Stabile Regierung bilden!

Kann die SPD mit der CDU/CSU gemeinsam eine stabile Regierung bilden? Unter welchen Bedingungen könnten die beiden großen Parteien zum Wohle der Allgemeinheit zu einem Konsens kommen?

Welche Lösung ist besser für Deutschland? GroKo, Minderheitsregierung, Kooperationsformen, Neuwahlen?

Zunächst ist die Frage zu klären, ob in der jetzigen Lage hoher Immobilienpreise, Steuervermeidung und -hinterziehung, Dieselgate, Arbeitslosigkeit und Harz IV, Altersarmut und Pflegenotstand sowie hoher Gesundheitskosten und Integrationsprobleme der Flüchtlinge unser Sozialsystem stabilisiert werden kann bzw. beherrschbar ist?

Da stellt sich eine weitere Frage: was muss mehr reguliert werden und was weniger?

Zunächst ist festzustellen, dass weltweit der Kapitalfluss kaum noch reguliert wird. Ein paar Großkonzerne und paar Milliardäre regeln die Weltwirtschaft selbst unter Umgehung der regionalen Gesetzgebung. Die „Panamapapers“ zeigen mal wieder, wie rigoros die Steuerflucht von bestimmten Konzernen und wohlhabenden Weltbürgern betrieben wird. Dadurch fehlen den jeweiligen betroffenen Ländern Steuern, die u.a. für den Bildungssektor, Infrastruktur und Straßenbau, Gesundheits- und Pflegesystem gebraucht werden.

Thomas Piketty [1] kommt in seinem Buch zu dem Schluss:

…Die Geschichte der Vermögensverteilung ist immer auch eine durch und durch politische Geschichte und lässt sich nicht auf rein ökonomische Mechanismen reduzieren. Insbesondere ist die in den entwickelten Ländern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1900 – 1960) zu beobachtende Verringerung der Ungleichheit vor allem das Ergebnis der Kriege und der politischen Strategien, die nach den Schocks verfolgt wurden. Auch die Zunahme der Ungleichheit seit den 1970er Jahren ist zu einem großen Teil den steuer- und finanzpolitischen Kurswechseln der letzten Jahrzehnte geschuldet. Die Geschichte der Ungleichheit hängt von den Vorstellungen der ökonomischen, politischen und sozialen Akteure über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sowie von den Kräfteverhältnissen zwischen ihnen und den daraus resultierenden Entscheidungen ab; sie ist das, was alle diese Akteure aus ihr machen…

Die zweite Schlussfolgerung, die den Kern des Buches ausmacht, lautet, dass bei der Dynamik der Vermögensverteilung starke Mechanismen am Werk sind, die entweder in Richtung Konvergenz oder Divergenz drängen, und dass es keinen natürlichen und von selbst ablaufenden Prozess gibt, der verhindert, dass die destabilisierenden und inegalitären Tendenzen sich dauerhaft durchsetzen…

Konvergenz hängt stark von der Politik im Bildungs- und Ausbildungsbereich, dem Erwerb der nötigen Qualifikationen und auf diesem Gebiet geschaffenen Institutionen ab…

Divergenz wird durch folgende Kräfte gefördert!…Da ist zum einen die Abkopplung der Spitzengehälter von den normalen Einkommen, die erhebliche Ausmaße annehmen kann, auch wenn sie bis heute auf bestimmte Bereiche begrenzt ist. Und da ist zum anderen ein Bündel von divergenzfördenden Kräften, die sich aus der Akkumulation und Konzentraton von Vermögen in der Welt ergeben, die von einem schwachen Wachstum und einer hohen Kapitalrendite gekennzeichnet ist. Dieser Prozess wirkt potenziell noch destabilisierender als der erste und stellt zweifellos die größte Bedrohung für die langfristige Entwicklung der Vermögensverteilung dar.

Brooke Harrington [2] zitiert in ihrem Buch:

…But capitalism, as Schumpeter observed, depends on change rather than stability…With the growth of global commerce through the nineteenth century, philosophers such as John Stuart Mill noted that „the ‚dead hand‘ of the past had hampered the growth of a free economy“. Such critiques continued into the present day with the movement by wealthy individuals such as Warren Buffett to ensure that inheritance taxation continues, so that at least some family wealth gets redistributed into economy.

...Finally, while their intent may be conservative, the methods wealth managers have innovated to achieve stability in their clients‘ fortunes can have a profoundly disruptive impact on markets. For example, many of the financial and legal tools they refined to protect clients‘ assets also formed the organizational structure of the subprime mortgage crisis. This is particularly clear in the case of „special-purpose vehicles,“ which are like the fireproof safes of offshore finance: assetholding structures designed for the sole purpose of insulating their content from risk. Put a corporate subsidiary into a special-purpose vehicle, and it is protected from bankruptcy, creditors, and litigants. The entangling of many contemporary private fortunes with corporate wealth meant that putting assets into special-purpose vehicles created new risks for the financial system as a whole, moving an enormous volume of wealth off corporate balance sheets, out of the sight of regulators and auditors…

Diese beiden Zitate von Piketty und Harrington zeigen u.a., wie fragil und instabil unser derzeitiges politisches, ökonomisches und sozial wirtschaftliches System ist.

Für die zukünftige Bundesregierung kommt es gemäß Piketty darauf an, Konvergenz zu fördern und Divergenz zu reduzieren. Harrington unterstreicht dieses Dilemma!

Die von der SPD geforderte „Bürgerversicherung“ ist klar gegen die Beamtenschaft gerichtet, die von der Privaten Versicherung (PKV) in Verbindung mit der sogenannten Beihilfe profitieren. Zudem ist völlig unklar, wie die Rückstellungen der PKV verrechnet werden sollen, die von den versicherten Beamtinnen und Beamten im Laufe der Versicherungsjahre angespart worden sind.

Darüber hinaus ist völlig unklar, wie es mit der sogenannten freien Heilfürsorge der Soldatinnen und Soldaten weitergehen soll?

Somit ist festzustellen, dass die die sogenannte „Bürgerversicherung“ eigentlich wie eine Utopie erscheint, die erst mal mittels experimentellen Modellen verifiziert werden muss, bevor dieser unausgegorene Paradigmenwechsel durchgeführt werden könnte!

Wenn CDU/CSU und SPD Maßnahmen in einem Vertrag zur Bekämpfung der o.g. Mißstände vereinbaren und gezielte Regelungen umsetzen, dass die Renten gesichert werden, Steuervermeidungstricks weitestgehend unterbunden werden, Wachstum gefördert wird, Zuwanderung begrenzt wird, Bildung und Forschung gefördert werden, eine gerechte, zuverlässige Kranken- und Pflegeversicherung gesichert wird, ausreichender sozialer Wohnungsraum bereitgestellt wird sowie innere und äußere Sicherheit gewährleistet wird, sollte eine stabile Regierung möglich sein.

 

[1] Thomas Piketty, DAS KAPITAL im 21. Jahrhundert, 1. Auflage in C.H.Beck Paperback. 2016, Verlag C.H.Beck oHG, München

[2] Brooke Harrington, Capital without Borders: Wealth Managers and the One Percent, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts London, England / 2016

 

Der Wählerwille im Einflussbereich von „Sirenenservern“!

Das Internet wurde in den USA in der militärischen Forschungseinrichtung DARPA entwickelt. Sie dominieren die schnellsten Leitungen. Cisco ist der größte Netzwerkhersteller, Amazon bietet die größte Cloud weltweit an. Google, Amazon, Ebay, Skype, Apple, Microsoft, Facebook & Co sind Firmen, die Standards setzen und den Markt beherrschen. Im Netz sind die USA die unangefochtene Supermacht.

Mehr als 90 Prozent der deutschen Internetnutzer durchsuchen das Netz mit Google, Facebook hat in Deutschland im Januar 2014 rund 27 Millionen Mitglieder, von denen nach Unternehmensangaben rund 19 Millionen die Seite täglich besuchen, bezeugen Marcel Rosenbach und Holger Stark in ihrem Buch, „Der NSA-Komplex“[1].

Markus Morgenroth [2] beschreibt in seinem Buch, „Sie kenne dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!“, was E-Mails über den Verfasser verraten: „…Betrachtet man sie allerdings im Ganzen, vergleicht und verknüpft sie miteinander, setzt sie also in einen Zusammenhang, entsteht ein Bild über das Verhalten, Handeln, die Hintergedanken und die psychische Verfassung eines Mitarbeiters…“
Dieses war möglicherweise u.a. ein Grund, warum der E-Mail-Server von Hillary Clinton kurz vor der US-Präsidenten-Wahl 2016 gehackt wurde und die E-Mails veröffentlicht worden sind.

Die generelle Frage nach den Beeinflussungsmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler durch Superserver von den Parteien oder der jeweiligen Cloud von u.a. Microsoft , Amazon, Facebook u.a. sollte bei der bevorstehenden Bundestagswahl am 24. September 2017 kalkuliert werden.

Jaron Lanier schreibt in seinem Buch „Wem gehört die Zukunft?“[3]:

…Die Kandidaten der Parteien heuern in der Regel Datenspezialisten an und verwenden dieselben Algorithmen und Computerleistungen, die es auch jedem anderen Sirenenserver ermöglichen, die Welt zu seinem Vorteil zu verändern. Das interessante an Wahlen ist, dass das Gesetz mehrere konkurrierende Kandidaten vorschreibt. In der Ära von Big Data ist so etwas schon ungewöhnlich und macht Wahlen zu einem Sonderfall, da das „Ausschlussprinzip“ nicht greift. Wie bei den Mobilfunkanbietern gibt es zahlreiche Sirenenserver, die dieselbe Nische besetzen.

Wenn Wahlen wie Märkte funktionieren würden, würde sich eine siegreiche Partei etablieren und hartnäckig ihre Position behaupten. Das ist ein Fehlermodus der Politik, in dem sich ein „Parteiapparat entwickelt. Der Begriff ist sehr aufschlussreich. Der Prozess ist deterministisch wie bei einem Apparat, einer Maschine. Die Demokratie stützt die Gesetze, die einer marktähnlichen Dynamik Vielfalt aufzwingen, obwohl sich diese Dynamik eigentlich zu einem Monopol entwickeln würde.

Wenn Demokratien Bestand haben sollen, müssen sie so strukturiert sein, dass sie einer „Starsystem“-Politik widerstehen. Denn wenn man dieses Prinzip im Netzwerkzeitalter anwendet, führt das zu regelmäßigen Konfrontationen zwischen den politischen Kampagnen, die auf spiegelbildlichen Datenmengen basieren…

Vielleicht werden wir mehr Wahlen erleben, die entweder extrem knapp ausgehen oder extrem einer Seite zuneigen. Wenn die Sirenenserver gut betrieben werden, erreichen sie vielleicht einen Gleichstand untereinander, doch wenn einer besser ist als der andere, könnte der Vorteil drastisch ausfallen…Das ist ähnlich wie beim Klimawandel: Lange gab es nicht genügend Daten, um ihn definitiv zu erkennen, allerdings hat es nun den Anschein, als ob sich ein eindeutiges Muster abzeichnet…

Heutzutage informiert eine politische Datenbank die lokalen Wahlkampfhelfer über optimale Vorgehensweisen, Stimmen zusammenzubekommen. Dem Wahlkampfhelfer ergeht es ähnlich wie einem Allgemeinarzt, der mehr und mehr nur noch Handlanger für die Sirenenserver der Pharmakonzerne und Versicherungen fungiert.

Das Problem bei der Optimierung der Welt durch einen Wahl-Sirenenserver ist dasselbe wie bei allen anderen Arten von Sirenenservern. Kurzfristig funktioniert das durchaus, allerdings entfernt sich der Sirenenserver immer weiter von der Realität. So, wie vernetzte Server, die Musik für für uns aussuchen, keinen wirklichen Musikgeschmack haben, verfügt ein Rechner, der per Cloud-Computing Politiker aussucht, nicht wirklich politische Klugheit.

Der Vorgang löst sich immer stärker von den Ereignissen in der realen Welt ab. Eine politische Botschaft wird zurechtgefeilt und getestet. Die Feedback-Signale werden in die Statistik eingegeben. So, wie die Big Data in der Wirtschaft mit niedrigerem Wahrheitsanspruch als die Big Data in der Wissenschaft funktionieren, so verhält es sich auch mit den Big Data in der Politik.

Optimierung bedeutet nicht unbedingt Wahrheit. Vom US-Wahlkampf 2012 hieß es häufig, er hätte sich weiter von den Fakten entfernt als je zuvor in der Geschichte. Früher konnte man noch keine zentralen Server verwenden, um jede Person ausfindig zu machen, die auf eine paranoide Hetze gegen Texas anspringen würde. Heute können wir das mehr oder weniger, aber das heißt nicht, dass diese Paranoia in irgendeiner Weise gerechtfertigt oder nützlich wäre.

Wenn die Partei mit dem größten/besten Rechner gewinnt, dann spielt ein auf Argumenten gründender politischer Dialog keine große Rolle mehr. Die Realität verliert an Relevanz, genau wie bei den Big Data der Wirtschaft.

„Big Data“ bedeutet, dass dem großen Geld in der Politik eine größere Rolle zukommt. Wenn man die Demokratie erhalten will, gilt umso mehr, dass die Mittelschicht zusammengenommen mehr Geld haben muss als die Eliten, die Sirenenserver einsetzen könnten. Die Glockenkurve muss die „Starprinzip“-Kurve übertrumpfen.

Wenn in Wahlkämpfen große Firmen nur bestimmten Parteien große Wahlkampfspenden zukommen lassen, kann man sich ausrechnen, welche Partei verlieren wird.

Ein weiteres Problem ist, dass Medien die öffentliche Meinung manipulieren könnten, beschreibt Daniel Domscheit-Berg in seinem Buch, „inside Wikileaks“ [4].

Zudem sind sogenannte Cyber-Krieger bzw. professionelle Hacker in der Lage Wahlkämpfe u.a. durch „Fakenews“ zu beeinflussen, insbesondere in der letzten Phase des Wahlkampfes. Der Wähler wird verunsichert und geht möglicherweise gar nicht zur Wahl oder setzt das Kreuz an der falschen Stelle, wie z.B. die letzte Wahl in den USA gezeigt hat. Planspiele haben gezeigt, dass der sogenannte „First-Mover-Advantage“ die Instablität in der Krise erhöht, für Anspannung sorgt und zum Überlegen keine Zeit lässt, beschreiben Richard A. Clark Mit Robert K. Knake im Buch „WORLD WIDE WAR“ [5].

 

[1] Marcel Rosenbach und Holger Stark, „Der NSA-KOMPLEX Edward Snowden und der Weg in die totale Überwachung“, 1. Auflage, 2014 Deutsche Verlags-Anstalt, München

[2] Markus Morgenroth, „Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich! Die wahre Macht der Datensammler“, 2014 bei Droemer Verlag, München

[3] Jaron Lanier, „Wem gehört die Zukunft?“ Du bist nicht der Kunde der Internet-Konzerne, du bist ihr Produkt, Aus dem amerikanischen Englisch von Dagmar Mallett und Heike Schlatterer, 1. Auflage 2014, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

[4] Daniel Domscheit-Berg, „inside Wikileaks Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011

[5] Richard A. Clark Mit Robert K. Knake, „WORLD WIDE WAR Angriff aus dem Internet“, Deutsch von Heike Schlatterer und Stephan Gebauer, 1. Auflage 20011, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

 

 

Bundestagswahl 2017

Die für den 24.09.2017 geplante Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Die Wählerinnen und Wähler haben die Wahl in der Bandbreite zwischen linksextrem und rechtsextrem. Die Linke, die CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und AfD sowie weitere kleine Parteien bieten den wahlrechtigten Bürgerinnen und Bürgern Deutschlands Zukunfts-Programme an, weil gemäß Parteiengesetz alle Parteien Programmparteien sein müssen, wenn sie sich zur Wahl stellen.

Welche Partei oder Kandidatin bzw. welchen Kandidaten soll man wählen? Die großen Parteien CDU/CSU und SPD kämpfen um die Unterschiede ihrer Programme. Die FDP, Grüne, Linke und AfD wollen das Zünglein an der Waage spielen. Rot-Rot-Grün wird offensichtlich von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern nicht gewünscht, wie die Wahlen im Saarland, NRW und Schleswig-Holstein gezeigt haben. Die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sitzt fest im Sattel und ihr Herausforderer Martin Schulz (SPD) rackert sich nach dem anfänglichen Hype redlich ab, ohne dass sich gemäß aktueller Prognosen der einschlägigen Institutionen die Wählergunst für die SPD wesentlich bessert.

Die Vergangenheit der letzten Wahlen hat gezeigt, dass Prognosen oftmals unzutreffend waren und das Wahlergebnis signifikant von den Vorhersagen abwich. Die letzten Wahlen in den USA, Holland, Frankreich, und Deutschland sind einige Beispiele hierfür. Der sogenannte BREXIT in Großbritannien ist ein weiteres Beispiel für die Ungenauigkeiten der Vorhersagen.

Wesentliche aktuelle, örtliche, krisenhafte Ereignisse, wie z.B. die Finanzkrisen, Flüchtlingskrise, die Nahost-Krise etc. sind Beispiele für die unvorhersehbaren Einflussbedingungen, die das Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler lenken könnten.

Zudem versuchen die Parteien mit z.T. rabiaten Methoden den Wähler, die Wählerin von den Vorhaben anderer Parteien abzubringen und die eigenen Programmpunkte als die besseren hervorzuheben.

Die Methoden, um den wahlberechtigten Staatsbürger zu beeindrucken sind vielfältig:

Der Arzt Gustave Le Bon [1] hat schon 1895 ein Buch über die „Psychologie der Massen“ veröffentlicht. Er stellt u.a. fest: „Das geschriebene Programm des Kandidaten darf nicht sehr entschieden sein, weil seine Gegner es ihm später entgegenhalten könnten, aber das mündliche Programm kann nicht übertrieben genug sein.

Der Arzt und Psychoanalytiker Sigmud Freud hat die Erkenntnisse von Le Bon erweitert und veröffentlicht in dem Buch „Massenpsychologie und Ich-Analyse. Die Zukunft einer Illusion.“ Als Haupterkenntnis Freuds stellt Swetlana Katolnik [2] fest:

…Unzweifelhaft ist, dass …der durch Freud implementierte Begriff der Libido im Kontext der von Le Bon nicht weiter gelösten Suggestion und das darauf aufbauende System der libidösen Konstruktion einer Masse den überragenden Haupterkenntnisfortschritt der massenpsychologischen Betrachtung formen…

Zusammenfassend stelle ich fest, dass alle Mittel der Massenbeeinflussung von Le Bon bis Freud, der Medien und Neuen Medien für den Wahlkampf genutzt werden. Hinzu kommt die zielgerichtete, sogenannte Blasenbildung durch „Fake-News“ bzw. durch politische Lüge.

Instrument der sogenannten Blasenbildung ist u.a. die Nachrichten- APP „whatsapp“, wie die letzte Veröffentlichung der Infos von Herrn Poggenburg der AfD gezeigt hat. Andere Instrumente sind u.a. Facebook und Twitter, die zur sogenannten Blasenbildung durch Gruppenbildung führen könnten! Ein aktuelles Beispiel ist die manipulierende Berichterstattung über den G20-Gipfel auf Facebook gewesen, wobei Fake-News zur Diffamierung der Demonstranten und der Polizei benutzt wurden.

Durch Behauptungen von Personen mit hohem, sozialen Ansehen, häufige Wiederholungen, Nimbus (Prestige) und Übertragung (Suggestion) werden Wählerinnen und Wähler hemmungslos manipuliert.

Genutzt wird dieses Instrumentarium in allen Parteien mehr oder weniger. Professionelle „Hacker“, „Social Bots“, „Meme“ (Bildchen, Videos, Sprüche, Witze) und sogenannte „Trolle“ werden für die mediale Täuschung des Wählers von verschiedensten Mächten und Diensten eingesetzt, stellt Jamie Bartlett [3] in seinem neuesten Buch „The Dark Net fest. Sie sind auch u.a. im Webforum 4chan, in bestimmten Bereichen der Internetplattform Reddit zu finden. Ein Beispiel zu Meme ist Pepe der Frosch. Er wurde im letzten USA Wahlkampf genutzt. Aber auch der SPD-Kanzlerkandidat wird auf Reddit gefeiert.

[1] Gustave Le Bon, „PSYCHOLOGIE DER MASSEN“, 2007 RaBaKa Publishing, 27251 Neuenkirchen

[2] Swetlana Katolnik, „Wo bestehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Massenpsychologie bei Freud und Le Bon und worin liegt der Erkenntnisfortschritt von Freud?“, Studienarbeit, 1. Auflage 2008, 2008 GRIN Verlag

[3] Jamie Bartlett, Übersetzung von Frank Sievers, „THE DARK NET UNTERWEGS IN DEN DUNKLEN KANÄLEN DER DIGITALEN UNTERWELT“, 2. Auflage 2016, Börsenmedien AG, Kulmbach

Sicherheit im lokalen Netz und Internet real oder imaginär?

Wie verwundbar sind Computertechnologie, Netzwerke und Internetverbindungen? Fast täglich hören wir in Medien von Online-Diebstählen, Einbrüchen, Missbrauch und Manipulationen. Wir hören von Spam-Mails mit Werbung für pornografische Websites, und dass mit gestohlenen Kreditkarten Finanzbetrug durchgeführt wird. Zudem dringt das sogenannte „Dark Net“ u.a. in Verbindung mit dem globalen Terrorismus und der Propaganda der politischen Extremisten in unser Bewußtsein ein.

Richard Power [1] stellt fest: „Obwohl sich die Geschäftswelt auf eine vollständige Online-Präsenz zubewegt, stecken wir immer noch unsere Köpfe in den Sand und hoffen, dass das, was wir nicht sehen, uns auch keinen Schaden zufügen wird.“

Das tatsächliche Ausmaß der Computerkriminalität kennt niemand. Die meisten Organisationen weigern sich immer noch, den Ermittlungsbehörden Informationen über Computerkriminalität zugänglich zu machen. Und auf jeden erkannten Fall von Systemeinbruch oder unberechtigter Nutzung kommen wahrscheinlich mindestens zehn unerkannte Fälle.

Richard Power verdeutlicht in seinem Buch u.a. den Begriff „informationstechnologische Kriegsführung“ folgendermaßen:

Der Begriff informationstechnologische Kriegsführung wurde von verschiedenen Leuten in unterschiedlicher Weise und mit unterschiedlichen Motiven benutzt, so Martin Libicki von der National Defense University.

„Die informationstechnologische Kriegsführung fassen zu wollen, ist wie in der  Geschichte, in der die blinden Männer das Wesen eines Elefanten ergründen wollten: Der, der das Bein des Elefanten berührt hatte, nannte ihn einen Baum, der, der seinen Schwanz angefasst hatte, nannte ihn ein Seil und so weiter. Ist eine gute Definition überhaupt möglich? Spielt es eine Rolle, ob man eine hat? Vielleicht gibt es gar keine Elefanten, sondern nur Bäume und Seile, die so tun als ob. Ein Einzelaspekt der informationstechnologischen Kriegsführung, der vielleicht von einem einzigen Kundenkreis hervorgehoben wird, schlüpft in die Rolle des gesamten Konzepts, was seine Wichtigkeit ungeheuer aufbläht.“

So wussten z.B. die Militär- und Geheimdienstexperten, die die Gesamtheit der Konzepte definierten, die unter den Begriff informationstechnologische Kriegsführung fielen, klar und deutlich, was sie darunter verstanden. Im Militärjargon versteht man unter IW so etwas wie Command and Control Warfare (C2W), elektronische Kriegsführung (EW), psychologische Operationen (PsyOps) usw.

Es gibt jedoch zwei Schauplätze, auf denen „informationstechnologisch Krieg“ geführt wird.

Der eine betrifft die, die wirklich mit der nationalen Sicherheit zu tun haben. Der andere ist ein Zirkus mit drei Arenen, auf denen sich Fantastereien, Übertreibungen und schamlose Geltungssucht tummeln. Man muss das eine von dem anderen unterscheiden.

Im Bereich der wirklichen „informationstechnologischen Kriegsführung“ kümmern sich höchste Regierungs- und Industriekreise um die drägenden Fragen der nationalen Sicherheit (z.B. Gefahr ernsthafter Angriffe auf lebenswichtige Infrastrukturen), Fragen, die zuerst von Militär- und Geheimdienstexperten aufgeworfen wurden.

M. Rogge et al [2] führen im Vorwort aus:

Das Computer Security Institute führt in diesem Zusammenhang seit mehren Jahren Befragungen bei amerikanischen Firmen durch, um mit einer statistischen Auswertung zur computerkriminologischen Lage aufwarten zu können. In diesen Umfragen geben im Schnitt 97 % aller Institutionen an, Gebrauch von Firewall- und Antiviren-Technologien zu machen. Doch lediglich 61 % der durch das Computer Security Institute befragten Firmen lassen verlauten, dass sie Einbrüche während des gesamten Jahres erkannt haben, 25 % behaupten hochmutig oder leichtsinnig, dass sie während dieser Zeit keinen erfolgreichen Einbruch zu verbuchen hatten, und 11 % der Befragten müssen gestehen, dass sie ihre Umgebung nicht im Griff haben und nichts über Attacken aussagen können.

anonymous [3] stellt die rhetorische Frage: „Unser Bedarf an Sicherheit: Real oder imaginär?“

Heute werden Web-Server meist von ganz normalen Leuten gewartet, von denen viele nur wenig Erfahrung im Sicherheitsbereich haben. Die Zahl der potentiellen Ziele ist überwältigend und wächst täglich. Doch trotz dieser kritischen Situation treiben Geschäftsleute die Bürger weiter voran. sie behaupten, das Internet sei sicher, man brauche sich keinerlei Sorgen zu machen. Ist das richtig? Nein.

