Die sicherheitspolitische, soziale und wirtschaftliche Lage in der arabischen Welt ist sehr zerbrechlich geworden nachdem die islamische Jugend begann die Welt zu verändern.
Hamed Abdel-Samad beschreibt in seinem Buch „Krieg oder Frieden“ die arabische Revolution und die Zukunft des Westen die Chance auf ein gedeihliches Miteinander von Abendland und Morgenland. Andererseits versucht er eine Prognose abzugeben,
„…ob in den destabilisierten Nationen Bürgerkriege und eine kollabierende Wirtschaft Hunderttausende, ja Millionen junger Menschen auf den Weg nach Norden zwingen, wo sie die überalterten Gesellschaften Europas zu überrennen drohen. Abdel-Samads Botschaft ist klar: Der Westen muss sich wirtschaftlich und politisch engagieren, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu eröffnen.“
In seinem weiteren Buch „Der Untergang der islamischen Welt“ versucht er weitere Prognose für die Zukunft des Islam zu entwickeln. Er zitiert u.a. aus dem Buch „Der Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler die folgende Passage:
„Zuletzt, im Greisentum der anbrechenden Zivilisation, erlischt das Feuer der Seele. Die abnehmende Kraft wagt sich noch einmal, mit halbem Erfolg – im Klassizismus, der keiner erlöschenden Kultur fremd ist, an eine große Schöpfung; die Seele denkt noch einmal – in der Romantik – wehmütig an ihre Kindheit zurück. Endlich verliert sie, müde, verdrossen und kalt, die Lust am Dasein, und sehnt – wie zur römischen Kaiserzeit – aus tausendjährigem Lichte zurück in das Dunkel urseelenhafter Mystik, in den Mutterschoß, ins Grab zurück.“
Hamed Abdel-Samad analysiert weiter:
Während sich im Westen ein Gegenpol zum Materialismus und Konsumverhalten im kulturellen Repertoire der Aufklärung und des Humanismus findet, mangelt es dem gelebten Islam an einem eigenen gesunden Verteidigungsmechanismus gegen den Konsum, ohne ihn kategorisch auszuschließen und zu verdammen. Man könnte könnte sagen, Konsum ohne Kant führt zu Verwirrung. Indem die Mehrheit der Menschen in den islamischen Staaten die Instrumente und Produkte der Moderne verschlingt, sich dem dahinter stehenden Gedankengut aber nach wie vor verschließt, existiert sie in einem Zustand der Schizophrenie, der über kurz oder lang in Fanatismus oder kulturelle Verwahrlosung mündet – oder gar in beides zugleich.
Dieser Zustand ist längst eine Realität in der islamischen Welt und wird von vielen vereinfacht als ein Konflikt zwischen Tradition und Moderne gedeutet. Doch er verweist meines Erachtens auf den Zerfall einer Religion, die keine konstruktiven Antworten mehr bieten kann auf die Fragen des modernen Lebens und auf den Zerfall einer Kultur, die die eigene Besonderheit über den Wandel stellt, obwohl dieser Besonderheit keine Substanz mehr entspricht.
Was der Westen als Re-Islamisierung der islamischen Welt wahrnimmt, ist in Wirklichkeit nur ein Vorhang, der das Verschwinden der Religion verdecken soll.
Im Westen herrscht die Vorstellung, der Islam sei übermächtig und befinde sich auf dem Vormarsch. Die demographischen Entwicklungen in der islamischen Welt und in Europa sowie die blutigen Anschläge und schrillen Töne des fundamentalistischen Islam bestätigen viele Menschen im Westen in ihren Annahmen. Tatsächlich ist es jedoch so, dass sich die islamische Welt in die Defensive gedrängt fühlt und gegen die in ihrer Wahrnehmung aggressive Macht- und Wirtschaftspolitik des Westens heftig protestiert.
Das Engagement der westlichen Mächte in Afghanistan und im Irak sowie die vielen ungelösten Konflikte in der islamischen Welt, von Tschetschenien bis Palästina, lassen Verschwörungstheorien über die hegemonialen Ansprüche und Bemühungen des Westens wuchern. Während viele Europäer die Islamisierung Europas und den Untergang des Abendlandes beschwören, sehen sich viele Muslime eher als Opfer eines westlichen Masterplanes, der die totale Kontrolle über die Ressourcen der Muslime und die Unterwanderung ihrer Heiligtümer vorsieht.
Jörg Armbruster beschreibt in seinem Buch „BRENNPUNKT NAHOST“ die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens u.a. den syrischen syrischen Teufelskreis:
Noch nie war die Lage in der arabischen Welt so zerbrechlich und angespannt wie heute. Das Alte scheint zu verschwinden. Dafür haben die Aufstände 2011 gesorgt. Unklar ist aber, was als Neues kommt.. Anfangs sah für einen kurzen Augenblick so aus, als kämpften die Tahrirplatz-Demonstranten für einen säkularen Staat. Doch stellte sich das schnell mehr als Wunschtraum denn als Realität heraus. Zumindest in Tunesien und Ägypten war schon früh klar, dass als Sieger nur die Muslimbrüder in Frage kommen, obwohl sie sich spät den aufständen angeschlossen hatten. Die ersten freien Parlamentswahlen haben sie dann auch erwartungsgemäß überwältigend gewonnen. In Ägypten zusammen mit den Salafisten mit einer Zweidrittelmehrheit. Zwei Jahre später allerdings ist ihr Traum von der Macht wieder zerplatzt. Das ägyptische Militär stürzt die frei gewählte Regierung der Muslimbrüder wegen anhaltender Proteste gegen den Präsidenten und seine gescheiterte Politik. In Tunesien ist die islamistische Enahda-Partei als stärkste Partei an einer Regierungskoalition beteiligt. Aber auch hier wachsen die Konflikte dem Land allmählich über den Kopf.
In Syrien ist aus den friedlichen Demonstrationen, mit denen der Konflikt 2011 begonnen hatte, eine Art Stellvertreterkrieg geworden, der immer mehr die Züge eines Religionskrieg annimmt. Schiiten gegen Sunniten, Katar und Saudi Arabien gegen den Iran und schließlich ein Wettkampf zwischen Russland und den USA, den Putin durchaus gewinnen kann. Die friedlichen Demonstranten von einst sehen sich an den Rand der jüngsten syrischen Geschichte gedrängt, dabei hatten sie nur Respekt, Würde, politische Teilhabe und ein besseres Leben gewollt. Anfangs hatten sie sogar darauf verzichtet, den Rücktritt Assads zu fordern. Das kam erst später. Auf den frischen Wind aus Ägypten und Tunesien hatten sie 2011 gesetzt und müssen nun erleben, wie ihr Land in einen zerstörerischen Tornado gerät.
[1] Hamed Abdel-Samed, „Krieg oder Frieden Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens“, 2011, Droemer Verlag, München
[2] Jörg Armbruster, „BRENNPUNKT NAHOST Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens“, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013