Regierungshandeln bedeutet auch Gewaltandrohung, Sanktionen und Bundeswehreinsätze im In- und Ausland durchführen.
Problematisch sind die sogenannten „failed states“. Sie bringen das weltweite Wirtschaftssystem ins Wanken. Insbesondere im „Größeren Mittlere Osten[1]“ finden politische Umbruchprozesse statt, die fast nicht mehr kontrollierbar sind. Diese Umbruchprozesse bedrohen einerseits unsere Energieversorgung und andererseits durch Migration in die Industrieländer unsere Bevölkerungsstruktur und damit auch unser Wirtschaftsystem. Frontex wurde eingerichtet, um diese Migrationströme zu kontrollieren, sodass es nicht zu einem Kollaps unseres politischen und wirtschaftlichen Systems kommt.
Diese Aufgabe ist eine Herausforderung für die Europäer und Amerikaner. Es geht hier u.a. um
- den freien Öl- und Gaszufluss aus der Golfregion,
- die Bekämpfung des Internationalen Terrorismus und dessen Sponsoren,
- die Eindämmung des islamischen Fundamentalismus zur Verhinderung der Kontrolle über die Region,
- die Verhinderung der Proliferation der Massenvernichtungswaffen und um
- das Iranische Atomwaffenprogramm.
Es geht aber auch, um sogenannte Klimakriege: Das sind die asymetrischen Kriege des 21. Jahrhunderts. Sogenannte „low-intensity-wars“ werden um Trinkwasser und Rohstoffe geführt. Es werden aber auch Gaspipelinesysteme angegriffen. Hier entstehen Dauerkriege und eine Gewaltökonomie. Beispiele hierfür sind der Sudan und Darfur.
Es werden fünf verschiedene Akteure unterschieden:
- regionale Streitkräfte,
- paramilitärische Gruppen,
- Selbstverteidigunseinheiten,
- Private Dienstleister und
- Externe Streitkräfte.
Diese Entwicklung stört nachhaltig die Struktur unserer Zivilgesellschaft, die Märkte, Wirtschaftsysteme, Finanzsysteme sowie die Energiesicherheit.
Eine weitere wesentliche Bedrohung ist die Proliferation von Massenvernichtungsmittel (MVM). Wie können wir uns vor dieser Bedrohung schützen? Für die Gefahrenabwehr im Innern stehen uns Polizeikräfte zur Verfügung. Für die Verteidigung nach Außen hat Deutschland 1956 die Bundeswehr aufgestellt. In den Artikeln 87b und 115 ist der Auftrag unserer Streitkräfte vom Gesetzgeber geregelt worden.
Wie stellt sich nun die Überlebensfähigkeit[2] unserer Streitkräfte unter der Bedrohung eines gegnerischen Einsatzes dar durch
- atomare, biologische und chemische Waffen,
- Einsatz ballistischer Raketen, Marschflugkörper und Kampfdrohnen (UAV),
- Angriffe durch Terroristen,
- elektronische Angriffe?
Damit ergeben sich folgende Fragen:
- Welche Systeme sind vorhanden, um das Angriffsspektrum festzustellen?
- Sind „taktische“ Abwehr-Raketen (Land/See) für Bedrohungen von Marschflugkörpern ausgelegt und leicht verlegbar (Lufttransport)?
- Welche Investitionen sind notwendig, um die Kommunikations-Systeme gegen elektronische Angriffe zu immunisieren?
Gemäß Konzept zur Erweiterten Luftverteidigung[3] (ELV) wurden Defizite festgestellt. Unter dem Punkt „Passive Luftverteidigung“ heißt es:
„Maßnahmen der passiven Luftverteidigung (z.B. Härtung, Auflockerung, Tarnung, Täuschung) können lediglich die Wirkung gegnerischer Luftangriffsmittel mindern. Da ein ausreichender Schutz von Personal und Material vor der Luftbedrohung daher gewährleistet werden kann, haben diese Maßnahmen ausschließlich ergänzenden Charakter. Dies schließt Schutzmaßnahmen gegen die Wirkung von Massenvernichtungswaffen (MVW) ein. Dazu sind zeitgerechte Frühwarninformationen zur Auslösung von Schutzmaßnahmen auch in Zusammenarbeit mit zivilen Stellen erforderlich.“
„Qualitative und/oder quantitative Defizite im Bereich der Streitkräfte bestehen derzeitig u.a.:
- im unzureichenden Schutz gegen die Bedrohung im elektromagnetischen Spektrum bzw. durch Informationsoperationen,
- in der unzureichenden Einsatzwirksamkeit gegen Tactical Ballistic Missile (TBM) bis 1000 km, einschließlich einer wirksamen Zerstörungsfähigkeit besonders gegen Gefechtsköpfe mit MVW,
- in der nationalen Gewinnung/Bereitstellung von Frühwarninformationen,
- in der Befähigung zur abstandsfähigen Detektion und Bestimmung von B/C-Kampfstoffen.“
Im Rahmen von Strukturanpassungen der Sicherheitssysteme an mögliche Zukunftsaufgaben (Abwehr von Cyberkrieg, Terrorismusabwehr und sogenannte „hybride Kriege“) der Polizei, Bundeswehr und Katastrophenschutz ist ein modernes Sicherheitskonzept Deutschlands erforderlich.
Bei Großschadenslagen und Katastrophen können Einsätze der Bundeswehr im Innern im Wesentlichen auf der Grundlage des Artikel 35 Absatz 1 (Amtshilfe) sowie Absatz 2 (Naturkatastrophen) des Grundgesetzes durchgeführt werden.
[1] Nordafrika, östliches Mittelmeer, Türkei, Kaukasus, Kaspische Region, Zentralasien (u.a. Afghanistan), Iran, Irak, Golfregion
[2] Die Fähigkeit, Streitkräfte und Infrastruktur gegen derzeitige und zukünftige Bedrohungen zu schützen; dazu gehört vor allem der Schutz gegen ABC-Waffen und eine (sog.) Taktische Raketenabwehr (Tactical Ballistic Missile = TBM) [Defense Capabilities Initiative (DCI)]
[3] 16. Mai 2001