Markteting-Leute lügen wie gedruckt. Entweder das, oder sie haben keine Ahnung, wovon sie reden. Die Wahrheit ist, das Internet ist nicht sicher, auch nicht ansatzweise.

Die Situation wird noch durch die Tatsache verschlimmert, daß auch Autoritäten der Computer-Industrie dazu beitragen, die Öffentlichkeit einzunebeln. Sie preisen ihre Sicherheitsprodukte als einzigartig an und geben damit Otto Normalverbraucher zu verstehen, daß alles in schönster Ordnung ist. Aber die Realität ist eine andere: Jeden Monat knacken Hacker oder Cracker einen weiteren Sicherheitsmechanismus, der als Industrie-Standard gilt.

Darüber hinaus beschäftigt sich Jamie Bartlett [4] in seiner journalistischen Arbeit rund um das sogenannte „Dark Net“ u.a. ausführlich mit Fragen und Auswirkungen der radikalen, gesellschaftlichen und politischen Bewegungen. Er begleitete zweieinhalb Jahre lang islamistische Extremisten durch Europa und Nordamerika um sich ein Gesamtbild von dem zersplitterten und zerstreuten Netzwerk der jungen Männer zu machen, die mit der Ideologie der al-Qaida sympatisieren.

Jamie Bartlett [4] schildert in der Einleitung seines Buches folgende Erfahrungen:

Ich wurde Moderator einer berüchtigten Gruppe von Trollen und verbrachte mehrere Wochen in Foren, in denen man erfahren kann, wie man sich am besten ritzt, am besten hungert oder am besten tötet. Ich erkundete die labyrinthische Welt der Tor Hidden Services, um nach Drogen zu suchen und Netzwerke mit Kinderpornografie zu durchforsten. Ich verfolgte Internetkriege zwischen Neonazis und Antifaschisten auf bekannten Social-Media-Plattformen und meldete mich in den neuesten Pornokanälen an, um mich über die aktuellen Trends in Sachen hausgemachter Erotika zu informieren. Ich besuchte anarchistische Bitcoin-Programmierern besetztes Haus in Barcelona, heruntergekommenen Clubhäusern von Arbeitervereinen, um mit extremen Nationalisten zu sprechen, und ein zerwühltes Schlafzimmer, um drei Frauen dabei zu beobachten, wie sie mit unzweideutigen sexuellen Handlungen vor laufender Kamera und Tausenden Zuschauern ein kleines Vermögen verdienten.

Jamie Bartlett stellt weiterhin fest:

Die Anonymität des Internets, die so etwas wie den Assassination Market erst möglich macht, bietet gleichzeitig Whistleblowern, Menschenrechtlern und Aktivisten Schutz und Raum.

Ich denke, wir sollten mehr für die Sicherheit in den lokalen Netzwerken und im Internet tun! Dazu gehören sinnvolle Passwörter, die aus eine Kombination von Zahlen, Sonderzeichen sowie große und kleine Buchstaben bestehen. Zwölf bis vierzehn Zeichen lange Passwörter sind eine akzeptable Größenordnung. Zweckmäßig konfigurierte Firewalls und Virenscanner sind aktuell zu halten. System-Updates sind regelmäßig erforderlich.

Weiterhin ist zu empfehlen, persönliche Daten regelmäßig (mindestens 1x pro Woche, sehr wichtige Daten täglich) auf einen externen Datenträger (DVD, Festplatte oder USB-Stick) zu sichern; vertrauliche E-Mails hochgradig, u.a. mit dem PGP-Standard (Pretty Good Privacy), zu verschlüsseln, HTTPS-Protokolle für verschlüsselte Webauftritte zu verwenden. Bei Nutzung von Online-Shops ist eine Zwei-Kanal-Authentifizierung zu empfehlen.

 

[1] Richard Power, „Attacken im Web Fälscher, Hacker, Datenklauer – Die Schattenseiten des Cyberspace“, 2001 Markt + Technik Verlag,München/Germany

[2] M.Rogge/M. Ruef/W.Gieseke/Uwe Velten, „Hacking Intern Angriffe, Strategien, Abwehr“, 2003 by DATA BECKER GmbH & Co. KG, 1.Auflage 2003

[3] anonymus, Übersetzung von Imke Schenk, Marion Thomas, „hacker’s guide sicherheit im internet und im lokalen netz“, 2001 by Markt + Technik Verlag, München/Germany

[4] Jamie Bartlett, Übersetzung von Frank Sievers, „THE DARK NET UNTERWEGS IN DEN DUNKLEN KANÄLEN DER DIGITALEN UNTERWELT“, 2. Auflage 2016, Börsenmedien AG, Kulmbach

Kann das noch demokratische Europa gerettet werden?

Einerseits stellen Matthias Weik & Marc Friedrich [1] fest: „Die EU ist überfordert, der Euro ist gescheitert und zerstört die europäische Idee. Die Südschiene Europas ist de facto bankrott; sie wird lediglich künstlich durch immense Subventionen und brutale Eingriffe in die Wirtschaft am Leben gehalten. Fakt ist: Die Südländer können und werden ihre Schulden niemals zurückzahlen! Wenn wir den Kern der europäischen Idee lebendig halten wollen, dann müssen den betroffenen Ländern Schuldenschnitte und Wirtschaftsaufbauprogramme nach dem Vorbild des Marschallplanes eingeräumt werden, der Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Beine geholfen hat.“

Andererseits stellt Daniel Stelter [2] die berechtigte Frage: „Deutschland, der Eurogewinner?“

Er argumentiert folgendermaßen weiter:

Wann immer die deutsche Position in der Eurokrise diskutiert wird, wird früher oder später – vor allem von ausländischen Kommentatoren – darauf hingewiesen, dass die Deutschen doch die eigentlichen Profiteure des Euro seien.

Stimmt das? Nimmt man die Perspektive des sprichwörtlichen „Mannes auf der Straße“ ein, so kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis.

Zu Zeiten der Deutschen Mark stand die deutsche Wirtschaft unter konstantem Aufwertungsdruck. Die Währungen der Haupthandelspartner – der französische Franc, die italienische Lira, aber auch der US-Dollar – werteten in schöner Regelmäßigkeit gegenüber der D-Mark ab. Folglich war die deutsche Wirtschaft gezwungen, immer produktiver zu werden.

Wie heilsam die Wirkung einer starken Währung ist, lässt sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz ersehen. Das Wohlstandsniveau und die Leistungsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft sind weiter gestiegen, obwohl der Schweizer Franken über Jahrzehnte kontinuierlich an Wert gewonnen hat.

In den ersten Jahren nach der Euroeinführung profitierten die anderen Länder von dem deutlich niedrigeren Zinsniveau, welches sie von der Bundesbank auf die EZB übergegangenen Glaubwürdigkeit verdankten. Die Zinsen waren für die heutigen Krisenländer zu gering, was den bereits mehrfach erwähnten schuldenfinanzierten Boom auslöste. Für Deutschland, das damals an einer überhöhten Bewertung bei der Festlegung des Euro-Wechselkurses litt, waren die Zinsen jedoch zu hoch.

Die Rezession in Deutschland war deshalb schwerwiegender und dauerte länger, als es ohne den Euro der Fall gewesen wäre.

Deutschland war der kranke Mann Europas, während Spanien als Musterbeispiel für die gute wirtschaftliche Entwicklung galt. Erst später wurde deutlich, dass es sich in Spanien um eine gigantische, schuldenfinanzierte Immobilienblase handelte.

Um die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen, setzte Deutschland auf die Wiedergewinnung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit über Kostensenkung. Mit den stagnierenden Löhnen gingen auch die Steuereinnahmen zurück, während die Exporte zulegten. Der Euro hat es Deutschland also nicht „erlaubt“, Handelsüberschüsse zu erzielen; vielmehr hat er die Überschüsse geradezu erzwungen. Dass die Wirtschaft sich auf den Export konzentrierte, lag vor allem an der geringen Binnennachfrage.

Richtig ist: Die deutschen Unternehmen haben von der Lohnzurückhaltung in Deutschland und den schuldenfinanzierten Boom in den anderen europäischen Ländern profitiert. Die Exporte boomten.

Die Investitionsquote des Staates liegt nunmehr seit Jahren deutlich unter den Abschreibungen.

Die Schwäche der Binnennachfrage führt zu einem Ersparnisüberhang.

Als die Krise in Europa offensichtlich wurde, zogen deutsche Banken ihr Geld aus den Krisenländern ab. Dabei wurden sie entweder von öffentlichen Geldgebern abgelöst – Modell Griechenland – oder aber die Bundesbank musste den Geldabfluss durch die Gewährung von TARGET-II-Krediten ausgleichen. Das Risiko eines Zahlungsausfalls wurde damit sozialisiert und trifft auch jene deutschen Steuerzahler, die von dem Exportboom der letzten Jahre nicht profitiert haben und bei Schuldenschnitten zulasten privater Geldgeber weniger stark betroffen gewesen wären.

Auch von den Bemüungen der EZB, durch groß angelegten Ankauf von Staatsanleihen den Eurokurs zu drücken, die Kreditvergabe zu stimulieren, die befürchtete Deflation zu bekämpfen und damit am Ende Wachstum zu erzeugen, profitiert der Mann auf der Straße nicht.

Richtig ist: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IFW) in Kiel seit Krisenbeginn netto rund 60 Milliarden Euro an Zinszahlungen eingespart.

Richtig ist: Ein schwacher Euro hilft erneut der Exportindustrie. Doch für den Mann auf der Straße bedeutet er höhere Kosten durch steigende Importpreise und überdies verringert er den Effekt des fallenden Ölpreises.

Richtig ist außerdem: Die Vermögenspreise steigen. Doch das ist Umverteilung von unten nach oben. Während die Aktienkurse und Immobilienpreise steigen, erhält der Kleinsparer keine Zinsen mehr. Die DZ Bank beziffert den Verlust an Zinsen in den vergangenen fünf Jahren auf 190 Milliarden Euro.

Für den Durchschnittsdeutschen stellt sich die Geschichte folgendermaßen dar. Die Einführung des Euro führt zu einer langen Phase geringen Wachstums, hoher Arbeitslosigkeit und stagnierender Löhne.

Der Staat kürzte Ausgaben für Sozialleistungen und – viel schlimmer – für Infrastruktur und Investitionen.

Sind die Deutschen also wirklich die Hauptnutzer des Euro? Wohl kaum. Ohne den Euro hätte es die Schuldenparty im Süden Europas nicht gegeben – und auch die hohen Exportüberschüsse -, dafür wohl aber einen höheren Lebensstandard und bessere Infrastruktur in Deutschland.

Auch acht Jahre nach dem Beginn der Krise im Jahre 2008 hat sich den grundlegenden Problemen des Euroraums nicht geändert.

Unterdessen hat sich die Politik von demokratischen Grundsätzen zunehmend entfernt. Immer mehr Entscheidungen werden von Gremien getroffen, die sich dem Votum der Wähler – wenn überhaupt – nur sehr indirekt stellen müssen.

Derweil nehmen die politischen Spannungen zu. In vielen Ländern sind in Bezug auf den Euro europakritische Parteien im Aufwind.

Die Bevölkerungen sind immer weniger  bereit, den Weg der internen Abwertung zu gehen. Das wird die weitere Entwicklung Europas in den kommenden Jahren nachhaltig prägen.

Das Erstarken der vielen rechtsradikalen Parteien in den europäischen Ländern und auch in Deutschland sowie die hohen Schuldenberge destabilisieren zunehmen unser demokratisches, politisches, finanztechnische, wirtschaftliches und soziales System.

Die EU bedarf eines dringenden Umbaues, dahingehend, dass die Souveränität der jeweiligen Staaten wieder hergestellt wird. Haupt-Aufgaben der EU könnten sein: gemeinsame Sicherheitspolitik und Wirtschaftspolitik. Wesentliche Entscheidungen sollten den jeweiligen, beteiligten Ländern überlassen werden.

 

 

[1] Matthias Weik & Marc Friedrich, „DER CRASH IST DIE LÖSUNG“, Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten, Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, Originalausgabe, Köln, 20. März 2014

[2] Daniel Stelter, “ EISZEIT IN DER WELTWIRTSCHAFT“ Die sinnvollsten Strategien zur Rettung unserer Vermögen, 2016 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main,

Struktur der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA)

Richard C. Schneider beschreibt in seinem Buch , “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT?“ u.a. die Struktur der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA):

„Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde ist das höchste Amt in der palästinensischen Politik. Er ist der Regierungschef und hat nicht nur, wie etwa in Deutschland , repräsentativen Charakter. Der Ministerpräsident wird direkt vom Präsidenten ernannt, also nicht vom Parlament oder gar vom Volk gewählt. Er ist nicht Teil des Parlaments und wird obendrein völlig unabhängig von der regierenden Partei bestimmt. Er sollte allerdings die Regierungskoalition im Parlament oder zumindest die stärkste Fraktion repräsentieren.

Im Juni 2005 verabschiedete das palästinensische Parlament ein Gesetz, das eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl von 88 auf 132 vorsah.

Nach dem palästinensischen „Grundgesetz“, das Arafat erst im Jahre 2002 unterzeichnete, ist die Struktur der PA in drei Teilen organisiert, wie dies für die meisten Demokratien gilt: in Legislative, Judikative und Exekutive. Allerdings: Die Judikative ist bis heute nicht ordentlich formalisiert worden.

Der Präsident der PA wird direkt vom Volk gewählt und ist gleichzeitig Oberbefehlshaber der bewaffneten Kräfte (von einer Armee kann noch nicht gesprochen werden, da es einen palästinensischen Staat noch nicht gibt). In einem Anhang zum Grundgesetz, der 2003 verabschiedet wurde und möglicherweise eines Tages Teil der Palästinensischen Verfassung werden könnte, wurde festgehalten, dass die PA eine offizielle bewaffnete Streitmacht unterhält, die nach Schätzungen von Beobachtern zwischen 40 000 und 80 000 Mann stark ist. Gemäß den Abkommen mit Israel dürfen es nur 30 000 sein.

Die „Polizei“ verfügt über gepanzerte Autos und eine begrenzte Anzahl automatischer Waffen. Die Sicherheitskräfte haben, gemäß dem Abkommen mit Israel, die Verantwortung für die Bekämpfung von Terrorismus. Und sie müssen, müssten mit Israel die allgemeine Sicherheit koordinieren.“

Das Problem, das die PA seit ihrer Entstehung hat, ist ihre Doppelgesichtigkeit. Sie soll einst zur Regierung eines noch zu gründenden palästinensischen Staates werden. Im Grunde hat sie ja bereits Regierungsgewalt, aber sie hat sich nie entscheiden können, den Terrorismus als „Mittel der Politik“ aufzugeben. Viele Palästinenser argumentieren, es sei ihr legitimes Recht, für sie sind die Attentate (auch Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten) Mittel des Befreiungskampfes, ihr „Unabhängigkeitskrieg“. Dass sie mit gezielten und gewollten Angriffen gegen Zivilisten alle Regeln des Kriegsrechts und der international anerkannten Normen verletzen, ist ihnen gleichgültig. Als unterdrückte Nation sehen sie sich nicht auf gleicher Augenhöhe mit einem bereits staatlich existierenden Feind, die Kriegsmittel sind notgedrungen andere, da man nicht über eine eigene Armee verfügt. Dabei übersehen die Palästinenser jedoch, dass sie zum Aufbau einer Eigenstaatlichkeit, die mit dem Friedensprozess von Oslo beginnen sollte, bereits die ersten staatlichen Institutionen ihr Eigen nennen: ein Parlament, eine Regierung, Ministerien.

Die Grenzen zum „Terror“ bleiben jedoch fließend, und Israel ebenso wie die internationale Staatengemeinschaft können sich nur schwer auf dieses Gebilde verlassen, das sich PA nennt. Der innere Weg der Palästinensischen Autonomiebehörde wird mitentscheiden, ob die Palästinenser endlich in hoffentlich naher Zukunft einen eigenen Staat haben werden – und können.

 

Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

EU-Israel-UNO: der israelisch-arabische Konflikt

Die Beziehungen zwischen der EU und Israel laufen auf zwei Ebenen ab. Auf der politischen Ebene versucht die EU eine Vermittlerrolle im Friedensprozess einzunehmen und zu helfen, aber auch eigene Interessen, die sich zum Teil von denen der Amerikaner unterscheiden, durchzusetzen. Die andere Ebene ist die pragmatisch-bürokratische. Im ganz normalen Alltag gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen der EU und Israel im Handel, in Wissenschaft, Kultur und Erziehung. Richard C. Schneider [1]

Aber erst die Besetzung nach dem Sechs-Tage-Krieg hatten diese Konflikte in Israel voll ausbrechen lassen. Von streng religiösen jüdischen Philosophen bis hin zu linksgerichteten Israelis hatten sich viele gegen die Okkupation ausgesprochen, wobei der jüdische Professor Yeshayahu Leibowitz davor gewarnt hatte, auch nur den kleinsten Teil der Palästinensergebiete zu halten, denn wenn wir nur einen kleinen Teil von dem schlucken, was wir erobert haben, werden wir viel schwächer werden. Eine weitere Million Araber wird alle Grundlagen unserer Existenz unterlaufen. Antonia Rados [2]

Im März 2012 beschrieb der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel nach einem Besuch in Israel und dem Westjordanland die Lage in Hebron via Twitter wie folgt: „Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Dazu muss man wissen, dass Hebron rund 200.000 Palästinenser und 500 überwiegend rechtsextreme und gewaltbereite israelische Siedler leben. Auch der Apartheid-Vergleich ist nicht neu. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu beispielsweise hat die Politik Israels gegenüber den Palästinensern widerholt mit der früheren Apartheid-Politik Südafrikas verglichen. Gabriel bezog seinen Apartheid-Vergleich ausdrücklich allein auf Hebron – gleichwohl geriet er umgehend ins Kreuzfeuer der Kritik. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe etwa zeigte sich empört und verlangte eine sofortige Entschuldigung für Gabriels „verbalen Totalausfall“. Die „Frankfurter Rundschau“ kommentierte am 17. März 2012: „Sigmar Gabriel … sonderte als ahnungsarmer Kurzbesucher in Israel und im besetzten Hebron einen flapsigen Facebook-Satz ab, der kein Beitrag zur ernsthaften Debatte über ein Israelis wie Palästinenser umtreibenden Problem ist. Michael Lüders [3]

Richard C. Schneider schreibt in seinem Buch, „WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT?“:

Einerseits verdankt Israel seine Existenz unter anderem der UNO, andererseits sieht sich Israel immer wieder von der UNO in die Ecke gestellt als Buhmann, als „böser Bube“ unter den Nationen.

Alles begann mit der Resolution 181 (II) vom 29. November1947. Es ging um die Frage der zukünftigen Regierung von Palästina. Die Resolution empfahl, dass die Briten als Mandatsmacht Palästina verlassen, dass das Militär spätestens zum 1. August 1948 aus dem Land sein müsse, dass ein unabhängiger arabischer (palästinensischer) und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie eine besondere internationale Verwaltung für die Stadt Jerusalem, die von der UN getragen werde, ins Leben gerufen werden. Und dass schließlich in Jerusalem die Interessen aller Religionen, Christentum, Judentum und Islam, gewahrt werden sollen.

Die Resolution der UNO-Vollversammlung Nr. 273 vom 11. Mai 1949 lässt Israel als Mitglied der Vereinten Nationen schließlich zu.

Der gesamte Nahostkonflikt ist seitdem immer wieder von UNO-Resolutionen mit beeinflusst worden.

Die UNO-Resolution 3379 von 1975 hat entscheidend zum angespannten Verhältnis zwischen Israel und der UNO beigetragen. Die UNO erklärt darin, dass sie glaubt, der Zionismus sei eine Form des Rassismus und der rassischen Diskriminierung. Die Resolution zitiert dazu Resolutionen anderer transnationaler Organisationen, in denen der Zionismus als Bedrohung für den Weltfrieden und die Sicherheit angesehen wird, als rassische und imperialistische Ideologie. Und sie sagt wörtlich, dass die rassistische Regimes in Zimbabwe und Südafrika den gleichen imperialistischen Ursprung haben, dieselbe rassistische Struktur. Sie seien in ihrer Politik miteinander verbunden, die zum Ziel habe, die Würde und Integrität des Menschen zu unterdrücken.

Diese Resolution wurde 1991 von der UNO-Vollversammlung durch die Resolution 4686 widerrufen.

Doch die UN-Politik im Nahen Osten muss sich kritische Fragen gefallen lassen. Nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg 1948 wurde das palästinensische Flüchtlingsproblem zu einem Kernpunkt der weiteren Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen Nachbarn. Seit 1948 ist die UNO die wichtigste Organisation, die sich um das Schicksal der Palästinenser kümmert. Die meisten Flüchtlingslager werden von ihr betreut und verwaltet. Das es sie bis heute gibt, ist ein Ergebnis regionaler Politik.

Die arabischen Staaten hatten keinerlei Interesse daran, die Flüchtlinge aufzunehmen oder gar zu rehabilitieren, indem man ihnen zum Beispiel staatsbürgerliche Freiheiten und Rechte zubilligte. Im Libanon dürfen palästinensische Flüchtlinge bis heute nicht studieren oder arbeiten, sie haben bis heute nicht die libanesische Staatsbürgerschaft bekommen.

[1] Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

[2] Antonia Rados, „Gucci gegen Allah Der Kampf um den neuen Nahen Osten“, Wilhelm Heyne Verlag, München, Aktualisierte Taschenbuchausgabe 11/2006

[3] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

Israel-USA: Ist eine neue Strategie der Konfliktlösung erforderlich?

„Kommentare und Berichte über Israel frei von der in Deutschland vorherrschenden politischen Korrektheit bietet auch „Haaretz“ (www.haaretz.com). Gideon Levy, ein scharfzüngiger Kritiker der Regierung Netanjahu, schreibt am 18. März 2012: „Selbst die größten Befürworter eines Angriffs, deren Zahl beängstigend zunimmt, räumen ein, dass der Iran mit der allergrößten Entschlossenheit zurückschlagen wird. Michael Lüders [1]

„Jeder zweite Ägypter gegen Friedensvertrag mit Israel“, so lautet die Schlagzeile einer dpa-Meldung am 26. April 2011. Diese Meldung wäre in der Tat beunruhigend, würde sie bedeuten, eine neue ägyptische Regierung würde als erstes diesen 1979 in Washington unterzeichneten Vertrag aufkündigen. Damit ist kaum zu rechnen. Jörg Armbruster [2]

„Kein Frieden ohne Syrien, kein Krieg ohne Ägypten.“ Der Spruch ist alt, soll aber sagen, dass Syrien schon immer eines der Schlüsselländer des Nahen Ostens war, eine geographische und politische Zentralmacht, in der fast alle Konfliktlinien des Nahen und Mittleren Ostens zusammenlaufen, aufeinanderstoßen, sich oft genug aneinander reiben, was aber in der Vergangenheit selten zu einem gefährlichen Funkenflug geführt hatte. Bisher zumindest. Verglichen mit Syrien führte Libyen immer eine Randexistenz im Nahen Osten. Auch deswegen konnte die NATO in den Bürgerkrieg in Libyen eingreifen. Die Situation in Syrien ist weitaus komplizierter und komplexer. Jörg Armbruster [3]

Jörg Armbruster beschreibt in seinem Buch „Syrien als Brennpunkt im Nahen Osten“ wesentliche Zusammenhänge der Konfliktzonen:

Israel – der beste Feind

Die Grenze mit Israel: Beide Länder befinden sich offiziell noch immer im Kriegszustand. Gleichwohl wurde die von UNO-Blauhelmen kontrollierte Waffenstillstandslinie auf den Golanhöhen, die Israel 1981 annektierte, von den Machthabern in Damaskus weitestgehend respektiert, auch wenn Israel keine Anstalten macht, dieses besetzte Gebiet zurückzugeben. Alle Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Syrien sind bislang gescheitert.

USA – der zaudernde Riese

Die Angst Israels vor den syrischen Chemiewaffen mag auch mit dazu geführt haben, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, Mitte Juni 2013 seinen Tanz auf der von ihm selbst formulierten roten Linie beendete. Meldungen, dass Assad Chemiewaffen eingesetzt haben soll, gab es schon seit dem Frühjahr 2013.

2013 mehrten sich die Hinweise: Assad habe tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt, wenn auch nur in kleinen Mengen.

Auch für Israel war die Entscheidung Obamas ein wichtiger Schritt, hatte die Regierung Netanjahu doch immer gedrängt, die USA mögen eingreifen in diesem Konflikt, der immer mehr zu einer Bedrohung des jüdischen Staates selbst werde.

Die USA steckten im Syrienkrieg also in einem für sie kaum lösbaren Dilemma. Greifen sie auf der Seite der Freien Syrischen Armee in den Konflikt ein, unterstützen sie damit ungewollt, aber nahezu automatisch auch die radikalen Sunniten; denn sie können nicht gegen diese und gleichzeitig gegen Assad einen Krieg führen. Schlimmstenfalls müssten sie nach einem Sturz Assads entweder zu einem Feldzug gegen Al-Qaida-Verbände antreten oder Sicherheitszonen für von radikalen Sunniten bedrohte Minderheiten wie den Alawiten – ihre ehemaligen Feinde – und Christen einrichten. Sollten sie Bodentruppen einsetzen, und sei es nur für eine Schutzzone im Norden, dann haben sie es nicht nur mit der syrischen Armee zu tun, sondern auch mit der libanesischen Hisbollah und Kampftruppen aus dem Iran.

Sollten die USA sich für Luftangriffe entscheiden, dann gehören möglicherweise sogar als Berater eingesetzte russische Soldaten zu den Opfern.

Durch den Persischen Golf läuft also auch eine der großen Konfliktlinien des Nahen Ostens. Am einen Ufer des Golfs der schiitische Mullah-Staat Iran, am anderen dieses für die Ölversorgung so wichtigen Gewässers die sunnitisch-wahabitischen Länder der arabischen Halbinsel, darunter so wichtige wie Saudi Arabien und Katar.

Katar – ein riesiger Winzling

Gerade Katar, geographisch ein Winzling, in Wirklichkeit dank seiner Gasvorkommen wirtschaftlich ein Riese und politisch manchmal ein hyperaktiver Halbstarker,…

Das Hauptquartier der US-Streitkräfte im Nahen Osten befindet sich in Katar, genauso aber auch eine Art Botschaft der Taliban. Katar unterhält gute Beziehungen zu Israel, finanziert aber gleichzeitig Israels Erzfeind, die Hamas.

Katar hatte sich bis zum Beginn der arabischen Aufstände als erfolgreicher Vermittler zwischen den vielen Konfliktparteien der Region bewährt, lieferte sich mit dem Iran im 2006 kriegszerstörten Südlibanon einen regelrechten Wiederaufbauwettkampf und investierte  Millionen von Dollar in den Gazastreifen der Hamas.

Katar spielt also eine nicht ganz durchsichtige Schlüsselrolle in der komplizierten Gemengelage von Syrien, als Geldgeber, als Vermittler zwischen den zerstrittenen Oppositionsgruppen, als Unterstützer der Djihadisten, als Wohltäter der Bevölkerung in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten.

Eines allerdings wollen weder Katar noch Saudi Arabien, dass nämlich aus dem Nach-Assad-Syrien eine Demokratie wird.

Sie wollen nicht mehr Mitbestimmung der Bevölkerung, sondern den Nahen Osten umbauen zu sunnitisch geprägten autoritären Regimen.

Ein russischer Freund

Nicht weniger wichtig für Assad ist Russland. Moskau ist ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der UNO und damit ein sicheres Veto gegen alle UN-Resolutionen, die Syrien verurteilen wollen, außerdem Waffenlieferant und möglicher Vermittler zwischen den Parteien und schließlich das stärkste Gegengewicht gegen die westliche Dominanz im Nahen Osten.

Für Russland wiederum ist Syrien, wie der Iran, die Brücke in den Nahen Osten. Einen anderen Verbündeten hat Moskau in der arabischen Welt nicht, die meisten anderen Länder lehnen sich an die USA an.

Türkei – vom Freund zum Feind

Heute ist die Türkei Rückzugsgebiet der Rebellen, von der Türkischen Regierung geduldet, von der türkischen Geheimpolizei hingenommen, sogar gefördert. In Camps trainieren die Aufständischen ihre Kämpfer. Durch die Türkei werden Waffen für die Aufständischen in den Norden Syriens geschmuggelt. Auch dies mit Wissen der türkischen Regierung und geduldet von der türkischen Geheimpolizei und dem Militär. In der Südtürkei erholen sich Kämpfer von der Front. Ärzte wie Dr. Ammar verbringen hier ein paar Tage, ehe sie wieder in den Krieg zurückkehren, um in Aleppo drei Wochen lang am Stück zu operieren.

Die Türkei ist aber auch Gastgeber für hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien, die zusammengepfercht in für Beobachter verschlossenen Lagern leben. Und die Türkei ist neben Jordanien das Land, das am meisten Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat. Über 400000 sind es mit Sicherheit Mitte 2013, und täglich kommen neue hinzu. Trotz dieser wachsenden Belastung hat das türkische Parlament 2013 per Gesetz den Status der Flüchtlinge erheblich verbessert.

Waren sie davor höchstens nahezu rechtlose „Gäste“, haben sie seit der Verabschiedung des Gesetzes zum Beispiel das Recht, gegen geplante Abschiebung Einspruch zu erheben. Auch dürfen sie nicht mehr in Länder abgeschoben werden, in denen sie Folter oder Verfolgung erwartet.

Die syrischen Flüchtlinge können also sicher sein, dass sie vorläufig nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Flüchtlinge aus Syrien drängten über die Grenze  in die Türkei, die große Mehrheit waren Sunniten wie die meisten Türken.

Auch Erdogans AKP steht für eine sunnitische Ausrichtung der türkischen Politik. Außerdem zeichnet sich in anderen Ländern des „arabischen Frühlings“ 2012 immer mehr ab, dass die sunnitischen Muslimbrüder aus der Illegalität direkt in die Präsidentenpaläste durchmarschieren werden, so in Ägypten, so in Tunesien. Für den Islamisten Erdogan und seine Türkei eine einmalige Chance, sich als Vorbild für die aufkeimenden Muslimbruderstaaten und den Westen zu empfehlen: „Ihr seht es an mir. Es kann gelingen, einen islamistisch ausgerichteten Staat demokratisch aufzubauen!“

 

[1] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

[2] Jörg Armbruster, „Als die islamische Jugend begann, die Welt zu verändern Der arabische Frühling„, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2011

[3] Jörg Armbruster, „BRENNPUNKT NAHOST Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens“, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013

Iran – Konflikt lösbar?

Der Iran ist für den Westen vor allem deshalb eine Problem, weil vor allem die USA ihn zur Strafe für die Vertreibung des prowestlichen Schahregimes geächtet und dadurch jeden Einfluß auf seine Politik verloren haben. Diese Entwicklung ist nicht umkehrbar.“ Jürgen Todenhöfer [1]

„In Artikel drei der Verfassung heißt es  unter anderem, die Regierung der Islamischen Republik Iran wird aufgefordert, all ihre Kräfte auf das Folgende zu richten. Ein entsprechendes Umfeld zu schaffen, in dem die moralischen Tugenden auf der Grundlage des Glaubens, der Frömmigkeit und des Kampfes gegen Manifestationen von Laster und Korruption wachsen können; die öffentliche Aufmerksamkeit n allen Bereichen zu erhöhen und dabei Gebrauch von Presse, Massenmedien und anderen Mitteln zu machen […]; den Kolonialismus absolut abzulehnen und ausländischen Einfluss zu verhindern; alle Formen von Diktatur, Autokratie und Monopolen zu eliminieren; unerwünschte Diskriminierung abzuschaffen und gleiche Chancen für alle auf allen Gebieten zu gewährleisten [..]; eine islamische Bruderschaft zu entwickeln und allgemeine Kooperation zwischen allen Menschen zu stärken; Außenpolitik auf der Grundlage islamischer Standards zu entwickeln, brüderliche Verpflichtung gegenüber allen Moslems und die uneingeschränkte Unterstützung für alle unterdrückten Nationen dieser Welt zu garantieren. Antonia Rados [2]

Hintergrund

Den Iran nannte man bis 1935 im allgemeinen Persien. Er wurde 1979 die erste Islamische Republik in der muslimischen Welt. Konservative Kleriker um Ayatolla Khomeni stürzten die Monarchie von Reza Schah Pahlevi 1978.

Seit der Islamischen Revolution haben sich die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran massiv und konsequent verschlechtert. Die Auseinandersetzungen zwischen den Staaten erlebten einen neuen Höhepunkt, als während des Ersten Golfkrieges zwischen dem Iran und dem Irak Saddam Husseins von 1980 bis 1989 die Kämpfe sich bis zum Persischen Golf ausdehnten, wo schließlich die US-Marine in Gefechte mit den iranischen Truppen geriet. Seit damals ist das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt. US-Präsident George W. Bush erklärte den Iran zu einem der drei Staaten, die zur „Achse des Bösen“ gehören. Richard C. Schneider [3]

Vordergründig geht es in der Causa Iran um die Frage, ob das Land nach der Atombombe greift. Tatsächlich aber sind vor allem die USA und Israel, in ihrem Windschatten auch die Europäer bemüht, die Regionalmacht Iran, den einzigen Staat neben Syrien im weiten Raum zwischen Marokko und Indonesien, dessen Politik nicht pro-westlich ausgerichtet ist, in die Schranken zu weisen. Michael Lüders [4]

Der Countdown zum Krieg begann mit dem im November 2011 veröffentlichten  Iran-Report der in Wien ansässigen IAEA. Dieser Report führt an keiner Stelle den Nachweis, dass der Iran an einer Atombombe baut. Stattdessen wirft er Tehran vor, nicht alle Details seines Atomprogramms offengelegt oder rechtzeitig an die IAEA-Zentrale weitergeleitet zu haben. Resümierend heißt es: „Alle diese Informationen zusammengenommen geben Anlass zu wachsender Besorgnis, dass das iranische Nuklearprogramm eine militärische Dimension haben könnte.“ Michael Lüders [4]

Und man darf nicht vergessen, dass das Atomprogramm keine Erfindung des neuen Präsidenten ist. Seit vielen Jahren arbeiten die Iraner daran, und die Tatsache, dass sie nach der Zerstörung des einzigen Atomreaktors des Irak durch die israelische Luftwaffe im Jahre 1981 ihre  Atomanlagen über das ganze Land verteilt und die sensibelsten Teile unterirdisch angelegt haben, lässt zumindest den Zweifel zu, ob die Iraner die Atomenergie wirklich nur zu friedlichen Zwecken nutzen wollen, wie sie immer wieder betonen. Richard C. Schneider [3]

Dabei hatten Israel und der Iran noch zu Zeiten des Schahs beste militärische und wirtschaftliche Beziehungen. Die jüdisch-persische Diaspora gilt als erste und älteste in der Geschichte des jüdischen Volkes. Die Beziehungen zwischen Juden und Muslimen in Persien waren stets freundschaftlich und unproblematisch, die jüdische Bevölkerung wuchs und trug wesentlich zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung des Landes bei. Israel war im Iran quasi der Stellvertreter der USA. Zu Schahzeiten bildeten Israelis die iranische Armee aus, belieferte sie mit Waffen. Der Iran und die Türkei waren stets „natürliche“ Verbündete Israels in der Region. Beide Staaten sind zwar muslimisch, aber keine Araber. Insofern gab es (und gibt es heute noch zumindest für die Türkei) gemeinsame Interessen mit Israel gegenüber der arabischen Übermacht. Was den Iran betrifft, so hat sich die Lage grundlegend gewandelt. Wenn man die Drohungen Ahmadinejads ernst nimmt, dann droht Israel und dem jüdischen Volk nicht nur ein zweiter Holocaust. Dann könnte die iranische Bombe zum Auslöser einer Katastrophe werden, die die ganze Welt mit hineinziehen wird. Und das alles nur, um den 12. Imam zurückzuholen? Aus westlicher Sicht scheint das Irrsinn zu sein. Richard C. Schneider [3]

 

[1]Jürgen Todenhöfer, „WARUM TÖTEST DU, ZAID?“, 1. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, September 2009

[2] Antonia Rados, „Gucci gegen Allah Der Kampf um den neuen Nahen Osten“, Wilhelm Heyne Verlag, München, Aktualisierte Taschenbuchausgabe 11/2006

[3] Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

[4] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012

Hamas und Hisbollah – eine Machtoption

„Die Hisbollah ist wie auch die palästinensische Hamas als Reaktion auf israelische Besatzung entstanden“, stellt Michael Lüders in seinem Buch IRAN: DER FALSCHE KRIEG fest.

Weiterhin führt er aus: „Diese Einsicht jedoch gilt in Israel wie auch in der westlichen Politik überwiegend als Blasphemie. Statt dessen gelten Hisbollah und Hamas fälschlicherweise als Teil eines globalen islamistischen Netzwerkes, mit engen Verbindungen zu Al-Kaida“.

Die Frage ist, was macht diese beiden Organisationen für die arabische Bevölkerung so attraktiv und wann sind sie entstanden?

Richard C. Schneider stellt in seinem Buch WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? wesentliche Zusammenhänge vor:

Die Hamas ist im Laufe der siebziger und achtziger Jahre gegründet worden. Anfangs unterstützte Israel die radikal-islamistische palästinensische Hamas.

Das Wort  „Hamas“ steht im Arabischen für „Harakat al-Muqawama al-Islamia“ und bedeutet allgemein „Islamische Widerstandsbewegung“, es bedeutet aber auch „Eifer“. Damit ist der allgemeine Charakter der Organisation umrissen.

Der Operationsraum der Hamas ist ausschließlich auf den Gazastreifen und das Westjordanland beschränkt.

Am Anfang wurde die Hamas überwiegend von Saudi-Arabien finanziell unterstützt.

Israel wollte die Hamas als Gegengewicht zur säkularen PLO unterstützen, weil der Führer der PLO, Jassir Arafat, als Erzfeind betrachtet wurde.

Bis in die 80ziger Jahre konzentrierte sich die Hamas auf soziale Fragen, sie prangerte Korruption an, verwaltete Spenden und verteilte Geld an Arme, organisierte Projekte für die Bedürftigen der palestinensischen Bevölkerung. Auf diese Weise sammelte die Hamas Sympathie, Unterstützung und Zulauf.

Die Hamas war einerseits in Gaza überaus aktiv und andererseits im Westjordanland, den Westbanks, relativ inaktiv, weil damals die „Muslimbruderschaft“ noch einen integralen Bestandteil der jordanischen islamischen Bewegung bildete.

Die Muslimbruderschaft vertrat damals noch die besser gestellte Schicht der Hamas: Kaufleute, Grundbesitzer und die berufliche Mittelschicht der Palästinenser.

Der damalige Führer der Hamas, Achmed Jassin, kam aus Nähe der israelischen Stadt Aschkelon. Er kam nach dem Unabhängigkeitskrieg Israels als Flüchtling 1948 in den Gazastreifen. Jassin studierte an der Al-Azhar-Universität in Kairo, als die islamistischen Bewegungen innerhalb der Studentenschaft besonders aktiv war.

Jassins Nachfolger wurde Achmed Rantissi aus der Nähe von Jaffa, Stadt im Kernland Israels. Auch Rantissi war 1948 nach dem Unabhängigkeitskrieg als Flüchtling nach Gaza gekommen. Er studierte Medizin in Ägypten, praktizierte dort aber nie als Arzt. 1976 kehrte er nach Gaza zurück. Auch er war während seiner Studentenzeit zur Muslimbruderschaft gestoßen. Er löste die Erste Intifada aus. Unter dem Eindruck der Intifada begann er seine mutige Friedenspolitik, die zum Friedensvertrag von Oslo 1993 führte.

Rantissi wurde bald zur rechten Hand von Scheich Jassin und gehörte somit zum innersten Führungszirkel der Hamas.

Der militärische Kampf der Hamas gegen Israel entwickelte sich stufenweise.

1992 wurde der militärische Arm der Hamas gegründet und organisiert.

Ein Ziel hatte die Hamas aber nie: die USA. Bis heute wurden nie US-amerikanische Einrichtungen direkt angegriffen.

Die eigentliche Basis für ihren Erfolg schuf sich die Hamas jedoch mit Sozialprogrammen. Eine Vielzahl von Erziehungs- und Hilfsprogrammen haben der islamistischen Organisation viel Sympathie eingebracht.

Hamas hat aus ehrlicher Anteilnahme das Geld der armen Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Ihre Führer gelten als ehrlich, Korruption kennt man aus den Reihen der Hamas nicht.

Für die Entwicklungsgeschichte der Hamas ist der Friedensprozess von Oslo von entscheidender Bedeutung.

Nach dem israelischen Abzug aus Gaza im Sommer 2005 begann die Hamas ihre Macht im Gazastreifen endgültig zu konsolidieren.

Obwohl die Hamas inzwischen den Ministerpräsidenten der palästinensichen Regierung stellt, Ismail Hanije, so ist die eigentliche Führung der Organisation im Ausland, im Exil. Von Damaskus aus steuert Khaled Meshal die Geschicke der Bewegung.

In jüngster Zeit hat sich die Hamas zunehmend dem Iran angenähert. Die engen Verbindungen mit der Hizbollah im Libanon mögen dazu beigetragen haben, vor allem aber der internationale Finanzboykott seit ihrem Wahlsieg 2006. Die Unterstützung der palästinensischen Behörden wird dann wieder aufgenommen, wenn die Hamas die drei Forderungen des Westens erfüllt: Anerkennung Israels, das Ende der Terroraktionen und die Anerkennung der zwischen den Palästinensern und Israels bereits unterschriebenen Vereinbarungen. Nichts dergleichen will die Hamas jedoch tun. Und so versorgt sie sich mit Geld aus dem Iran.

Der Iran, der wegen seines Atomprogramms mit dem Westen auf Konfrontationskurs gegangen ist, ist bereitwillig eingesprungen, und verfolgt nun mit der Hamas eine ähnliche Politik wie mit der Hizbollah im Libanon.

Das funktioniert, weil die sunnitische Hamas mit der schiitischen Hizbollah viel gemeinsam hat: die totale Ablehnung der Existenzberechtigung Israels, eine ähnliche Haltung zum Märtyrertum.

Mit Hilfe der Hamas kann die Hizbollah in den besetzten Gebieten politisch und militärisch leichter Fuß fassen. Damit kann der Iran als neue Großmacht im Nahen Osten die Führung der islamischen Welt übernehmen und Israel vernichten.

[1] Richard C. Schneider, “ WER HAT SCHULD? WER HAT RECHT? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss“, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2007

[2] Michael Lüders, „IRAN: DER FALSCHE KRIEG Wie der Westen seine Zukunft verspielt“, Verlag C.H. Beck oHG, München 2012