Der Klimawandel ist unbestreitbar vorhanden. Erkennbar sind die Folgen der Veränderung der klimatischen Verhältnisse in den letzten 10 Jahren besonders deutlich hervor getreten. Naturkatastrophen, auslöst durch Starkregen, Dürren ausgelöst durch extreme Erwärmung sowie Erwärmung der Meere durch Abschmelzen der Polkappen, belegen, dass sich die Welt klimatisch in einem bedrohlichen Anpassungsprozess befindet.
Zur Lösung des Problems schreibt Christopher Clark [1]:
Die Simultanität der zeitlichen Ungewissheit in der liberal-demokratischen und in der linken Politik ist bezeichnend. Sie spiegelt womöglich eine latente Ko-Abhängigkeit zwischen den beiden wider, in dem Sinn, dass der Niedergang des sozialistischen Erwartungshorizont zwangsläufig den Kollaps der liberalen Hoffnung nach sich zog – das ist die tiefere Bedeutung, die Perry Anderson in Fukuyamas berühmten Essay erkannte. Aber es kann unsere Aufmerksamkeit auch auf jene historischen Zwänge lenken, die die Linke ebenso wie die Rechte unter Druck setzen und Notlagen entstehen lassen, für die keiner von beiden geeignet scheint, eine Lösung zu finden.
Amitav Gosh [2] denkt über die Auswirkung des Klimawandels auf das Zeitbewusstsein nach und gibt zu verstehen, dass die wahre Bedeutung der ökologischen Bedrohung, mit der wir heute konfrontiert sind, in ihrer kumulativen und endgültigen Qualität liegt.
Die Ereignisse, die vom heute stattfindenden Klimawandel hervorgerufen werden, repräsentieren also die Gesamtheit allen menschlichen Handelns zu allen Zeiten und somit zugleich den Endpunkt der Geschichte. Denn wenn die Gesamtheit unserer Vergangenheit in unserer Gegenwart enthalten ist, dann ist Temporalität ihrer ureigenen Bedeutung beraubt.
Hans Joachim Schellnhuber [3] untermauert diese Feststellungen und stellt eine Vielzahl wissenschaftlich belegte Daten dem Leser zur Verfügung.
Welche enormen Schäden an Leib und Leben die entsprechenden Extremereignisse anrichten können, weiß niemand besser als die Fachleute von der GeoRisiko-Forschung der „Munich Re“ (früherer Name: Münchener Rückversicherung), der größten Rückversicherungsgesellschaft der Welt.
Ihre Datensätze und Ursachenanalysen liefern nicht nur Hinweise für Versicherungs- und Investionsentscheidungen der Munich Re in Millardenhöhe (etwa im Zusammenhang mit dem brasilianischen Gigawatt-Wasserkraftwerkprojekt Belo Monte), sondern stellen auch wertvolle Orientierungshilfen für die internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik dar.
Besonders brisant ist dabei die Frage, wer wo auf der Welt am stärksten unter den physischen und materiellen Wirkungen von Wetterextremen leidet beziehungsweise in Zukunft leiden wird.
Laut IPCC-SREX (2012) ereigneten sich 95 Prozent der Verluste an Menschenleben im Zeitraum von 1970 bis 2008 in den sogenannten Entwicklungsländern.
Umgekehrt – so jedenfalls die Desasterfolklore – fallen in den hochindustrialisierten Ländern die Löwenanteile an Vermögensverlusten an und praktisch die Gesamtheit aller versicherten Schäden.
Wesentlich interessanter ist es, einen Blick auf Verteilung und Charakter der wirtschaftlichen Schäden unabhängig von ihrem Versicherungsstatus zu werfen. Dafür eigent sich die Wohlstandsklassifizierung, welche die Weltbank für die Staaten der Erde eingeführt hat und die von den Risikoforschern der Munich Re übernommen worden ist.
Dieses Schema unterscheidet vier Einkommensgruppen, wobei das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in der ersten Gruppe (USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Australien usw.) über 12 000 US-Dollar liegt. Diese Nenngröße rangiert in der zweiten Gruppe (Brasilien, Mexico, Südafrika, Russland, China, Iran usw.) zwischen 4 000 und 12 000 US-Dollar, in der dritten Gruppe (Bolvien, Ägypten, Ukraine, Indien, Papua-Neuguinea etc.) zwischen etwa 1 000 und 4 000 US-Dollar. In der vierten und ärmsten Gruppe (Haiti, Ruanda, Kongo, Äthiopien, Afghanistan, Bangladesch usw.) müssen die Menschen im Durchschnitt mit weniger als 1 000 US-Dollar ein ganzes Jahr auskommen.
Wie die Tabellen der Rückversicherer tatsächlich ausweisen (Beilharz und Seifert 2012), entfielen auf die reichsten Länder der ersten Gruppe in den letzten drei Jahrzehnten zwei Drittel der weltweiten Gesamtschäden durch Naturkatastrophen.
Der extreme Klimawandel ist offenbar nur noch aufhaltbar, wenn die zunehmende Erderwärmung um zwei Grad Celsius begrenzt wird, so die Klimaforscher! Die GeoRisiko-Forschung der Munich RE hat die zu erwartende Klimakatastrophe bereits in ihre Tabellen eingepreist, um die potentiellen, versicherten Vermögensschäden auffangen zu können. Damit wird indirekt signalisiert, dass auch die Munich Re von einem drohenden Klimawandel ausgehen, der durch die Zunahme der Erd- und Atmosphärenerwärmung verursacht wird.
