AfD sympathisieren; sie stärkt zweitens prodeutsche und proeuropäische Parteien in unseren Partnerstaaten; drittens, sie erlaubt eine langfristig angelegte, internationale Kooperation, um globalen Herausforderungen wirkungsvoll begegnen zu können…
Damit diese Forderungen erfüllt werden können, sind die großen Volksparteien CDU/CSU und SPD besonders gefordert. „Die CDU muss vermeiden, dass [solch] ein Cameron-Moment (BREXIT) in einigen Jahren in deutschen Geschichtsbüchern steht“.[2]
Auf die SPD kommt die schmerzhafte Aufgabe zu: Sie muss verhindern, den offenen Konflikt mit der CDU/CSU in identitätspolitischen Fragen zu suchen.
Timo Lochocki konsterniert:
…Die SPD muss die progressiven Pyrrhussiege ihrer europäischen Schwesterparteien die erheblich zum Aufstieg von Rechtspopulisten beitrugen, unbedingt vermeiden. Sie muss stattdessen darauf hinwirken, dass sozial- und wirtschaftspolitische Debatten wieder die nationale Agenda bestimmen. Denn gerade hier haben die Sozialdemokraten die besten Chancen…
…Die SPD darf natürlich weiterhin für die Interessen erwerbstätiger Frauen, Homosexueller und Mitbürger mit Migrationshintergrund eintreten. Aber sie muss darauf achten, dass dies nicht zum Leitnarrativ ihrer Politik wird. Denn diese Themen sind viel zu weit weg von den Alltagsproblemen der wahlentscheidenden Bevölkerungsschichten…
In den Fokus gehören also nicht die Themen Minderheitenschutz, Frauenrechte und eine progressive Weltordnung, sondern Arbeitnehmerschutz (Stärkung der Betriebs- und Personalräte), Wirtschafts- und Sozialstaatsreformen und lokale Daseinsvorsorge.
Lochocki stellt fest:“Die Studie Rückkehr zu den politisch Verlassenen von Johannes Hillje und dem Progressiven Zentrum liefert sehr bemerkenswerte Impulse“.
Lochocki weiter:
…Die SPD muss daher ihren progressiven Kräften nahebringen, dass es langfristig gerade in ihrem Interesse liegt, kurzfristig – also im Verlauf medienwirksamer parteipolitischer Konflikte über Identitätspolitik – zurückzustecken…
„Wenn die nächsten drei Jahre weder medienwirksame Bürgerliche Kompromisse in identitätspolitischen Fragen (Außen-, Europa- und Migrationspolitik) noch eine Polarisierung der Volksparteien in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen mit sich bringen, wird die AfD bald denselben destruktiven Einfluss haben wie Rechtspopulisten anderer Staaten“.
Ich denke, wir sollten zukünftig alle demokratischen Kräfte bündeln und alles tun, um die o.g. Forderungen auf Machbarkeit überprüfen und umsetzen. Die rechtspopulistische Partei AfD braucht niemand; sie wirkt nur destruktiv und liefert keine humanitären politischen Lösungen. Dieses ist unverantwortlich. Sie ist cleverer als es die NSDAP war! Denn sie tarnt sich mit Aussagen, dass sie dass Grundgesetz akzeptiert, will aber insgeheim die Zerstörung unseres bewährten, demokratischen Systems, belegt die Aussteigerin Franziska Schreiber [3] in ihrem neuen Buch.
[1] Steven Levitsky / Daniel Ziblatt, „Wie Demokratien Sterben“, 1. Auflage Mai 2018, Verlagsgruppe Random House FSC Noo1967, Deutsche Verlags-Anstalt, München
[2] Timo Lochocki, „Die Vertrauensformel“, Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018
[3]Franziska Schreiber, “ Inside AfD“, 2018 Europa Verlag GmbH & Co. KG, München
In welche Richtung steuert Deutschland?
Als ich jung war, lebte ich mit meinen Eltern, mit meinem Bruder und meiner Schwester in einem kleinen Haus am Mississipimeer.
Damals war ich glücklich. (Omar El Akkad)
Die Bundestagswahl im September 2017 führte zu einem deutlichen Machtverlust der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU/CSU). Weil sich die SPD aufgrund des schlechten Wahlergebnisses zunächst weigerte, in die sogenannte Große Koalition einzutreten, führte Merkel mit den Grünen und der FDP längere Zeit Koalitionsverhandlungen. Jedoch scheiterten auch diese Verhandlungen mit der FDP und den Grünen, weil der FDP-Chef Christian Lindner die Verhandlungen, wegen unüberbrückbarer Dissonanzen über unvereinbare Programmpunkte mit den der Grünen abbrach.
Eine Minderheitsregierung wollte Merkel nicht führen. Daher war der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gezwungen, die SPD wieder an den Koalitionstisch zu bringen, um Koalitionsverhandlungen mit der Union zu führen.
Diese Gespräche endeten nach harten Koaltionsverhandlungen mit der SPD in einen neuen Koalitionsvertrag. So konnte Merkel erst nach mehr als einem halben Jahr mit der SPD im März 2018 eine neue stabile Regierung bilden.
Wie konnte es zu diesem Machtverlust der alten „GroKo CDU/CSU und SPD“ kommen?
Es gibt Hinweise darauf, dass sich Russland auch in den deutschen Bundestagswahlkampf 2018 massiv mithilfe von 116.000 Twitter-Accounts eingemischt hat. Jonas Jonasson [2] schreibt in seinem Roman:
…klar war, dass Angela Merkel in Deutschland auf dem besten Weg war, die Wahl zu verlieren. Ein Sieg war ja kein Sieg, wenn man danach nicht ordentlich regieren konnte.
Zudem sagt Jonasson in seinem Buch:
…Alle behaupteten, Merkel würde die Bundestagswahl ganz klar gewinnen, der sozialdemokratische Kandidat sei viel zu schwach. Niemand wollte sehen,…, dass sich nämlich die Sozialdemokraten weigern würden, in Merkels Regierung zu sitzen, wenn sie bei der Wahl schlecht abschnitten, denn alles andere wäre politischer Selbstmord. Die russische Taktik bestand darin, die Schwachen noch weiter zu schwächen, in Verbindung mit heimlichen Parteispenden an die AfD.
…Das Letzte, was Russland gebrauchen konnte, war nämlich diese hoffnungslos starke alte Dame in Berlin.
Wie man sieht wurde die „starke alte Dame in Berlin“ erheblich geschwächt, sonst hätte die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2017 nicht so quälend lange von September 2017 bis März 2018 gedauert.
Die Merkel-Politik der Union gemeinsam mit der SPD verursachte u.a., dass die Asyl-/Migrantenproblematik gescheitert ist. Zum Scheitern trug vor allem bei, dass im Sommer 2015 ungeregelte Migrantenströme nach Deutschland einwanderten. Hinzu kam, dass die progressiven Belange der GroKo (Union/SPD) zu stark berücksichtigt wurden und die konservativen Belange der Union und der SPD von ca. 47 Prozent der Wählerinnen und Wähler unberücksichtigt blieben. Besonders die konservative Bevölkerungsstimmung hinsichtlich der inneren Sicherheit wurde negativ, nachhaltig verstärkt.
Im Ergebnis wanderten viele Wählerinnen und Wähler von Union und SPD zur AfD. Dieser Anteil der Wählerinnen und Wähler führte zu 12,6 Prozent der AfD bei der letzten Bundestagswahl. Mittlerweile ist die AfD in allen Landtagen und dem Bundestag vertreten. Die AfD spiegelt die Sorgen vieler konservativen Bürgerinnen und Bürger wieder.
Timo Lochocki [3] stellt fest:
Viele AfD-Wähler wenden sich von den Volksparteien ab, weil sie ihnen nicht mehr zutrauen, auf ihre Sorgen vor Identitäts- und Kontrollverlust zu reagieren. Sie sehen die Volksparteien vielmehr als Auslöser der Prozesse, die ihnen Sorgen bereiten – steigende Zuwanderung, zunehmende Pluralität, wachsende internationale Vernetzung. Die rechtspopulistische AfD ist somit Symptom und ein Katalysator für die Entfremdung vieler Wähler von den Volksparteien und von der parlamentarischen Demokratie. In diesem Vertrauensverlust besteht für die demokratischen Kräfte dieses Landes die eigentliche Herausforderung, auch wenn der Rechtspopulismus in Gestalt der 12,6 Prozent AfD-Wähler vorerst noch vergleichsweise harmlos daherkommen mag.
Mittlerweile hat die AfD mit ca. 16 Prozent gemäß den aktuellen Umfragen die SPD, 14 Prozent, überholt. Sie ist damit stärkste Oppositionkraft im Deutschen Bundestag und kann die Themensetzung erheblich mitbestimmen!
Allerdings entpuppt sich die AfD immer mehr als rechtsradikale Partei, die sich mit rechtsradikalen Verbindungen immer stärker vernetzt, stellt die Aussteigerin und Buchautorin Franziska Schreiber [4] fest:
… Der AfD kann aufgrund des Programms niemand vorwerfen, verfassungsfeindlich zu sein. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist demnach auch für die AfD Grundlage des deutschen Staates.
Aber das Mitte 2016 verabschiedete Programm ist mittlerweile nicht mehr als ein Werbeplakat. Die wahren Absichten der heutigen Parteimitglieder werden von den schriftlich niedergelegten Zielen verdeckt, auf die man sich bei einem Parteitag einigte, als die Liberalen knapp in der Mehrheit waren. Das Programm der AfD camoufliert die waren Ziele der Parteirechten, der heutigen Mehrheit. Es spiegelt das Stimmungsbild bei der Mehrheit der Partei nicht mehr wider.
Es bleibt festzustellen, dass die Ziele der AfD zumindest stark der Demokratie schaden könnten bzw. die Demokratie und somit unsere Pluralität sowie unseren Parlamentarismus zerstören könnten.
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt [5] stellen in vier Hauptindikatoren autoritären Verhaltens in den Fokus:
1. Ablehnung demokratischer Spielregeln (oder schwache Zustimmung zu ihnen)
Wird die Verfassung abgelehnt oder die Bereitschaft ausgedrückt, sie zu missachten?…
2. Leugnung der Legitimität politischer Gegner
Werden politische Gegner als Staatsfeinde oder Gegner der bestehenden Ordnung diskreditiert?…
Wird behauptet, politische Gegner stellten eine existentielle Bedrohung der nationalen Sicherheit oder der vorherrschenden Lebensweise dar?…
3. Tolerierung von oder Ermutigung zu Gewalt
Gibt es Verbindungen zu bewaffneten Banden, paramilitärischen Gruppen, Milizen, Guerillas oder anderen Organisationen, die unzulässige Gewalt anwenden?…
Wird die Gewaltanwendung von Anhängern stillschweigend gebilligt, indem keine eindeutige Verurteilung und Bestrafung stattfindet?…
4. Bereitschaft, die bürgerlichen Freiheiten von Opponenten, einschließlich der Medien zu beschneiden
Werden Kritikern in konkurrierenden Parteien, in der Zivilgesellschaft oder den Medien rechtliche Schritte oder andere Maßnahmen angedroht?…
Wir müssen also aufpassen, dass solche Tendenzen frühzeitig erkannt werden und dagegen vorgegangen wird.
Wie konnte der Aufstieg der AfD diese Formen annehmen?
Timo Lochocki [3] ist aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit zu folgendem Ergebnis gekommen:
…Der Aufstieg der AfD hat zu großen Teilen eine missglückte öffentliche Kommunikation von CDU/CSU und SPD in der Flüchtlingspoltik ab 2015 zur Ursache. Das Migrationsthema ist neben Außen- und Europafragen der wichtigste Themenkomplex der sogenannten Identitätspolitik, an deren medienwirksamer Kommunikation sich die Zukunft der Volksparteien entscheiden wird…
Timo Lochocki [3] sieht starken Handlungsbedarf im konservativen Bereich:
…Wir brauchen [stattdessen] mehr Ideen, Organisationen und vor allem medienwirksame Debatten, die die Gemeinsamkeiten aller betonen, die in Deutschland leben. Sich allein für spaltende Konzepte wie Multikulturalismus oder Assimilation einzusetzen, ist daher kontraproduktiv…
…Die Ausstattung der Sicherheitsbehörden und aller staatlichen Organe muss einen robusten Rahmen für dieses gedeihliche Zusammenleben setzen…
…Hieraus folgt, dass Justiz, Polizei, Bundesgrenzschutz und verwandte Organisationen personell deutlich gestärkt werden müssen, um ihren gewachsenen Aufgaben in einer pluralen Gesellschaft nachzukommen. Dieses Land braucht deutlich mehr Polizisten, mehr Staatsanwälte und mehr Richter…
Es bedarf also einer kohärenten Flüchtlingspolitik an den europäischen Außengrenzen, die humanitäre, wirtschaftliche und geopolitische Anliegen vereint. Dazu notwendig sind ein militärisch-polizeilicher Schutz der EU-Außengrenzen und eine funktionierende Asyl-Bürokratie innerhalb der EU und in den EU-Partnerstaaten…
…Die deutschen Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr müssen daher vor allem in die Lage versetzt werden, eine noch stärkere mit wichtigen Partnerstaaten einzugehen. Und zweitens müssen sie so ausgestattet werden, dass sie die deutsche und europäische Sicherheit notfalls mit (quasi-)militärischen Mitteln verteidigen können. Unsere neuen (alten) geopolitischen Rivalen heißen Russland und China…
…Wenn wir also das liberale Deutschland erhalten wollen, brauchen wir empathische Gesprächsangebote an Globalisierungsskeptiker, eine massive personelle Aufrüstung von Polizei und Justiz, begrenzte und kontrollierte Zuwanderung, klar gesicherte EU-Außengrenzen und ein schlagkräftiges gesamteuropäisches Militär und Geheimdienste, die es mit Russland und China aufnehmen können…
Die Volksparteien müssen also in den nächsten drei Jahren bis zur Bundestagswahl alles tun, um diese o.g. Forderungen von Lochocki zu erfüllen, um das Vertrauen und Sicherheitsbedürfnis der konservativen Bürger wieder zurück zugewinnen.
[1] Omar El Akkad, Roman, „American War“, 2. Auflage August 2017, 2017 Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
[2] Jonas Jonasson, Roman, „Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“, 1. Auflage, 2018 bei C. Bertelsmann, München
[3] Timo Lochocki, „Die Vertrauensformel“, Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018
[4]Franziska Schreiber, “ Inside AfD“, 2018 Europa Verlag GmbH & Co. KG, München
[5] Steven Levitsky / Daniel Ziblatt, „Wie Demokratien Sterben“, 1. Auflage Mai 2018, Verlagsgruppe Random House FSC Noo1967, Deutsche Verlags-Anstalt, München
Demokratische Systeme sichern den Frieden!
Das Demokratische Entscheidungssystem ist u.a. durch Trägheit und Risikoscheu geprägt. Es verhindert zur Zeit noch am Besten den Ausbruch von Kriegen. Diese Demokratische Kultur ist die Norm zur gewaltlosen Konfliktbearbeitung und garantiert primär bis jetzt den Frieden. Die Werte sind: Sicherheit, Wohlfahrt und Freiheit [0].
Jede Demokratie hat eigene Gesetzmäßigkeiten. Die Grundlage der deutschen Demokratie ist das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 in Kraft gesetzt worden ist.
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt [1] stellen in ihrem Buch WIE DEMOKRATIEN STERBEN fest:
Tatsächlich ist unser verfassungsmäßiges System der Gewaltenteilung und gegenseitiger Kontrolle dafür gedacht, Politiker daran zu hindern, die Macht zu konzentrieren und zu missbrauchen.
Selbst gut durchdachte Verfassungen versagen manchmal. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 war von einigen der besten Rechtsgelehrten des Landes verfasst worden. Nach Ansicht vieler genügte der in ihr festgeschriebene, traditionsreiche und hochgeachtete Rechtsstaat, um Machtmissbrauch zu verhindern. Aber sowohl die Verfassung als auch der Rechtsstaat brachen nach Hitlers Machtübernahme im Jahre 1933 rasch zusammen.
Selbst gut durchdachte Verfassungen können den Fortbestand der Demokratie nicht allein gewährleisten. Zunächst einmal sind Verfassungen stets unvollständig. Wie jedes Regelwerk enthalten sie zahlreiche Lücken und Zweideutigkeiten.
Aufgrund der in allen Rechtssystemen enthaltenen Lücken und Zweideutigkeiten darf man sich beim Schutz der Demokratie gegen Möchtegern-Autokraten nicht allein auf die Verfassung verlassen.
Laut den Verfassungsrechtlern Aziz Huq und Tom Ginsburg verhindert nur das „feine Gewebe der Konventionen“, dass amerikanische Präsidenten die Schiedsrichter gleichschalten und gegen Opponenten einsetzen.
Alle erfolgreichen Demokratien stützen sich auf informelle Regeln, die zwar nicht in der Verfassung festgeschrieben sind, aber weithin bekannt sind und beachtet werden.
Diese Regeln und Normen dienen als „weiche“ Leitplanken der Demokratie, indem sie verhindern, dass die alltägliche politische Auseinandersetzung in einen Konflikt ausartet, in dem keine Rücksicht auf Verluste genommen wird.
Normen sind mehr als persönliche Einstellungen. Sie verlassen sich nicht einfach auf den guten Charakter politischer Führer, sondern sind Verhaltenskodizes, die in der jeweiligen Gemeinschaft oder Gesellschaft allgemein bekannt sind und von ihren Mitgliedern akzeptiert, respektiert und durchgesetzt werden.
Aber zwei Normen sind für das Funktionieren einer Demokratie besonders wichtig: gegeneseitige Achtung und institutionelle Zurückhaltung.
Zurückhaltend zu sein bedeutet, geduldig, selbstbeherrscht, nachsichtig und tolerant zu sein. In diesem Zusammenhang kann man sich institutionelle Zurückhaltung als Unterlassen von Handlungen vorstellen, die zwar den Buchstaben der Gesetze genügen, ihren Geist aner offensichtlich verletzen. Wo die Norm der Zurückhaltung stark ist, nutzen Politiker, auch wenn es ihnen von Rechts wegen erlaubt wäre, ihre institutionelle Vorrechte nicht in vollem Umfang, weil dies das vorhandene System gefährden würde.
Die AfD hat sich von diesen Grundsätzen, Regeln und Normen verabschiedet. Daher darf man die AfD als rechtsextrem bezeichnen, stellte kürzlich das Bundesverfassungsgericht fest.
Die Aussteigerin Franziska Schreiber [2] beschreibt in ihrem Buch „Inside AfD“ Tabubrüche durch die AfD.
U.a. in den ersten Kapiteln geht sie ausführlich auf die Tabubrüche der AfD ein. Sie beschreibt aus eigener Erfahrung als Vorsitzende der Jungen Alternative: „die grenzenlose Toleranz für grenzwertige Äußerungen und wie die AfD nach rechts rutschte“. Zudem beschreibt sie im Kapitel: „Propaganda der Tat: Wie wir das Bedrohungsgefühl der Menschen stärkten“.
Weiterhin stellt Schreiber in dem Kapitel: „Der Basisflüsterer: Björn Höcke ist nicht allein“ ausführlich die Regel- und Normbrüche dar: „Die AfD beerbt die NPD: Nun sind wir da, wir sind die neue Rechte“
Es ist klar zu erkennen, dass die AfD Regel- und Normbrüche im Rahmen ihrer Strategie nutzt, um zu alten Zöpfen zurückzukehren: Die Demokratie zu zerstören und zu Bedingungen der Kaiserzeit bzw. zum Preußentum zurück zu kehren. Schreiber ist der Auffassung:
Das Programm der AfD camoufliert die wahren Ziele der Parteirechten, der heutigen Mehrheit. Es spiegelt das Stimmungsbild bei der Mehrheit der Partei nicht mehr wider. Nach dem Erstarken des Flügels und dem Abgang vieler Liberaler waren in den Versammlungen zunehmend Widerspruch und Forderung nach härteren Vorgehen zu hören. Die Funktionäre beschwichtigten die Zornigen mit dem immer gleichen Verweis: Die geschichtliche Stunde ist noch nicht gekommen.
Es stellt sich die Frage, woher dieser ganze Hass und Unmut der AfD kommt? Auslöser ist m. E. die offizielle Verleugnung der positiven Leistungen und die fehlende Anerkennung der Kultur, Traditionen und wirtschaftlichen Erfolge des Deutschen Kaiserreiches und Preußens. Zudem wird fälschlicherweise Nazideutschland als eine politische Folge des Deutschen Kaiserreiches und Preußens von den Nachkriegshistorikern betrachtet.
Ehrhardt Bödeker [3] stellt in seinem Buch über Preußen ausführlich Fakten und Sachverhalte über den Erfolg Preußens anschaulich dar. Er beginnt mit dem Kapitel „Preußen und das Verbot der Erinnerung“!
Hier belegt er ausführlich, wie die heutige, öffentliche Meinung und Haltung von der sogenannten „Frankfurter Schule“ und der 68er-Bewegung geprägt worden ist. Weiterhin führt er aus:
Aus der Abneigung der englischen öffentlichen Meinung gegenüber Preußen, die eigentlich nur bis zum Beginn des Berliner Kongresses im Jahre 1878 zurückreicht, ergab sich fast zwangsläufig, daß Preußen als der Hauptverursacher des Nationalsozialismus umgedeutet und die von dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck herbeigeführte deutsche Einigung als Hauptübel und als entscheidende Ursache für das europäische Unglück ausgemacht wurde. „Preußen ist zum roten Tuch geworden“ (Friedländer, a.a.O. 1945). „Das große Alibi hieß Preußen, und der Nachweis, schon immer gegen Preußen gewesen zu sein, genügte häufig zur Glaubhaftmachung guter demokratischer Gesinnung“ (Friedrich Sieburg, 1954). So erklärt sich, daß Preußen mit einem Erinnerungsverbot (damnatio memmoriae) belegt wurde. Eine positive Rückbesinnung auf diese erstaunliche Staatsbildung war politisch nicht erwünscht. Sie war „politisch nicht korrekt“. Lediglich eine herabsetzende Darstellung oder, wie man später sagte, eine „kritische“ Darstellung der preußischen Geschichte wurde akzeptiert. Hieran hat sich bis heute wenig geändert, trotz der Preußenausstellung in Berlin (1981 uns 2001) und in Potsdam. Die zunehmend in geschichtlichen und journalistischen Darstellungen verwendete Bezeichnung Preußen-Deutschland war im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahrzehnten nicht mehr anerkennend gemeint, sondern dahinter verbarg sich die Absicht, Deutschland in seiner Gesamtheit im Sinne der negativen Bewertung Preußens zu diskriminieren. Es war die politisch gewollte Herabsetzung des gesamten Staates. Andererseits konnten die herausragenden Leistungen des preußischen Staates, wenn ein Historiker noch ernst genommen werden wollte, nicht vollständig übergangen werden. Um auch hierfür eine politisch annehmbare Lösung zu finden, sprach und spricht man im Zusammenhang mit Preußen von seiner Ambivalenz oder Janusköpfigkeit, so als wenn es irgendeinen Staat der Welt gäbe, der nicht ebenfalls anerkennenswerte und weniger anerkennenswerte Leistungen aufzuweisen hätte.
Mit dem Vorwurf englischer Historiker, deutschen Kritikern ermangele es an Kenntnissen der englischen Verhältnisse und der englischen Geschichte, wird die Einschätzung Georg Jellineks über die Arbeitsweise von Soziologen nachträglich bestätigt. Otto Hintze schreibt in seinem Aufsatz „Wesen und Wandlung des modernen Staats“ (1931): „Nur einzelne deutsche Territorialstaaten haben sich im Laufe der Zeit zu modernen Staaten entwickelt, namentlich Preußen. Aber das Endstadium des nationalen Staates konnten auch sie nicht erreichen, erst das Deutsche Reich Bismarcks war ein moderner Staat im vollen Sinne.“ Das entspricht allerdings nicht der Sichtweise moderner Historiker, die Deutschland als unmodern bezeichnen und in Preußen Militarismus, Rassismus, Autoritarismus und wirtschaftliche Ausbeutung als wichtigste Wegweiser der deutschen Tragödie erblicken.
Es stellt sich nun die Frage, ob das Deutsche Kaiserreich sowie Preußische System vorteilhaft für die Bürgerinnen und Bürger war?
Einem Staat wie dem des Deutschen Kaiserreichs, der mit durchschnittlich 2 % die geringste Arbeitslosigkeit in Europa aufzuweisen hatte, der in Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Rechtssicherheit eine Spitzenstellung im Weltvergleich einnahm, der Vorreiter der sozialen Absicherung und des betrieblichen Arbeitsschutzes für die arbeitenden Menschen war und der im 18. und 19. Jahrhundert an weniger kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen hat als die USA, England, Frankreich oder Russland, mangelnde Modernität vorzuwerfen, zeugt nicht von Urteilsfähigkeit.
Das Dreiklassenwahlrecht, das in Preußen und Sachsen bis 1914 Gültigkeit hatte, wurde in seiner Bedeutung von den Sozialdemokraten aus agitatorischen Gründen überbewertet, denn die wichtigen deutschen Gesetze wurden nicht in den preußischen und sächsischen Landtagen, sondern im Reichstag verabschiedet. Auf der anderen Seite erlebten Gemeinden und Städte in Deutschland eine starke politische Beteiligung der Bevölkerung, was den schon wiederholt erwähnten Staatsrechtslehrer Georg Jellinek veranlaßte, das englische „local government“ als überholt und nicht mehr effektiv zu bezeichnen. Es sei auf der Vorherrschaft der aristokratischen Gesellschaftsklasse aufgebaut und daher von der modernen Entwicklung überholt worden. Der Kreis der im „local government“ herrschenden Personen gehöre derselben nobility und gentry an, welche die Mitglieder beider Häuser des Parlaments umfasse. Die Selbstverwaltung der Gemeinde- und Städteverfassung in Deutschland hatte Vorbildcharakter, nicht nur in England, sondern mehr noch in den USA. Der Begriff der Selbstverwaltung wurde erstmals von Heinrich Matthias Zöpfl (1807 – 1877), Staatsrechtler in Würzburg, in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt.
Die These von dem unmittelbaren Zusammenhang der Strukturen des Deutschen Kaiserreichs mit dem Nationalsozialismus beruht auf [solchen] willkürlichen Behauptungen und Spekulationen, nicht auf Analysen, schon gar nicht auf Beweisen.
Die Männer des militärischen Widerstandes verübten das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 in der klaren Erkenntnis, daß ein Erfolg des Attentats keine Erleichterung für Deutschland mehr bringen würde. Oberst Graf Schenk von Stauffenberg und Genralmajor Henning von Tresckow waren sich trotzdem darin einig, dass Attentat unter allen Umständen durchzuführen. Denn die Welt müßte Kenntnis von der Existenz des deutschen Widerstandes erhalten. Es ginge um die Ehre der Deutschen Nation und in preußischer Tradition: „Nur um die Ehre“. Für die Ehre gaben die Männer des Aufstandes vom 20. Juli 1944 ihr Leben.
Generalmajor Henning von Tresckow, der Kopf des militärischen Widerstandes, sagte im Juli 1944, bevor er die Pistole auf sich selbst richtete: Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung das Leben hinzugeben.
Ehrhardt Bödeker [4] beschreibt in seinem Buch Die europäische Tragödie im Kapitel Deutschland, das führende Land in Europa:
Mit Zurückhaltung hat noch kein Land Märkte erschlossen, weder England noch die USA. Gerade die USA haben im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine erbarmungslose Aggressivität in ihrer inneren und äußeren Ausdehnung gezeigt, wie sie dieser Stärke vom Deutschen Reich weder gegenüber seiner Bevölkerung noch gegenüber seinen Nachbarn jemals angewendet worden ist. Mit der Reichseinheit 1871 sahen sich die Deutschen endlich am Ende einer Bahn angekommen, die von Kriegen, Verwüstungen und der Mißgunst seiner Nachbarn umsäumt war. Die Jungen lebten mit strotzendem Selbstbewußtsein, die Alten waren skeptisch und fürchteten, der Traum könnte sich wieder auflösen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auch u.a. zur deutschen Identität sowohl Kaiserreich und Preußen gehören. Die sogenannte „Umerziehung“ nach 1945 hat dazu geführt, dass traditionelle Werte der Deutschen Einheit fälschlicherweise bewusst von der sogenannten „Frankfurter Schule“ und der 68er Bewegung verschüttet worden sind. Es gilt sich auf die positiven Werte des Deutschen Kaiserreiches und Preußens zurück zu besinnen. Ein Erinnerungsverbot hat uns hier den falschen Weg gewiesen.
Die AfD versucht u.a. hier den Finger in die Wunde zu legen. Allerdings sind Methoden, die grenzenlose Toleranz für grenzwertige Äußerungen [2] nicht hilfreich. Zudem ist der schäbige Tabubruch hinsichtlich des militärischen Widerstandes von 1944 mit allen Mitteln der Politik zurückzuweisen.
[0] Frank Schimmelfennig, Internationale Politik, 2008 Verlag Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn
[1] Steven Levitsky / Daniel Ziblatt, WIE DEMOKRATIEN STERBEN Und was wir dagegen tun können, Aus dem Amerikanischen von Klaus-Dieter Schmidt, Deutsche Verlags-Anstalt, Verlagsgruppe Random House FSC N001967, 1. Auflage Mai 2018
[2] Franziska Schreiber, Inside AfD, Der Bericht einer Aussteigerin, Unter Mitarbeit von Peter Köpf, 2018 Europa Verlag GmbH & Co. KG, München
[3] Ehrhardt Bödeker, Preußen und die Wurzeln des Erfolgs, 4. durchgesehene Auflage 2008, 2004 Olzog Verlag GmbH, München
[4] Ehrhardt Bödeker, Die europäische Tragödie Drei Essays, 2. überarbeitete Auflage, 2006, 2006 Olzog Verlag GmbH, München
Hat die SPD die Kraft, die Zukunft der Mittelschicht zu gestalten?
Die SPD hat in Folge drei Wahlkämpfe (2009, 2013, 2017) nach 1998 verloren. Sie konnte die Mittelschicht nicht erreichen, so wie noch Gerhard Schröder 1998. Wie konnte das passieren?
Peer Steinbrück [1] analysiert messerscharf: Die Funktionäre und Mandatsträger der SPD setzen sich für Minderheiten ein, vergessen dabei aber die Mehrheiten der Mitte. Diese Funktionäre und Mandatsträger sind nicht in der Lage die Realitäten zu erkennen: Die Mitte erwartet „Innere Sicherheit und Ordnung“; die Funktionäre und Mandatsträger sehen jedoch eher die Rechte von Schwulen und Lesben im Vordergrund stehen, obwohl empirisch ermittelt wurde: …73 Prozent der Befragten [meinen], dass die Politik mehr tun müsse, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten… stellt Peer Steinbrück fest. Zudem konzidiert Steinbrück: …Am 24. September [2017] erhielten die großen Parteien die Quittung dafür, dass sie dem Thema Flüchtlinge, Zuwanderung und Integration auch im Kontext der inneren Sicherheit ausgewichen waren…
Als wesentliches Manko der SPD erkennt Steinbrück, dass sich die SPD offensichtlich um sich selbst dreht:
…Weil das interne Gespräch dominiert, fehlen der SPD bis heute eine intelligente Analyse des digitalen Kapitalismus in seinen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen und einigermaßen barrierefreier Zugang zur „produktiven Klasse“ mit ihren Wissensarbeitern“…
…Die Folge ist, dass eine schweigende Mehrheit sich abwendet und den Kreis des Politischen und der Politik entweder ein für allemal verlässt oder sich eine neue politische Adresse sucht…
Steinbrück fasst vier wichtige Gründe zusammen, die zum politischen Kursverfall der SPD entscheidend beigetragen haben:
- …ihrer historischen Funktion, ein Gegengewicht zu einem entfesselten und entgrenzten Kapitalismus zu sein, zu wenig Folge leistet,
- in ihrem Universalismus allem Bodenständigen in Sport-, Mieter-, Kleingarten-, Karnevals-, Schulvereinen und so weiter als „kleinbürgerlich beschränkt“ entsagte,
- in ihrem Verständnis als Gesamtbetriebsrat der Nation zwar Unwuchten zu korrigieren sucht, aber keine faszinierende Zukunftsidee und Horizonterweiterung lieferte und
- in ihrer Minderheitenpolitik und „Vielfaltseuphorie“ den Erwartungen und Anliegen einer Mehrheitsgesellschaft, die durchweg nicht aus Entrechteten und Geknechteten besteht, nicht genügend Aufmerksamkeit widmete.
Heiko Maas [2] kommt zu dem Schluss, dass die soziale Frage wieder gestellt werden muss:
…Die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Die Frage nach anständigen Löhnen, nach bezahlbarem Wohnraum, nach gesicherter Versorgung im Alter. Wenn die Politik in den letzten beiden Jahrzehnten versäumt hat, Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen, dann vor allem diese. Zugleich haben wir zugelassen, dass Rechtspopulisten die echten Sorgen verschleiern, indem sie durch herbeigeredeten Ängsten ersetzen.
…Das immer mehr Menschen in Deutschland ihre Miete nicht bezahlen können: Das ist ein echtes Problem. Das Familien immer öfter zwei Einkommen brauchen, um über die Runden zu kommen; dass viele Menschen jahrelang auf Hartz IV hängen bleiben und dann als stigmatisiert gelten; dass diejenigen, die Arbeit haben, häufig nur befristete Verträge bekommen, obendrein zu oft in Leih- und Zeitarbeitsmodellen, die das Leitbild der sozial abgesicherten, dauerhaft Beschäftigung aushöhlen; dass viele Rentner nur so gerade das Existenzminimum haben: Das sind echte Probleme.
Zudem stellt Maas Fragen, wo sozialpolitischer Handlungsbedarf besteht:
…das nach wie vor undurchlässige Bildungssystem in Deutschland, das dazu beiträgt, prekäre Lebensverhältnisse über Generationen hinweg zu zementieren,…zu überwinden.
… Leistungsgerechtigkeit. Wir müssen sicherstellen, dass die Arbeitenden bei uns angemessen entlohnt werden.
…Weiter zurückdrängen müssen wir die Leih- und Zeitarbeitsmodelle, die ein Hauptsymptom für die neoliberale Prekarisierung das Arbeitsmarktes sind.
…Gegen Steuerflüchtlinge vorgehen anstatt gegen Flüchtlinge zu hetzen! Selbst der jeden Linksdrall unverdächtige Focus beziffert die Summe, die dem deutschen Fiskus pro Jahr durch Steuerflucht entgeht, auf 100 Milliarden Euro. Das ist ein Vielfaches der Kosten, die dem Staat durch Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten entstehen. Doch ausgerechnet beim steuerlichen Bankgeheimnis – das für Steuerhinterzieher die wichtigste Verdunklungsmöglichkeit bildet und dringend abgeschafft gehört – entdeckt die AfD ihr Herz für den Datenschutz.
Weiterhin fordert Maas dazu auf, sich gegen den sogenannten, gefühlten Kontrollverlust zu wehren:
…Den Zusammenhang zwischen der weltweiten Finanzkrise und der Popolismuswelle sollten wir ohne Scheu benennen und ergründen.
…wir sollten ruhig nachfragen, wie sie [AfD] es denn mit dem tatsächlich außer Kontrolle geratenen Abstrom von Steuerflüchtlingen halten.
Zudem stellt sich die Frage, welche Zukunftsprobleme stellen sich auch für die SPD dar?
Christoph Bausum et. al. [3] sehen „Schwierige Probleme in Sicht“
…Für die Zukunft werden die UN und ihr Behördensystem weniger dazu beitragen, neue Verhaltensstandards in umstrittenen Entwicklungen wie Künstlicher Intelligenz, Genomchirurgie oder Human Enhancement zu setzen, weil Staaten, private Akteure und wissenschaftliche und technische Kreise divergierenden Werte und Interessen vertreten, weil in Fachwelt und Politik gewaltige Unterschiede bei den Wissensständen herrschen und weil sich der technologische Wandel deutlich schneller vollzieht, als Staaten, Behörden und internationale Organisationen Standards entwickeln, Weichen stellen, Regularien errichten und Normen vorgeben können. All diese Faktoren wirken Bemühungen, eine gemeinsame Agenda zu erstellen, bremsend entgegen.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD [4] gibt es viele gute Deutschland stabilisierende Ansätze, die zügig und für die Bürgerinnen und Bürger wirksam umgesetzt werden müssen. Erst wenn die Wählerinnen und Wähler erkennen, dass der durch die Finanzkrise 2008 und Flüchtlingskrise 2015 ausgelöste, gefühlte Staats-Kontrollverlust wieder glaubhaft hergestellt werden kann und wird; erst dann wird die Anhängerschaft der „Altparteien “ u.a. der SPD, wieder steigen. Daran muss die SPD glaubhaft arbeiten, wenn sie sich wirklich erneuern will.
[1] Peer Steinbrück, „Das Elend der Sozialdemokratie Anmerkungen eines Genossen“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2018
[2] Heiko Maas, “ Aufstehen statt wegducken Eine Startegie gegen Rechts“, Piper Verlag GmbH, München 2017
[3] Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler, „Die Welt im Jahr 2035 gesehen von der CIA und dem National Intelligence Council Das Paradox des Fortschritts“, Aus dem Englischen von Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler“, 2. Auflage. 2018, Verlag C.H. Beck oHG, München 2017
[4]Michael Wolff, „Fire and Fury, Inside the Trump White House“, 2018 by Michael Wolff, Henry Holt Company, New York
[4] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, „Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, Berlin, 7. Februar 2018
Sicherheitspolitische Risiken im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD
Es gibt jetzt und zukünftig eine Vielzahl von Bedrohungen und Konflikte, die bekämpft werden müssen. Dazu gehören die zu erwartenden humanitären Katastrophen, die durch sieben globale Trends, die unsere nähere Zukunft prägen werden [2], ausgelöst werden könnten:
1. Die Reichen altern, die Armen nicht. In den wohlhabenden Ländern, in Russland und China schrumpft die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, in den armen Ländern wächst sie noch.
2. Die Weltwirtschaft verlagert sich. Das Wirtschaftswachstum bleibt schwach, die westlichen Mittelschichten geraten zunehmend unter Druck.
3. Die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts beschleunigt sich weiterhin und ruft schwerwiegende Brüche hervor.
4. Religiöse Ideologien und nationale Identitäten führen zu einer Welle von Ausgrenzungen. Der Populismus hat noch lange nicht seinen Zenit erreicht.
5. Das Regieren wird immer schwieriger.
6. Das Risiko von Konflikten, auch solchen zwischen Staaten, verschärft sich.
7. Der Klimawandel, Umweltkonflikte und die weltweite Verbreitung von Infektionskrankheiten stellen ernsthafte, bislang nicht beherrschbare Gefährdungen dar.
Kann die potenzielle deutsche Regierung die sicherheitspolitische Verantwortung und Interessen Deutschlands auf der Grundlage des „Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD“ [1] der gegenwärtigen und zukünftigen Bedrohungslage gerecht werden?
Im „Kapitel XII. Deutschlands Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit in der Welt“ wird Bezug genommen auf das „Weißbuch von 2016“ und daraus ableitend der Auftrag für die Bundeswehr.
Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet…:
Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet und fest in den Vereinten Nationen und der Europäischen Union verankert. Wir setzen uns für eine dauerhaft friedliche, stabile und gerechte Ordnung in der Welt ein. Gemeinsam mit unseren Partnern verfolgen wir einen umfassenden und vernetzten Ansatz. Dabei setzen wir auf Diplomatie, Dialog und Kooperation sowie Entwicklungszusammenarbeit. In diesem Rahmen bleibt die Bundeswehr – wie im Weißbuch 2016 dargelegt – ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitspolitik…
Weiterhin wird Stellung genommen zum jährlichen Haushalt:
Im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung ab 2018 bis 2021 wird die Koalition zusätzlich entstehende Haushaltsspielräume prioritär dazu nutzen, neben den Verteidigungsausgaben zugleich Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ausgehend von der Grundlage des 51. Finanzplanes angemessen zu erhöhen im Verhältnis von eins zu eins beim Verteidigungshaushalt zu Ausgaben im Rahmen der ODA-Quote (Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit). Diese Erhöhungen dienen der Schließung von Fähigkeitslücken der Bundeswehr und der Stärkung der zivilen Instrumente der Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen einer umfassenden gemeinsamen Friedens-und Sicherheitspolitik. Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik und der Kopplung von Verteidigungsausgaben und ODA-quotenfähigen Ausgaben sowohl dem Zielkorridor (2 % des BIP, Anm. d. Verf.) der Vereinbahrungen in der NATO folgen als auch den internationalen Verpflichtungen zur weiteren Steigerung der ODA-Quote nachkommen, deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss.
Zur „Fähigkeits- und Rüstungskooperation“ wird auszugsweise wie folgt Stellung genommen:
Damit die Fähigkeits- und Rüstungskooperation innerhalb Europas künftig effizienter wird, wollen wir in Zukunft militärische Fähigkeiten stärker gemeinsam planen, entwickeln, beschaffen und betreiben. Dabei soll ein einheitliches Design auf Basis einheitlicher Fähigkeitsanforderungen entwickelt werden und ein Staat die Federführung der Umsetzung des Projektes übernehmen. Ferner soll die Wertschöpfung dort erfolgen, wo die beste unternehmerische und technologische Kompetenz in Industrie und Mittelstand liegen.
Zu „Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit“ heißt es:
Deutschland wird auch zukünftig einen angemessenen Beitrag zum Erhalt der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses und zu einer starken europäischen Verteidigung leisten. Zugleich bleibt die NATO dialogbereit.
Es soll „Abrüstung und restriktive Rüstungspolitik“ betrieben werden:
Rüstungskontrolle und Abrüstung bleiben prioritäre Ziele deutscher Außen-und Sicherheitspolitik. Wir wollen ein neues konventionelles und nukleares Wettrüsten auf unserem Kontinent vermeiden. Deutschland wird deshalb neue Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung ergreifen. Wir setzen uns entschlossen für die weltweite verifizierbare Abrüstung von allen Massenvernichtungswaffen ein…
Wir schränken die Rüstungsexporte für Drittländer weiter ein, die weder NATO noch EU-Mitgliedsländer sind, noch diesen gleichgestellt. Ergänzend zu den Kleinwaffengrundsätzen vom Mai 2015 sollen Kleinwaffen grundsätzlich nicht mehr in Drittländer exportiert werden. Wir schärfen noch im Jahr 2018 die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten…
Zu „Krisenprävention und humanitäre Hilfe“ heißt es:
Wir werden die im Jahre 2017 beschlossenen Leitlinien für Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung als Referenzrahmen für Deutschlands Engagement zur Krisenverhütung und Friedensförderung konsequent umsetzen.
Wir setzen den zweiten zweiten Nationalen Aktionsplan zur VN-Resolution 1325 für eine gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen in der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung um…
Zum Auftrag der „modernen Bundeswehr“:
Die Bundeswehr ist Garant unserer Sicherheit. Gemeinsam mit unseren Partnern leistet sie entscheidende Beiträge zum Schutz und zur Verteidigung unseres Landes und unserer Verbündeten. Innerhalb des umfassenden vernetzten Ansatzes engagiert sie sich weltweit für Frieden und Sicherheit.
Wir betonen den Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee. Sie unterliegt der Kontrolle des Deutschen Bundestages, der damit eine besondere Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten trägt. Damit die Bundeswehr die ihr erteilten Aufträge in allen Dimsionen sachgerecht erfüllen kann, werden wir den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen -dies gilt insbesondere auch für den Bereich der persönlichen Ausstattung.
Hierzu werden wir die in der Bundeswehr eingeleiteten Trendwenden Personal, Material und Finanzen konsequent fortführen. Dabei erfordert die sicherheitspolitische Lage eine stärkere Akzentuierung der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Grundaufstellung der Bundeswehr muss dem Rechnung tragen.
Zu „Aktuellen Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ wird auszugsweise wie folgt Stellung genommen:
…Unsere Beteiligung am RSM-Mandat (Resolute Support Mission) in Afghanistan wollen wir bei unverändertem Auftrag fortsetzen. Im Rahmen des multilateral vereinbarten Schutzkonzepts für Nordafghanistan werden wir die Zahl der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten zum Schutz der Ausbilder erhöhen.
Die UN-mandatierte Mission MINUSMA in Mali wird fortgesetzt. Zur Übernahme der Feldlagerverantwortung von den Niederländern werden wir die Obergrenze im geringen Umfang heraufsetzen.
Auszug aus „Für die Menschen in der Bundeswehr – ein attraktiver Arbeitgeber“:
Das zentrale Leitbild der Inneren Führung und der Soldatin und des Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“ ist und bleibt Maßstab. Diese Fundamente wollen wir mit dem Prozess „Innere Führung heute“ stärken. Die politische Bildung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Ein zukunftsweisender Traditionserlass wird vornehmlich die eigene Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt stellen…
…Wir werden dazu Gedanken der Agenda Attraktivität und die Personalstrategie der Bundeswehr weiterentwickeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Wo dies gesetzgeberisches Handeln erfordert, werden wir noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr mit dem Ziel vorlegen, die Gehalts- und Besoldungsstrukturen wettbewerbsgerecht zu gestalten, das Dienstrecht zu flexibilisieren, die mit den hohen Mobilitätsanforderungen verbundenen hohen Belastungen besser auszugleichen und eine bessere soziale Absicherung von Bundeswehrangehörigen, insbesondere auch beim Zugang zur Gesetzlichen Krankenversicherung nach Ende der Dienstzeit von Soldatinnen und Soldaten auf Zeit zu erreichen und dadurch Versorgungslücken zu schließen und die Berufsförderung zu stärken…
…Wir werden die Ausbildungsstrukturen der Bundeswehr sowie ihre Führungs- und Ausbildungskultur in eine „Trendwende Ausbildung“ evaluieren, überprüfen und weiterentwickeln. Dort, wo es sinnvoll ist, wollen wir die Strukturen der bisher in weiten Teilen zentrale Ausbildung wieder in die Truppe zurückführen. Dabei wird der Verteidigungsausschuss eingebunden.
Die Verantwortung des Dienstherrn, dem die Soldatinnen und Soldaten durch einen Diensteid ein Leben lang verbunden sind, endet nicht mit ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Dies gilt gleichermaßen für die engsten Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz für unser Land zu Schaden gekommen sind. Dazu gehört auch, dass Anträge auf Wehrdienstbeschädigung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen schnell und unbürokratisch bearbeitet werden…
Zu „Für eine modern ausgerüstete Bundeswehr“:
…Ein transparentes, effektives und in seinen Prozessen optimiertes Rüstungswesen ist die Grundlage für die bestmögliche Ausrüstung unserer Soldatinnnen und Soldaten. Wir werden darum die in der vergangenen Legislaturperiode begonnene Erneuerung, Modernisierung und Erweiterung der Bundeswehr fortführen und dabei für eine Beschleunigung der Prozesse, insbesondere des Beschaffungswesens, sorgen.
Dafür bedarf es eineer Anpassung der zum Teil seit Jahrzehnten unveränderten Rahmenbedingungen des Rüstungswesens in Deutschland.
Wir werden bis Ende 2019 untersuchen, in welcher Weise die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr an ihren Standorten in ihrer Organisationsform angepasst werden sollte…
…Um den Bedarf für Einsätze bzw. einsatzgleiche Verpflichtungen schneller decken zu können, werden wir Auslegungshilfen für den Verzicht auf den EU-weiten Teilnahmewettbewerb (§12 Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit) zur Verfügung stellen. Zum Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien werden wir bestehende vergaberechtliche Spielräume konsequenter nutzen, Auslegungshilfen zur Verfügung stellen und prüfen, inwieweit der Ausnahmetatbestand des Art. 346 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Beschaffungspraxis stärker herangezogen werden kann. Wie werden darüber hinaus notwendige gesetzliche Anpassungen vornehmen.
Zur Sicherstellung technologischer Innovationsführerschaft werden wir unter Federführung des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministerium des Innern eine ‚“Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ (ADIC) sowie einen IT-Sicherheitsfonds zum Schutz sicherheitsrelevanter Schlüsseltechnologien einrichten.
…Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten.
Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen.
Sicherheitspolitische Risiken im Innern und in der Außenpolitik bestehen. Der „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“ enthält eine Vielzahl von positiven Willenserklärungen und Festsetzungen die bestehenden Risiken zu minimieren. Im Kern will die potenzielle, zukünftige Bundesregierung die Risiken u.a. mit weltweitem Freihandel minimieren. Die Trump-Regierung [3] der USA sowie die May-Regierung von Großbritannien versuchen die Stabilisierung der Umstände in ihren Staaten mit Abschottung und Protektionismus der Märkte in den Griff zu bekommen. Russland und China versuchen geopolitisch und auch wirtschaftspolitisch größeren Einfluss in den Krisenregionen „Naher und Mittlerer Osten“ zu erhalten. Die EU hat in der Flüchtlingsfrage komplett versagt, was zu einer drastischen Schwächung u.a. durch den Brexit von Großbritannien geführt hat. Russland hat auf der „KRIM“ und in der „UKRAINE“ Pufferzonen eingerichtet. „SYRIEN“ ist ein weiterer russischer Partner. Das „BALTIKUM“ fühlt sich von Russland bedroht. Es wird durch NATO-Verbündete geschützt. Polen und Ungarn wollen keine Flüchtlinge aufnehmen.
Insofern enthält der „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“ durchaus Risiken, weil unklar bleibt, wie sich Deutschland die Sicherung des Baltikums vorstellt. Zudem wird das „Zwei-Prozent-Aufrüstungsziel“ der NATO mit Korridor beschrieben. Es wird zwar der Wille geäußert, dass die Bundeswehr die bestmögliche persönliche Ausrüstung erhalten soll. Wie es aber mit neuen Waffensystemen weitergehen soll, wird völlig offen gelassen.
Es entsteht der Eindruck, dass der Wille für eine bestmögliche Ausrüstung der Bundeswehr vorhanden ist. Ob jedoch dieser Wille auch in Taten umgesetzt wird, bleibt offen!
Es ist anzunehmen, dass die o.g. Handlungsspielräume sowohl durch die geplante Umorganisation des Beschaffungssystems und der Flexibilisierung des Dienstrechts sowie der Schaffung eines wettbewerbsmäßigen Besoldungssystems erreicht werden soll.
Zudem ist zu begrüßen, dass ausscheidende Zeitsoldatinnen und Soldaten einen erleichterten Zugang zur Gesetzlichen Krankenversicherung erhalten sollen.
[1] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, „Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, Berlin, 7. Februar 2018
[2] Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler, „Die Welt im Jahr 2035 gesehen von der CIA und dem National Intelligence Council Das Paradox des Fortschritts“, Aus dem Englischen von Christoph Bausum, Enrico Heinemann und Karin Schuler“, 2. Auflage. 2018, Verlag C.H. Beck oHG, München 2017
[3]Michael Wolff, „Fire and Fury, Inside the Trump White House“, 2018 by Michael Wolff, Henry Holt Company, New York