Was hat diese Erwartungshaltung der Munich Re bezüglich der drohenden Klimaänderung sicherheitspolitisch zu bedeuten, wenn den Entwicklungsländern noch mehr Klimakatastrophen als bisher drohen und den Menschen dort die Lebensgrundlagen entzogen werden?
Amitav Gosh stellt fest, dass ein ganz entscheidender Faktor für die globale Klimapolitik die Rolle der Vereinigten Staaten, Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland (Five-Eyes-Allianz) sind. Diese sogenannte Anglosphäre betrachtet sich selbst als Grundfeste der gegenwärtigen globalen Sicherheitsarchitektur.
Widerstand gegen die Klimaforschung ist jedoch kein Selbstläufer, denn wie Oreskes, Conway und andere aufzeigten, wird er von den Konzernen und Energie-Milliardären initiiert, gefördert und finanziert.
Seltsamerweise unterscheidet sich das Bild völlig, wenn …, beispielsweise dem sicherheitspolitischen Establishment. Dort gibt es nämlich nicht die geringsten Anzeichen von Leugnung oder Verwirrung. Im Gegenteil, das Pentagon widmet dem Studium das Klimawandels mehr Ressourcen als jeder andere Zweig der US-Regierung. Wie der Schriftsteller und Klimaaktivist George Marshall feststellte, lässt sich
die rationalste und durchdachteste Reaktion auf die Ungewissheiten des Klimawandels unter Militärstrategen finden. […] General Chuck Wald, einstiger stellvertretender Oberbefehlshaber der amerikanischen Europa-Streitkräfte, formulierte es mit den Worten: „Es gibt ein Problem, und das Militär wird Teil der Lösung sein.“
Amitav Gosh weiter: Im Jahr 2013 erklärte General James Clapper, damals Director of National Intelligence und somit die höchste Instanz aller amerikanischen Geheimdienste, bei einer Anhörung vor dem Senat:
Extreme Wetterereignisse (Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen) werden zunehmend die Nahrungsmittel- und Energiemärkte stören, die Schwächen des Staates hervorbringen, zu Migrationen der Menschen führen und Unruhen, zivilen Ungehorsam und Vandalismus auslösen.
Die Position des britischen Miltärs ist ähnlich, so Amitav Gosh. Hier die Zusammenfassung aus dem Bericht eines australischen Think Tanks:
Von der Einbindung des Klimawandels in die nationale Planung bis hin zur Berufung hochrangiger militärischer Autoritäten als Richtliniengeber der Streitkräfte hinsichtlich des Klimawandels haben britische und die amerikanischen Regierung ihre Militärs angewiesen, sich zügig auf den Klimawandel und seine Folgen vorzubereiten.
Also, … „alles deutet darauf hin, dass ihre politischen Eliten und Sicherheitsstrukturen die jeweiligen Vorgehensweisen hinsichtlich des Klimawandels stillschweigend abgestimmt haben“, sagt Amitav Gosh.
Die globale Erwärmung ist nicht zuletzt deshalb so einzigartig, weil sie sowohl eine innerstaatliche als auch eine globale Krise darstellt.
Krisen können auch das Potential habe, neue Ideen zu entwickeln. Nur, bisher haben die großen Volksparteien CDU/CSU und SPD keine wegweisenden Antworten auf die innerstaatliche und globale Krise der globalen Erwärmung geben können. Diese Unfähigkeiten der großen Parteien lassen die linken und rechten Ränder unserer politischen Landschaft erstarken.
Allerdings haben Christopher Cark und Amitav Gosh ausführlich erläutert, dass auch diese linken und rechten Ränder keine wegweisenden, modernen Lösungen anzubieten haben: Beide Parteien AfD und Linke setzen auf vergangene Zeiten und dessen Lösungen.
Nationalstaatsmodelle sind lange überholt in unserer heutigen, stark vernetzten Wirtschaft- und Finanzwelt. Intelligente Lösungen, die den Menschen auch wirklich helfen, können eigentlich nur global erwachsen. Die Instrumente sind vorhanden, KI, Internet, Satellitentechnologien, globales Gesundheitswesen etc. Was fehlt ist ein einheitliches globales Steuersystem, dass Steuervermeidung und Steuerflucht verhindert. Dieser Effizienzgewinn kann dann u.a. in mobile Transportsysteme integriert werden, die nicht mehr auf die Verbrennung von fossilen Brennstoffen setzen. Denn diese tragen erheblich zur Erwärmung unserer Erde und Atmosphäre bei.
Verbrennung unserer Zukunft ist der falsche Weg.
[1] Christopher Clark, „Von Zeit und Macht Herrschaft und Geschichtsbild vom Großen Kurfürsten bis zu den Nationalsozialisten“, S. 244, 1. Auflage, 2018 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
[2] Amitav Ghosh, „Die grosse Verblendung Der Klimawandel als das Undenkbare“, S. 159, 185, 188, 189, 191, 1. Auflage 2017, 2017 Karl Blessing Verlag München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
[3] Hans Joachim Schellnhuber, „Selbstverbrennung Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“, S.144 ff, 3. Auflage, 2015 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH